Murdoch und wir

Von Marion Kraske

Unappetitlich? Eher monströs. Der Skandal um die Machenschaften des Murdoch-Babys News of the World belegt, wie hundeelend es mitunter um die Medien bestellt ist, um diese vermeintlich vierte Gewalt im Staate, um das Korrektiv der Mächtigen. So dachte man, auch wenn die Produkte aus dem Hause des amerikanisch-australischen Großverlegers ohnehin nicht zu den Qualitätsblättern dieser Welt zählen und zur Ehrenrettung auch meines Berufsstandes gesagt werden muss: Es gibt auch Zeitungen wie den Guardian, die ihren Job, ihre Aufgabe verdammt ernst nehmen, es gibt Journalisten wie Nick Davies, der nicht locker ließ, der sich an Murdochs Imperium festbiss und seine kriminellen Machenschaften ins Visier nahm, gegen alle Widerstände, gegen eine Justiz, die die zersetzende Machtmaschinerie lange Zeit stützte – und diese doch besiegte.

Der Abgrund jedenfalls, der sich unter den Schmierenpostillen des weltweit mächtigsten Medienmoguls auftut, ist tiefer als anderswo. Fast 4.000 Menschen wurden jahrelang ausgehorcht, ihre Telefone verwanzt , Terroropfer, Royals, Privatpersonen ausgeschnüffelt, Bestechungsgelder gezahlt, selbst hochrangige Polizeibeamte machten mit. Die Überwachungsmaschinerie, so sagen Insider, sei im Murdoch-Kosmos endemisch gewesen, nicht nur bei der nun eingestampften News of the World, auch beim Revolverblatt Sun und der Sunday Times – wer nicht mitmachte, wurde zum Außenseiter in einem allumfassenden System der Bespitzelung, das ob seiner himmelschreienden Hybris keine Grenzen zu kennen schien. Ein System, das selbst vor einer ermordeten Minderjährigen nicht haltmachte, deren telefonische Nachrichtenbox man manipulierte. Alles für die nächste steile Überschrift, die nächste gigantomane Auflage. Sie galt im Murdoch-Kosmos als oberstes Mantra. News of the World brachte die widerlichsten Geschichten, und die Briten kauften, über Jahre, fasziniert, auch angewidert, aber was das Zeug hielt. Es war nicht irgendeine Zeitung in Großbritannien, es war die Zeitung, die größte dazu, fast 170 Jahre alt, eine papiergewordene Institution im Inselreich. Mit Institutionen aber ist es so eine Sache. Die Frage ist ja: Wofür stehen sie? In diesem Fall für die Inkarnation des klickträchtigen Boulevardmorasts, dreckig und stinkend, in dem schließlich das gesamte britische Politestablishment unrühmlich versank.

Die Frage, wie mächtig ein Medium ist, lässt sich auch daran bemessen, wie sich die Politik positioniert. In England – und nicht nur da – übte sie sich in serviler Unterwerfungsgeste, die gesamte politische Kaste ließ sich mit Murdoch ein. Premierminister David Cameron hing am Rockzipfel des medialen Monsters wie das Kleinkind an der Mutterbrust. Nicht aus Überzeugung, nein, aus Furcht vor dem „dirty digger“ knickte er ein, etwa beim Versuch, das Justizwesen zu reformieren, und bewies damit, wer im Lande das Sagen hat: Mr. Almighty und sein gedruckter Populismustsunami. Auch wenn die Größe des Skandals zuallererst ein britisches Sittenbild malt, ist der Fall Murdoch doch universell. Warum? Weil der Morast in Mordslettern überall Erfolge feiert, zu sehr zieht der Blick durchs Schlüsselloch die Massen an.

Uns. Überall.
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