Merkels Meldecoup: Ausverkauf der Bürgerrechte

Von Marion Kraske

Das Beste an dem Gesetz ist, dass das Schlimmste noch verhindert werden kann. Das neue Meldegesetz (oder nennen wir es Ramschgesetz zum Verschachern persönlicher Bürger-Daten) wird wohl nach massiven Protesten von Datenschützern nach der Sommerpause vom Bundesrat abgeändert.
Damit ist einer der dreistesten Versuche der Bundesregierung, die privaten Daten eines jeden Einzelnen an dubiose Adresshändler zu verhökern, gestoppt. Das Checks-and-Balance-System der Republik – es hat einmal mehr gezeigt, dass es funktioniert und dass es dringend notwendig ist. Und doch muss sich die Koalition weiter Fragen gefallen lassen.

Wie etwa kommt eine Regierung dazu, den staatlichen Apparat – in dem Falle die öffentlichen Melderegister – gezielt für bilaterale Geschäfte mit der Werbewirtschaft zu öffnen? Wie kommen Merkel und Co dazu, gierende Werbefuzzis zu füttern, die jeden Einzelnen bereits ohne die Existenz eines solchen Gesetzes mit unerwünschten Werbezuschriften, Werbemails, Werbeanrufen zumüllen? Wie kommt eine Regierung dazu, die Weitergabe persönlicher Daten zu automatisieren, so dass nur ein ausdrücklicher Widerspruch die Betroffenen vor der Weitergabe dieser ihrer Daten schützt? Und nicht zuletzt: Wie kommt eine Bundesregierung dazu, ein Gesetz dieser Tragweite in nahezu klandestiner Verdruckstheit durch den Bundestag zu lavieren? Konkret: In 57 Sekunden, ohne jegliche Debatte. Mit nur einer Hand von Abgeordneten.

57 Sekunden, um die Bürgerrechte auf kaum dagewesene Art einzuschränken. Ein Coup. Ein Staatsstreich, der auch in Brüssel für Unmut sorgt: Justiz-Kommissarin Reding moniert ungehalten die Profitgier der Merkel-Mannschaft.

Bedeutsam einmal mehr das Verhalten der CSU: Erst puschten die Christsozialen die weitere Lockerung der Verfahrensweise, indem die explizite Einwilligung zur Herausgabe der Daten (an sich eine Selbstverständlichkeit) für eine Widerspruchslösung fallen gelassen wurde. Und dann, als Kritik an dem Vorhaben laut wurde (an dieser Stelle ein Lob den deutschen Datenschützern), erblödet man sich nicht, sich an die Spitze der Kritik zu stellen und das dreiste Gesetz trompetenhaft zu attackieren. Die CSU scheint unter ihrem Vorsitzenden Seehofer, der ohnehin nur noch als Pausenclown geeignet ist, entweder schizophren geworden oder nur noch an populistischer Stimmungsmache interessiert. Jetzt, im Nachhinein jedenfalls, will es keiner gewesen sein. Ernst nehmen kann man die Bajuwaren-Truppe so nicht mehr.

Dass sich CDU und FDP – im übrigen wie schon beim hanebüchen sinnentleerten Betreuungsgeld – von einer derart desolaten CSU neuerlich in eine Falle bugsieren ließen, spricht nicht eben für die Verfasstheit der Regierung. Ihr scheint der Kompass abhanden gekommen zu sein, welche politischen Maßnahmen überhaupt Sinn machen und welche nicht. Welche Gesetzesmaßnahmen geboten scheinen – und welche sich in einem demokratischen Rechtsstaat mit Blick auf Schutzrechte jedes Einzelnen verbieten. Das Betreuungsgeld ist familien- und integrationspolitischer Unfug. Das Meldegesetz fördert die datentechnische Ausplünderung der Bürger – und ist somit eine Frechheit.

Das Vorgehen der Koalition belegt einmal mehr, dass es Merkel und Co. weniger um das Wohl Aller geht, sehr wohl aber um das Wohl einzelner Branchen. Man kennt das schon: Auch die der FDP spendensprudelnd zugetane Hotelbranche beglückte die Koalition ganz zu Beginn ihrer Regierungszeit mit kaum zu erklärenden Steuererleichterungen. Mit dem Meldegesetz päppelt sie jetzt einen Zweig der Privatwirtschaft, der
dafür bekannt ist, sich nicht immer nur mit seriösen Methoden in die Privatsphäre der Einzelnen zu mogeln, um mit deren persönlichen Daten Kasse und Geschäfte zu machen. Und so ist es nichts mehr als billige Klientelpolitik, die die Regierung Merkel betreibt – zum Schaden der Allgemeinheit. Eine Koalition sprichwörtlich auf Ramschniveau.

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