Die FDP braucht Dr. Frankenstein

Von Siegesmund von Ilsemann

Gehören auch Sie noch zu den unentschlossenen Wählern? Die aktuellen Umfragen zeigen: Die FDP legt mit klaren Positionen in diesen Tagen deutlich zu.
(Slogan der FDP unmittelbar vor der Wahl in Berlin)

Einen Tag Denkpause sollte sich wohl gönnen, wer die ebenso vernichtende wie verdiente Wahlniederlage der FDP in Berlin kommentieren will. Doch die Klugsprecher auf allen Kanälen konnten am Sonntagabend mal wieder ihr Wasser nicht halten:
Noch ehe die ersten Stimmen ausgezählt waren, skandierten die Analysten der veröffentlichten Meinung eilends „Debakel“, „Desaster“, „Katastrophe“ – garniert mit staatstragender Häme, die Freidemokraten seien über den nationalpopulistischen Anbiederungsversuch ihres Vor-Knaben Philipp Rösler gestolpert, der sich in einem durchsichtigen Verzweifelungsakt als Euro-Skeptiker der letzten Stunde zu profilieren versucht hatte.
Gewiss, Röslers platte Unverfrorenheit mag den einen oder anderen FDP-Sympathisanten dazu gebracht haben, seine Stimmkreuzchen an anderer Stelle zu setzen oder beim Sonntagsspaziergang lieber gleich ein Lokal ohne „Wahl“ davor anzusteuern. (Dass „Mutantrinken“ für den Wahlabend angesagt war, hatte sich ja vorher schon mehr als nur angedeutet.)
Die Kritik am Euro-Rettunsschirm hat den Freidemokarten jedoch vermutlich auch etliche nationalkonservative Stimmen eingebracht (die jedenfalls, die sich nicht in offenem Rassismus vom „wenig deutschen Aussehen“ des adoptierten Vietnamesen Rösler „abschrecken“ ließen). Ohne den Zulauf von rechts wäre der Absturz der Liberalen noch schmerzhafter verlaufen: Aus den Örtsverbänden wurden Hunderte Parteieintritte vornehmlich rechtsgewirkter Euro-Gegner gemeldet, nachdem bekannt geworden war, dass der Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler versucht, per Mitgliederbefragung ein Ja des kleineren Koalitionspartners zur Erweiterung des Rettungschirms zu verhindern.
Den Sturz unter die 2-Prozent-Marke allein der europolitischen Fehldiagnose des Herrn Dr. med. anzulasten, wäre zuviel der Ehre und täte Rösler zudem Unrecht. Damit verliehe man dem jungen Mann ein politisches Gewicht, das ihm in den Augen der breiten Bevölkerungsmehrheit nicht zukommt. Auf NachDenkSeiten.de kleidet der frühere Brandt-Stratege Albrecht Müller diese Wählereinschätzung in die Worte: „Er ist das Gegenteil eines „gstandenen Mannsbilds“, so ein dünnes Bübchen kann man sich eigentlich weder als Vorsitzenden einer Partei noch als Bundeswirtschaftsminister vorstellen. Und schon gar nicht als Vizekanzler.“
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Der tolerierte Ausnahmezustand

Im sächsischen Limbach-Oberfrohna sind Nazi-Parolen und rechte Gewalt über Jahre zur Normalität geduldet worden. In der Stadt sind die Grundrechte für Abweichler außer Kraft gesetzt. Polizei und Politiker haben eine demokratiefreie Zone zugelassen.

Von Michael Kraske

Es sind nur Blicke, die den Kirmesbesuch von Moritz Thielicke, Daniel Drescher, Robert Weis und Elisa Grobe zum Spießroutenlauf machen. Abschätzige, höhnische, auch angewiderte Blicke, durch die sie mit ihren Piercings und bunten Haaren schlendern, begleitet von einem Fernsehteam des MDR-Magazins „Exakt“. Aus den Blicken von Familienvätern und Jugendlichen spricht die Botschaft: Ihr habt hier nichts zu suchen. Verschwindet. Die vier halten sich nicht lange vor den Karussells auf, wo Freudenschreie kurz die stampfende Musik übertönen. Das Stadtparkfest mit seinen bunten Fahrgeräten und Imbiss-Wagen ist für die Mitglieder des Vereins Soziale und Politische Bildungsvereinigung Limbach-Oberfrohna eine Gefahrenzone. Vor zwei Jahren wurden einige von ihnen hier von Neonazis zusammen geschlagen und schwer verletzt.
Sie haben eine schnelle Runde gedreht, einige Minuten nur, als drei junge Männer ihnen im Laufschritt nachsetzen. Die drei tragen schwarze Pullis, auf einem steht „Stahlgewitter“, auf einem anderen „Anti-Antifa“. Uniformen rechter Schläger. Dann geht alles sehr schnell. Die drei brüllen: „Ihr Fotzen! Die Kameras aus!“ Sie schlagen danach, bauen sich drohend vor den jungen Leuten vom Verein auf und verhöhnen sie. Minuten lang versuchen sie, eine Schlägerei zu provozieren. Muskelbepackte Security-Männer verharren im Abstand von einigen Metern und gucken erst mal zu. Als einem der Angreifer die Hand ausrutscht, geht ein Sicherheitsmann dazwischen und beendet die Attacke. Die drei jungen Männer aus Limbach sind noch Schüler, gebärden sich aber als Rechtsextremisten, einer von ihnen tönt im Internet, das System abschaffen zu wollen. Sie spielen sich als Herren darüber auf, wer das Volksfest besuchen darf und wer nicht.
Limbach-Oberfrohna bei Chemnitz in Sachsen. Was hier seit drei Jahren passiert, würde man in Pseudodemokratien erwarten, nicht im Deutschland von heute Die jungen Leute zeigen, wo alles begann. Schlendern durch malerische Gassen mit kleinen Läden zu ihrem ersten Vereinsheim. Das kleine Haus mitten im Ort ist mit Holzplatten verrammelt. Die Scheiben waren immer wieder demoliert worden. Der Vermieter kündigte nach einer Serie der Gewalt. Sie ziehen weiter in die Dorotheenstraße. Auch ihr zweites Domizil sieht wie ein fensterloser Bunker aus. Ein Neonazi ist angeklagt, das Gebäude niedergebrannt zu haben. Anwohner mussten evakuiert werden.
Einige Gehminuten später setzen sie sich in einen bunt gestrichenen Raum in der Sachsenstraße, den Bretterverschläge verdunkeln. Dies soll ihr neues Quartier werden. Hier wollen sie wieder versuchen, Veranstaltungen für Toleranz und kulturelle Vielfalt und gegen Rassismus und Neonazismus zu organisieren. Wieder mal besprechen sie, wer was renoviert. Man fragt sich, was sie weiter machen lässt. Denn auch hier werden sie von Tätern angegriffen, die „Sieg heil“ brüllen. Anstatt zu helfen verbot die Stadt die Eröffnung des Info-Ladens, weil das Haus offiziell kein Vereinsheim ist. Anstatt Solidarität bekommen die jungen Demokraten die bürokratische Keule zu spüren. Wer sie besucht, gewöhnt sich an den Anblick von selbstgefertigten Metallgittern vor Holzbrettern. So wie sich die Limbacher daran gewöhnt haben, dass sich einige Bürger einigeln, verstecken und wegducken müssen. …[ mehr ]

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Millionär Krämer: “Ran an die Vermögen”

Das Interview führte Marion Kraske für Cicero Online

Der Hamburger Reeder und Millionär Peter Krämer fordert höhere Steuern für Reiche. Im Interview mit CICERO ONLINE spricht er über die Notwendigkeit einer Erbschaftssteuer nach britischem Vorbild, den bankrotten Euro und die Visionslosigkeit in der Politik.

Cicero: Herr Krämer, Sie sind einer der reichsten Deutschen. Wie lebt es sich damit in Zeiten der Krise?

Krämer: Da muss ich erst mal etwas richtigstellen: Ich gehörte nie zu den reichsten oder gar superreichen Deutschen. Bis vor drei Jahren vielleicht zu den zehntausend Reichsten in Deutschland. Infolge der Lehman-Brother-Pleite habe ich wie viele andere Reeder weltweit drei Viertel meines Firmenvermögens verloren. In der Schifffahrtszeitung „Lloyds List“, einer der ältesten Zeitungen der Welt, liest man täglich von Konkursen, von Arrestierungen von Schiffen. Die Finanz- und Währungskrise hat uns hart getroffen. Selbst die zweitgrößte Reederei der Welt, Cosco, die dem chinesischen Staat gehört, hat mit dem Marktabschwung zu kämpfen. Das zeigt, in welch schwieriger Lage wir uns befinden.

Cicero: Augenscheinlich ist aber genügend Geld übrig geblieben. Schließlich fordern Sie, dass man den Reichen, also auch Ihnen, mehr Steuern aufbürdet. Finden Sie, dass der Staat Sie und andere Wohlhabende bislang zu sehr verschont hat?

Krämer: Ja, selbstverständlich. Es gibt seit langem eine soziale Schieflage bei der steuerlichen Belastung hierzulande. Und die gehört endlich korrigiert.

Cicero: Einige Ihrer Millionärs- und Milliardärskollegen wie Michael Otto oder Marius Müller-Westernhagen fordern eine Erhöhung der Einkommenssteuersätze. Die SPD hat soeben ein neues Steuerkonzept vorgelegt, wo genau das beschlossen wurde: Danach soll der Spitzensteuersatz von 42 auf 49 Prozent angehoben werden. Sind Sie zufrieden?

Krämer: Nein, das sind doch Beträge, die lächerlich sind! Der Steuer-Effekt, den die SPD errechnet hat, ist viel zu klein. Ein symbolischer Akt ist das, mehr nicht. Das Ganze geht zudem in die falsche Richtung, weil es vor allem den Mittelstand trifft, beispielsweise Handwerksmeister, die genau rechnen müssen, um über die Runden zu kommen. Sie zu schröpfen ist kontraproduktiv. Zudem gibt es Steuerquellen, die für die Allgemeinheit sehr viel mehr Geld einbringen.

Cicero: Etwa die Vermögenssteuer, die 1996 das letzte Mal erhoben wurde?

Krämer: Die Vermögenssteuer auszusetzen war eine Riesendummheit. Allein Hamburg sind seitdem circa drei Milliarden Euro entgangen.

Cicero: Bundesweit brachte die Vermögenssteuer jährlich neun Milliarden DM – Geld, das vor allem den Ländern zugutekam.

Krämer: Hier gibt es dringenden Handlungsbedarf. International betrachtet hinken wir bei der Besteuerung von Vermögen hinterher. Da müssen wir ran! Und zwar nicht in erster Linie über die Vermögenssteuer, sondern über die Erbschaftssteuer. Die Briten bezahlen 40 Prozent Erbschaftssteuer und haben einen notwendigen Freibetrag von umgerechnet 300.000 Euro. Daran sollte man sich hierzulande orientieren.

Cicero: Also her mit den Erbschaftsmillionen?

Krämer: Die Erben leisten doch bislang so gut wie keinen Beitrag. Jährlich werden in Deutschland zwischen 150 und 200 Milliarden Euro vererbt. Davon sind 70 – 80 Prozent Privatvermögen. Wenn sie davon einen Teil abgeben müssten, tut das nicht weh. Dagegen bin ich strikt gegen die Erhöhung der Besteuerung von Firmenvermögen. Das träfe den kapitalschwachen Mittelstand, auf den wir hier in Deutschland dringend angewiesen sind: 70 Prozent der Beschäftigten sind dort tätig.

Cicero: Soziologen sagen, dass die Wohlhabenden die großen Gewinner der zurückliegenden Steuerreformen waren. Haben die Regierungen aller Couleur bislang in der Frage der Verteilungsgerechtigkeit versagt?

Krämer: Ich frage mich tatsächlich, was für eine effektive Lobby die nicht-organisierten Reichen und Superreichen haben. Ich habe viele Freunde im Ausland, die sich über den deutschen Schonkurs gegenüber Wohlhabenden wundern. Nehmen wir die Familie Quandt, denen 40 Prozent von BMW gehört. Das ist deren Privatvermögen. Für den Fall, dass wir die britischen Gesetze hätten, würde nur in diesem Fall über die Erbschaftssteuer ein Milliardenbetrag zusammen kommen – von einer einzigen Familie. Insgesamt würden rund 20 Milliarden Euro mehr in die Staatskasse gespült, Jahr für Jahr. Dagegen sind das, was die SPD jetzt plant, Peanuts.

Cicero: Wie sehen denn andere Superreiche Ihren Vorstoß? Haben Sie schon böse Anrufe erhalten?

Krämer: Es gibt eine höchst menschliche Eigenschaft. Man redet mehr über Menschen als mit ihnen. Ich weiß, dass über mich gesprochen wird. Aber das ist mir nicht so wichtig. Mir geht es darum, meine Ideen einzubringen und Dinge zu verändern.

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Murdoch und wir

Von Marion Kraske

Unappetitlich? Eher monströs. Der Skandal um die Machenschaften des Murdoch-Babys News of the World belegt, wie hundeelend es mitunter um die Medien bestellt ist, um diese vermeintlich vierte Gewalt im Staate, um das Korrektiv der Mächtigen. So dachte man, auch wenn die Produkte aus dem Hause des amerikanisch-australischen Großverlegers ohnehin nicht zu den Qualitätsblättern dieser Welt zählen und zur Ehrenrettung auch meines Berufsstandes gesagt werden muss: Es gibt auch Zeitungen wie den Guardian, die ihren Job, ihre Aufgabe verdammt ernst nehmen, es gibt Journalisten wie Nick Davies, der nicht locker ließ, der sich an Murdochs Imperium festbiss und seine kriminellen Machenschaften ins Visier nahm, gegen alle Widerstände, gegen eine Justiz, die die zersetzende Machtmaschinerie lange Zeit stützte – und diese doch besiegte.

Der Abgrund jedenfalls, der sich unter den Schmierenpostillen des weltweit mächtigsten Medienmoguls auftut, ist tiefer als anderswo. Fast 4.000 Menschen wurden jahrelang ausgehorcht, ihre Telefone verwanzt , Terroropfer, Royals, Privatpersonen ausgeschnüffelt, Bestechungsgelder gezahlt, selbst hochrangige Polizeibeamte machten mit. Die Überwachungsmaschinerie, so sagen Insider, sei im Murdoch-Kosmos endemisch gewesen, nicht nur bei der nun eingestampften News of the World, auch beim Revolverblatt Sun und der Sunday Times – wer nicht mitmachte, wurde zum Außenseiter in einem allumfassenden System der Bespitzelung, das ob seiner himmelschreienden Hybris keine Grenzen zu kennen schien. Ein System, das selbst vor einer ermordeten Minderjährigen nicht haltmachte, deren telefonische Nachrichtenbox man manipulierte. Alles für die nächste steile Überschrift, die nächste gigantomane Auflage. Sie galt im Murdoch-Kosmos als oberstes Mantra. News of the World brachte die widerlichsten Geschichten, und die Briten kauften, über Jahre, fasziniert, auch angewidert, aber was das Zeug hielt. Es war nicht irgendeine Zeitung in Großbritannien, es war die Zeitung, die größte dazu, fast 170 Jahre alt, eine papiergewordene Institution im Inselreich. Mit Institutionen aber ist es so eine Sache. Die Frage ist ja: Wofür stehen sie? In diesem Fall für die Inkarnation des klickträchtigen Boulevardmorasts, dreckig und stinkend, in dem schließlich das gesamte britische Politestablishment unrühmlich versank.

Die Frage, wie mächtig ein Medium ist, lässt sich auch daran bemessen, wie sich die Politik positioniert. In England – und nicht nur da – übte sie sich in serviler Unterwerfungsgeste, die gesamte politische Kaste ließ sich mit Murdoch ein. Premierminister David Cameron hing am Rockzipfel des medialen Monsters wie das Kleinkind an der Mutterbrust. Nicht aus Überzeugung, nein, aus Furcht vor dem „dirty digger“ knickte er ein, etwa beim Versuch, das Justizwesen zu reformieren, und bewies damit, wer im Lande das Sagen hat: Mr. Almighty und sein gedruckter Populismustsunami. Auch wenn die Größe des Skandals zuallererst ein britisches Sittenbild malt, ist der Fall Murdoch doch universell. Warum? Weil der Morast in Mordslettern überall Erfolge feiert, zu sehr zieht der Blick durchs Schlüsselloch die Massen an.

Uns. Überall.
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Westerwelle: Degradierung eines Degradierten

Von Marion Kraske

Er hat es geschafft, Guido Westerwelle bleibt im Amt, erst einmal. Mal sehen, wie lange die letze Chance dauern wird, die ihm die Partei-Spitze nun gnädigst eingeräumt hat. An der Grundvoraussetzung hat sich freilich nichts geändert: Schließlich wollen es inzwischen ja fast alle gewusst haben, seine Kritiker sowieso, aber auch ein Teil seiner bislang treuen Anhänger. Dass er es nicht kann, dass er aus der starren Oppositionshaltung nie so recht herausgefunden hat. Dass er für einen Ministerposten – zumindest den im Auswärtigen Amt – schier ungeeignet ist. Dabei, seien wir ehrlich, gab es Anzeichen genug. Man hätte sie nur deuten müssen.
Nur wenige haben in den vergangenen Jahren im Bundestag so unbarmherzige Angriffe gefahren wie Guido Westerwelle. Markige Sprüche, zielgenaue Attacken gegen den politischen Gegner – das war lange sein ganz persönliches Erkennungsmerkmal. Die Unfähigkeit der anderen, von Grün bis Schwarz bis Rot, das war sein Thema, mit dem er zielstrebig und wenig zimperlich das Ziel einer eigenen Regierungsbeteiligung verfolgte. Er war immer einer, der Klartext redete, nicht unbedingt geistreich, dafür lautstark und pointiert. Zugegeben, rhetorisches Talent besitzt er.
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Deutschland: Wir sind Mann

Von Marion Kraske

Nummer vier also, das wäre geschafft, auch wenn der Weg dorthin etwas holprig war. Drei Bundesländer werden künftig weiblich regiert, zusammen mit der Kanzlerin sind Frauen damit im deutschen Politestablishment so stark vertreten wie nie zuvor nach dem Zweiten Weltkrieg. Vergessen die Zeiten, da die eiserne Heide Simonis in Schleswig-Holstein die Einzige im bundesweiten Machtbetrieb war, die ganz oben, in Regierungsverantwortung, mitmischte.
Deutschland – ein Paradebeispiel für Gleichberechtigung also?
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Der gescheiterte Hoffungsträger Obama: Nein, er konnte nicht!

Von Siegesmund von Ilsemann

Einem gewaltigen Erdstoß gleich erschütterte am Freitag voriger Woche die Herabstufung der Bonität der Weltmacht USA das globale Finanzsystem. Die Zerstörungskraft des Tsunamis, den die Entscheidung der Rating-Agentur Standard & Poor’s auslösen wird, ist noch gar nicht abzusehen. Der dramatische Kurssturz an den internationalen Börsen, der Ende voriger Woche der S&P-Ankündigung vorausging und bereits Werte in Billionen-Höhe auslöschte, ist möglicherweise nur ein milder Vorläufer all der Crashes und Kräche, die nun folgen könnten.
Schon jetzt aber ist klar, dass die weltweite Finanzkrise zum Menetekel für den scheinbar mächtigsten Mann auf unserem Erdball wird. Die “Berechenbarkeit des amerikanischen Politikprozesses” müsse in Frage gestellt werden, lautet das vernichtende Urteil von S&P mit Blick auf das langwierige Gezerre zwischen Regierungslager und Opposition.
Wie konnte es dazu kommen, dass die Präsidentschaft eines Mannes, der mit so viel Vorschusslorbeeren, begleitet von so großen Hoffnungen und unter so lautstarkem Jubel sein Amt angetreten hat, nach kaum mehr als der Hälfte seiner ersten Amtszeit bereits gescheitert scheint? …[ mehr ]

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Das Bekenntnis-Desaster

Von Marion Kraske

Familienministerin Schröder wollte mit ihrer sogenannten „Extremismuserklärung“ die Demokratie stärken. Doch der Gesinnungscheck geht nach hinten los: Wichtige politische Arbeit gegen Antisemitismus und Rassismus wird lahmgelegt, zahlreiche Projekte sterben mangels Förderung.

Sie ist kurz und knapp formuliert. Keine große Sache – möchte man meinen. Eine Erklärung, die an jene verschickt wird, die sich im Kampf gegen rechts engagieren und für diese Arbeit Fördergelder vom Bundesprogramm „Toleranz fördern – Kompetenz stärken“ abfragen. Jeder Verein, jedes Projekt, jede Initiative muss sich dazu der „freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland“ verpflichten. Mittels einer Unterschrift.
Das freilich wäre noch nicht das Problem. Auch wenn man sich schon fragen muss, warum Familienministerin Kristina Schröder urplötzlich politischen Akteuren einen schriftlichen Treueeid zur Demokratie abverlangt, der bislang als selbstverständlich galt. Sind nicht gerade all jene, die sich im Kampf gegen rechts engagieren, gegen Rassismus, Antisemitismus und andere Formen aggressiver Menschenfeindlichkeit eintreten, Teil einer funktionierenden und befruchtenden Zivilgesellschaft, Teil unserer wehrhaften Demokratie? Warum sollten ausgerechnet diese Akteure nicht auf der Grundlage des Grundgesetzes agieren? Warum also dieses Misstrauen? Warum die Umkehrung der Unschuldsvermutung?
Schon im Vorfeld gab es weitreichenden Protest, ein gesellschaftsübergreifendes Bündnis von Initiativen und Vereinen sprach sich vehement gegen die Erklärung aus, es wurden Petitionen verfasst, Aktionstage organisiert – unterstützt von Anwälten, Praktikern, Wissenschaftlern, die den Sinn der Extremismusklausel in Abrede stellten. Wirkung zeigte der Protest freilich nicht: Das kleine Stück Papier gilt seit Anfang des Jahres als vermeintlicher Ausweis der Verfassungstreue, sonst bleibt das Staatssäckel geschlossen.
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Angies Autismus

Von Siegesmund von Ilsemann

Gefahr erkannt – Gefahr gebannt? Jetzt, wo auch die letzten medialen Büchsenspanner der deutschen Kanzlerin nicht länger ignorieren können, dass ihr Schützling ein Problem hat, begeben sie sich auf die Fehlersuche – und werden fündig.
„Ein unterzuckertes Land“ fabuliert Dirk Kurbjuweit im Spiegel und weist seiner Kanzlerin mit sicherer Hand den Weg aus der Krise: „ Reden Sie, Kanzlerin, reden Sie endlich“, rät der Leiter des Spiegel-Hauptstadtbüros der Dame, die einst von ihrem Mentor und Amtsahn Helmut Kohl als „mein Mädchen“ verniedlichend in die Bundespolitik eingeführt worden war.
Das „Mädchen“ vermarkte sich ganz einfach schlecht, findet Kurbjuweit, Angehöriger jener Kaste Berliner Polit- Papparazzi, die sich im Vollbewusstsein ihrer Bedeutung nur allzu gerne nachsagen lassen, es sei ihnen egal, wer unter ihnen der Republik als Regierungschef diene. Ganz leicht dürfte ihm seine Kritik nicht gefallen sein, gehört er doch zu den Journalisten, die ihre Bewunderung für den rasanten Aufstieg der Frau aus dem Osten und ihre politische Potenz nie verhehlt hatten.
Die Apologeten der schwarz-gelben Koalition muss es schmerzhaft getroffen haben, dass ihre Lichtgestalt in der Wählergunst nicht nur hinter SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier gerutscht ist, sondern auch noch von der Partei-Mumie Peer Steinbrück geschlagen werden könnte, sollte der Ex-Finanzminister gegen die Kanzlerin ins Rennen gehen.
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Wende-Hälse

Von Marion Kraske

Es ist immer recht unterhaltsam, wenn politische Akteure neue Zeitalter ausrufen. Wie einst Helmut Kohl, der nach seiner Wahl zum Kanzler 1982 ehrfurchtgebietend die Losung der „geistig-moralischen Wende“ ausgab, um sich vom roten Vorgänger Helmut Schmidt ostentativ abzugrenzen. Die historische Wende, die zur deutschen Einheit führte, kam zwar erst Jahre später. Was den ausposaunten hehren Grundsätzen auf dem Fuß folgte, war jedoch zunächst einmal die Flick-Affäre, die schonungslos die parteiübergreifende Käuflichkeit der bundesdeutschen Politik durch strippenziehende Wirtschaftsbosse offenlegte. Strauss, Kohl, Graf Lambsdorff – sie alle ließen sich vom schurkigen Großindustriellen Flick finanziell füttern, Graf Lambsdorff musste später aufgrund der illegalen Zuwendungen als Wirtschaftsminister seinen Hut nehmen.
Schließlich nicht zu vergessen: Die CDU-Spendenaffäre, mit der nach Ende der Kohlschen Amtszeit eine über Jahre systematisch betriebene klandestine Spendenpraxis offengelegt wurde, mit Schattenkonten und dubiosen Konstrukten wie der in der Schweiz angesiedelten Norfolk-Stiftung. Verdeckte und illegale Parteispenden der Christdemokraten wurden, so weit sind die Vorgänge geklärt, vom Paten der C-Partei gezielt zur Finanzierung von Wahlkämpfen verwende – profitieren konnte jeder, vorausgesetzt er stelle sich im „System Kohl“ mit dem Boss gut. Dass er Gelder in Millionenhöhe kassierte, hat Kohl eingeräumt, die Spender nannte der Bimbeskanzler mit dem moralischen Habitus freilich bis heute nicht – er gab, man muss das verstehen, sein mit Sicherheit sehr ehrenwertes Ehrenwort.
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