Drygalla und der Neo-Nazi: Die Mär vom Opfer

Von Marion Kraske
10. August 2012

Die deutsche Ruderin Nadja Drygalla ist Opfer oder vielmehr: Sie wird zum Opfer stilisiert. Zum Opfer von vermeintlich erbarmungsloser Öffentlichkeitsschelte und rigoroser Verfolgungshysterie. Und natürlich – wie so oft – sind die bösen Medien schuld. Verteidigungsminister De Maiziere (wieso eigentlich der?) meint voll sorgetriefender Solidaritätsbekundung, eine Grenze sei überschritten worden. Eine derartige Überprüfung des Freundeskreises von Sportlern, wie sie im Falle Drygallas stattgefunden habe, sei nicht geboten.
Es ist eine skandalöse Einschätzung, die De Maiziere da zum besten gibt. Ein Mitglied der Regierung Merkel macht damit klar, dass er den Kern der Debatte nicht erfasst hat: Den Umgang mit rechtsextremem Gedankengut in unserer Gesellschaft. …[ mehr ]

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Ersatzkrieg Olympia

Von Marcus Müller
8. August 2012

Würden sie nicht schon selbst reihenweise bei Olympia „versagen“, man müsste den deutschen Sportlern die Niederlage fast nahe legen. Denn so selten wie schon lange nicht mehr, haben die Spiele in London gezeigt, wie nationalistisch, oberflächlich und zynisch der Sport geworden ist. Und mit ihm – einerlei, ob in der Rolle als Henne oder Ei – die Medien.
Besonders stach das erste Wochenende der Olympischen Spiele heraus. Da schafften es doch tatsächlich die deutschen Schwimmer nicht, in den Vorläufen zu bestehen. Gleich mehreren Berliner Radiosendern waren das natürlich Schlagzeilen wert. Ob es der Entrüstung, der Trauer oder doch eher der persönlichen Beleidigung der Sportredakteure geschuldet war: Über dieses für sie offenbar vollkommen unvorstellbare Ergebnis vergaßen sie über längere Zeit dem geneigten Hörer überhaupt mitzuteilen, wer es denn stattdessen geschafft hatte. Andere Nationen? Interesse für den Sport? Fehlanzeige. …[ mehr ]

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AUFGESPIESST: Putins großes Herz für die Pussy Riots

Die russische Punk-Band Pussy Riots steht vor Gericht, weil sie in die wichtigste orthodoxe Kathedrale des Landes gestürmt war und von der Kanzel aus Kritik an Putin geübt haben. In Russland wird so ein verzweifelter Versuch des Protests als „Organisiertes Rowdytum“ angeklagt. Im Gericht werden die jungen Frauen hinter Gitterstäben ausgestellt wie Serienmörder. Organisiertes Rowdytum ist so ein richtig schöner Diktaturenparagraph, mit dem ein restriktiver Staat jeden, der aufmuckt, für Jahre in den Knast stecken kann. Doch jetzt zeigt ausgerechnet Wladimir Putin, der ach so schändlich Beschmähte, sein großes Herz und sagt gönnerhaft: „Ich denke das Urteil sollte nicht zu hart ausfallen.“ Was ist los? Ist der starke Wladimir plötzlich weich geworden, am Ende sogar mitfühlend oder einsichtig, dass man Kritiker nicht nach allen Regeln der Tyrannenkunst fertig machen sollte? Keine Sorge, der Wladimir ist und bleibt ganz der Alte. Die vermeintliche Milde ist ein perfides Spiel. Denn diese Justiz und ihre wahnwitzigen Gesetze sind das System Putin. Sollten die Richter ein hartes Urteil fällen, kann Putin sogar stolz auf die Unabhängigkeit der Justiz verweisen. Er wollte ja schließlich ein mildes. Putin kann dabei nicht verlieren. Dass überhaupt ein Staatsoberhaupt der Justiz gönnerhaft sagt, wo es beim Urteil lang zu gehen hat, gibt es sonst wohl nur in China und artverwandten Regimen. Der Wladimir wird immer lupenreiner.

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Batman: Der kleine Popcorn-Faschismus

Von Jennifer Stange

Derzeit ist Batman in Christopher Nolans (Regie) „The Dark Knight Rises“ zurück auf der Leinwand. Dieses Mal kämpft Batman mit der Polizei im Rücken gegen den Aufstand der Bewohner von Gotham. Die Analogien zur Finanzkrise, zu den Protesten der Occupy-Bewegung und den Ausschreitungen in London sind kaum zu übersehen. Die Furcht vor sozialen Aufständen, die Angst vor dem Versagen der Eliten, vor dem Systemsturz gibt dem Bösen in „The Dark Knight Rises“ seinen Namen. Es kann nur schlimmer werden, lautet die restaurative Botschaft und deshalb kämpft Batman – selbstverständlich erfolgreich – für den schlechten Status Quo. …[ mehr ]

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Koalition: Die nächste Klatsche

Von Marcus Müller

Es war – mal wieder! – eine derbe Klatsche, die der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, der schwarz-gelben Koalition verabreichte. Fast die ganzen fünf Minuten, in denen er das Urteil über die von CDU/CSU und FDP im Bundestag durchgedrückten Änderungen des Wahlrechts einleitete, schwang Ärger mit. Und es sah nicht so aus, als würde seine gesprochene Ohrfeige für die Regierungskoalition seinen Groll wenigstens ein paar Grad kühlen.
Das Ergebnis der nun einkassierten Wahlrechtsänderung sei „ernüchternd“, sagt Voßkuhle, was übereinstimmende Auffassung im urteilenden Zweiten Senat gewesen sei. Schärfer kann der Präsident eines Verfassungsorgans eigentlich kaum werden. Und das, obwohl er schon in der Anhörung vor sieben Wochen deutlich verärgert darauf hingewiesen hatte, dass das Wahlrecht das unverzichtbare Fundament der Demokratie sei. Er musste wohl noch mehr Dampf ablassen.

Natürlich ist das Wahlrecht keine einfache Sache, zumal in der deutschen Mischform aus Verhältnis- und Mehrheitswahlrecht. Doch es ist noch einmal besonders bezeichnend, dass sich bei den jetzt für verfassungswidrig und sogar teils nichtig erklärten Regelungen die Regierungskoalition nicht mit der Opposition geeinigt hat. Sie hat es einfach durchgepaukt, was beim Wahlrecht eklatant den demokratischen Gepflogenheiten widerspricht. Und sogar damit war sie noch zu spät, hatte das Bundesverfassungsgericht doch schon 2008 das Wahlrecht für teilweise verfassungswidrig erklärt und binnen drei Jahren eine Neuregelung verlangt. Fünf Monate mehr ließ es auf sich warten. Darauf nur „ernüchtert“ zu reagieren, wie Gerichtspräsident Voßkuhle, lässt auf ein noch immer großes Gott- oder sonstiges Vertrauen schließen.

Wenn man nicht überhaupt an der Zurechnungsfähigkeit der Politiker aus der Regierungskoalition zweifeln möchte, dann muss man sich auch gleich wieder veräppelt vorkommen. Denn nach dem Urteil beginnt das alte Berliner Spiel: Die Verlierer erklären sich zu Siegern. …[ mehr ]

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Die Asyl-Schande

Von Michael Kraske

Asylbewerber werden in diesem Land als Menschen zweiter Klasse behandelt, bestenfalls. Sie werden in unwürdige Sammelunterkünfte gepfercht, zum Nichtstun verdammt und mit einem Teil dessen abgespeist, was als Existenzminimum für ein menschenwürdiges Leben errechnet wurde. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das die bisherige Praxis für verfassungswidrig erklärt hat und gleich auch noch einen konkreten Geldbetrag vorgeschrieben hat, damit der schwarzgelben Koalition gar nicht erst die Möglichkeit zu Trickserei und Verschleppung gegeben wird, spricht das Medienecho einhellig von einer Ohrfeige für die Politik. Das Urteil ist aber viel mehr: Es entlarvt einen stattlichen Rassismus, der Menschenwürde als teilbar erachtet. Der den Bedarf eines menschenwürdigen Lebens für Deutsche bei 336 Euro ansetzt, für schutzbedürftige Ausländer dagegen bei 224,97 Euro. Die perverse Diskrepanz ist ein Seismograph für den rassistischen Konsens der deutschen Gesellschaft. …[ mehr ]

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AUFGESPIESST: Der böse Iwan auf dem Kopf

Die Polizei in Nordrhein-Westfalen ist in Aufruhr. Den Beamten sollten sprichwörtlich warme Ohren gemacht werden – das Landesamt für polizeiliche Dienste entwarf ein Mützenmodell für den bevorstehenden Winter mit langen Fellklappen, das bei Eis und Schnee frierende Beamtenohren bedecken soll. Doch die Uniformträger stellen sich quer. Das bereits 6000-fach ausgelieferte Mützenmodell entspreche nicht ihren Vorstellungen. Das sei eine „Russenmütze“, heißt es seither abschätzig in den Dienststellen, also nicht würdig, um die deutscher Öhrchen zu wärmen.
Was dem Iwan im fernen Osten recht ist, ist dem nordrhein-westfälischen Ordnungshüter noch lange nicht billig. Da kann das befellte Mützenmodell modisch noch so hoch im Kurs stehen.
Ein Witz? Kein Witz, sondern Beamtenrealität. Selbst die Gewerkschaft der Polizei trägt den Protest ihrer Schützlinge mit: Die Polizisten hätten Angst, sich mit dem Ohrenklappenmodell (gemeint ist das „Russenmodell“) zum Affen zu machen, heißt es offiziell. …[ mehr ]

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Die Jungs vom Verfassungsschutz

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Merkels Meldecoup: Ausverkauf der Bürgerrechte

Von Marion Kraske

Das Beste an dem Gesetz ist, dass das Schlimmste noch verhindert werden kann. Das neue Meldegesetz (oder nennen wir es Ramschgesetz zum Verschachern persönlicher Bürger-Daten) wird wohl nach massiven Protesten von Datenschützern nach der Sommerpause vom Bundesrat abgeändert.
Damit ist einer der dreistesten Versuche der Bundesregierung, die privaten Daten eines jeden Einzelnen an dubiose Adresshändler zu verhökern, gestoppt. Das Checks-and-Balance-System der Republik – es hat einmal mehr gezeigt, dass es funktioniert und dass es dringend notwendig ist. Und doch muss sich die Koalition weiter Fragen gefallen lassen. …[ mehr ]

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Städtesterben: Zeit für einen neuen Heimatkampf

Von Martin Häusler

Es ist einfach, von Misswirtschaft zu sprechen, wenn es um die katastrophale Finanzlage der nordrhein-westfälischen Städte und Gemeinden geht. Zu viele Amateure in den Rathäusern, heißt es gerne, zu viele Selbstdarsteller und Dampfplauderer, denen es nur darum geht, ihr Ego auszuleben und sich in der Stadtgeschichte zu verewigen. Natürlich begegnet man auch solchen Leuten, wenn man vor Ort recherchiert, aber sie sind nicht der Grund für die verheerende Schuldenkrise. Wenn nur acht der 400 NRW-Kommunen einen ausgeglichenen Haushalt zustande bekommen, dann ist es ziemlich unwahrscheinlich, dass die restlichen 392 ausschließlich von Idioten geführt werden. …[ mehr ]

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