Blome-Wechsel zum SPIEGEL: Tod durch Langeweile

Von Gregor Keuschnig

Auf dem Höhepunkt der Affären um Bundespräsident Christian Wulff saßen in der ARD-Sendung Günther Jauch an einem Sonntagabend unter anderem Georg Mascolo, damals Spiegel-Chefredakteur und Nikolaus Blome, damals stellvertretender Chefredakteur der Bild-Zeitung nebeneinander. Es ging um eine Spiegel-Geschichte, die sich dem Wutanruf Wulffs auf die Mailbox von Bild-Chefredakteur Kai Diekmann widmete. Mascolo holte zu einer Replik auf eine Frage aus. Dabei paraphrasierte er einen Satz Wulffs, den er augenscheinlich nicht exakt kannte. Er vergewisserte sich mit einem Blick auf Blome, dass dieses Zitat richtig sei, was dieser auch durch Nicken bestätigte. Blome kannte nämlich den Text, Mascolo nicht beziehungsweise nur teilweise.

Diese Szene ist exemplarisch für die Entwicklung, die das einstige „Sturmgeschütz der Demokratie“ genommen hat. Man zitiert aus zweiter Hand. …[ mehr ]

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In eigener Sache: DLF, BILD und SPIEGEL

debattiersalon-Herausgeberin Marion Kraske war am Sonnabend im Deutschlandfunk zu hören. Es ging darum, wie sehr sich der SPIEGEL durch den Wechsel von Nikolaus Blome von der BILD-Zeitung zu dem Magazin boulevardisieren wird. Das Gespräch ist hier noch einmal nachzuhören: “Markt und Medien” vom 31.08.2013. Dem Thema widmen wir uns auch am morgigen Montag noch einmal. In einem Gastbeitrag wird Gregor Keuschnig auf Marion Kraskes Einschätzung der Blome-Personalie reagieren.

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Syrienkrise: Machohafte Drohgebärden

Von Siegesmund von Ilsemann

Nun geifern sie wieder, die Stammtisch-Strategen in den Kneipen, auf Parkbänken und in Redaktionsstuben landauf und landab, sehen US-Präsident Barack Obama mutterseelenallein aufs syrische Schlachtfeld ziehen, weil das untreue Albion der Vormacht die Nibelungentreue verweigert. Leitartikler sorgen sich um den Zusammenhalt der “westlichen Wertegemeinschaft” und übersehen dabei geflissentlich, dass ein Kind dieser Wertegemeinschaft die Uno ist, die ins Leben zu rufen vor allem dem Westen unter dem Eindruck der schrecklichen Gräuel des 2. Weltkriegs gelang.

Ein Zweck dieser Weltorganisation: Von reinen Verteidigungskriegen abgesehen, sollte nur ihr Sicherheitsrat weltweit über Militäreinsätze entscheiden dürfen. Schon das Bedrohen eines anderen Staates mit einem militärischen Angriff ist danach ein Völkerrechtsbruch, mehr noch der Griff zu den Waffen, dem der Sicherheitsrat seine Zustimmung verweigert. …[ mehr ]

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Rhetorischer Schein: Wahrheit und Lüge in der Politik

Von Paul Sailer-Wlasits

Jedes Bemühen zu erkennen, jede Suche nach Erkenntnis, ist eine Suche nach Wahrheit. Nach der einem Gegenstand innewohnenden Wahrheit, nach dem, was sein Wesen ausmacht. Das politische Bemühen stellt kein Streben nach Erkenntnis dar, es soll nicht primär etwas erkannt werden. Es soll ein Diskurs erzeugt und in Gang gesetzt werden, dem eine gesellschaftliche Mehrheit gewillt ist, zuzustimmen. Politik ist nicht von der Verpflichtung zur Wahrheit gekennzeichnet, sondern von Verhältnissen der Zustimmung und Vereinbarung nach der Art eines Gesellschaftsvertrages. Unter dem Begriff Politik werden sämtliche gesellschaftlich relevanten Inhalte und Interaktionen subsumierbar. Subsumption bedeutet immer auch Unterordnung, einordnende Gruppierung und wertende Kategorisierung ungleicher Ideen, Personen oder Gegenstände. Ungleiche Inhalte unter einen Begriff zu zwängen meint, diese nicht ihrem Wesen und Sinn nach zu ordnen, sondern nach ihrem Zweck und gemäß ihrer Nützlichkeit. Dies ist ein Kern politischer Übereinkunft, eine erste paradigmatische Konvention, nicht der Wahrheit, sondern dem Zweck verpflichtet zu sein.

Die politische Sprache, die Sprache der Politik und die Sprache in der Politik (nicht die Sprache der Politikwissenschaft) ist keine Fachsprache, sondern eine Zwecksprache, zusammengesetzt aus mehreren Formen wissenschaftlicher und alltagssprachlicher Diskurse. Eine der Voraussetzungen für den wirkungspsychologischen Erfolg der Sprache in der Politik, zum Zweck der Gewinnung von Mehrheiten, liegt in ihrem Mangel an Präzision, ihren Subsumierungen und Schematisierungen. Der rhetorische Effekt dominiert die Debatte zum Preis herabgesetzter Differenziertheit, in der Hoffnung, dass die Simplifikation und Uneindeutigkeit zu genau jener Mehrdeutigkeit und zu jenem Identifikationsraum führt, in welchem eine gesellschaftliche Mehrheit bereit ist, sich einzurichten. …[ mehr ]

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Medienversagen: Blut muss fließen

Von Michael Kraske

Jedes Jahr werden die Gebührenzahler dazu gezwungen, etwa 7,5 Milliarden Euro in 22 öffentlich-rechtliche Fernseh-Sender und noch mehr Radiosender zu blasen. Mit der horrenden Summe werden Sendungen wie diese finanziert: „Rennfieber – Motorsport in der DDR“ (MDR), „Dahoam is dahoam“ (BR), „So lacht Rheinland-Pfalz“ (SWR), „Leckeres Hessen“ (HR) oder „Reisewege Lykien“ (RBB). Das ist nur die völlig willkürliche Auswahl eines Tages, ein Griff in die Belanglosigkeiten-Kiste, die sogar darauf verzichtet, hirnentkernte Volksmusik-Massenverdummungen der ARD zur besten Sendezeit zu erwähnen. Das wäre zu billig. Zu plakativ. Was die Öffentlich-Rechtlichen seit der Film-Premiere auf der Berlinale vor über einem Jahr nicht zeigen ist „Blut muss fließen – Undercover unter Neonazis“. Der Film, der hinter die geschlossenen Türen der beinharten Nazi-Musikszene blickt. Der Film, der zeigt, wie die deutsche Polizei seit Jahren Straftaten von Neonazis toleriert. …[ mehr ]

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BILD übernimmt Spiegel: Büchner und die “Brandstifter”

Von Marion Kraske

Politik blog debattiersalon | Büchner und die Brandstifter - Werbung Aufsteller BILD Zeitung Spiegel Personalie Blome Büchner | Foto: Marcus Müller © 2013 Ein Witz? Eher Satire. Eine böse, hundsgemeine Finte von Der Postillon, jener Web-Zeitung, die im Netz gekonnt Aberwitzigkeiten auf die Schippe nimmt? Mein Blick wanderte nach oben, an den Rand der Internetseite, auf der ich mich befand: Nein, ich war bei Spiegel Online. Die Seite meldete sich in der vergangenen Woche in eigener Sache zu Wort. Nikolaus Blome wechselt zum Spiegel, stand da. Unglauben, ich klickte auf Google und gab Blome und Spiegel ein, es kam, was die deutsche Medienwelt und nicht zuletzt den Spiegel selber seither in Aufregung versetzt: BILD-Blome, dessen herausragende berufliche Leistung in der erfolgreichen Selbstinszenierung als seriöser Journalist in den diversen Quasselshows dieser Republik liegt, soll zum Spiegel wechseln, nicht nur als Leiter des Hauptstadtbüros, sondern als Vize der Chefredaktion.
What the fuck…… ?!

Es dauerte Tage, bis der Unglaube zunächst dem Erstaunen, das Erstaunen schließlich der Wut wich. Die Wut ist inzwischen verraucht. Nun macht sich Desillusion breit, Desillusion darüber, was eigentlich los ist mit dieser unserer Medienwelt. Denn der verkündete Transfer ist mehr also nur eine billige Personalie. Er ist ein Gradmesser dafür, wie desolat es um die vierte Gewalt hierzulande bestellt ist. Ja, mehr noch: Wie es um unsere Gesellschaft bestellt ist. Wenn ein Springer-Smartie wie Blome in die Chefetage des einstigen Flagschiffs des deutschen Journalismus wechseln kann, wenn das Unmögliche zur Möglichkeit gemacht werden soll, ist Alarm angesagt. …[ mehr ]

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DEUTSCHLANDBILD: Wahllos | #btw13

Politblog debattiersalon | #btw13 | Hat der Berliner eine Wahl? Wahlplakate Bundestagswahl Die Linke CDU Hauptstadt | Foto: Marcus Müller © 2013 Was noch zu klären wäre: Treibt eher die Bundestags- wahl die Menschen in die Läden dieses Möbelhändlers – oder dessen Angebot die Wähler zur Abstimmung?

Foto: Marcus Müller

 

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Widerstand gegen rechten Ungeist? Und wer versagt – die Politik

Von Marion Kraske

Politik Blog ds debattiersalon | Kanzlerin Angela Merkel CDU Fernsehen Text Widerstand Ungeist | Foto: Marcus Müller © 2013Angela Merkel hat vor einigen Tagen einen richtigen Satz gesagt: Es sei „beschämend“, dass vor jüdischen Einrichtungen in Deutschland nach wie vor Polizeibewachung stehen müsse, „weil wir sonst immer Sorge haben müssen, dass sie geschändet werden.“ Das erklärte die Kanzlerin in ihrem wöchentlichen Videopodcast. Und das ist es: Beschämend.

Beschämend auch das, was sich derzeit in Berlin-Hellersdorf vor einer Asylunterkunft mit Kriegsflüchtlingen aus Afghanistan und Syrien abspielt: Der deutsche Klein- und Kleinstbürger macht Seite an Seite mit der antidemokratisch gesinnten NPD mobil. Pogromstimmung macht sich breit. Rostock-Lichtenhagen lässt grüßen. Der Schoß ist fruchtbar. Nach wie vor. …[ mehr ]

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Von Politik befreite Interviews mit Politikern. Im Politikteil. Wie seltsam.

Von Marcus Müller

Politikblog debattiersalon | Politikbefreite Politik | Foto: Marcus Müller © 2013Die Süddeutsche Zeitung hat am Wochenende ein sensationelles Interview veröffentlicht. Es ist sensationell, obwohl sie es mit einem Politiker geführt hat. Es ist hier aber nicht der Politiker die Sensation, der einmal ungeschminkt und freimütig sagt, was sonst der öffentlich diskutierten politischen Raison widerspricht. Die Sensation an dem Gespräch mit dem Grünen-Fraktionschef in Hessen, Tarek Al-Wazir, ist: Die Süddeutsche schafft es, ein Interview mit einem Politiker zu führen, das weitestgehend befreit von Politik ist, genauer: vom Inhalt der Politik.

Es geht im Prinzip in wiederkehrenden Variationen um Macht, deren Abwesenheit (Opposition), Beliebtheit, sowie ob und wie lange man diese Opposition ertragen könne. 20 Fragen lang! Eigentlich wäre dagegen nichts einzuwenden, wenn es denn irgendwie erkennbar das Thema dieses Interviews hätte sein sollen. Ist es aber nicht. Was die Süddeutsche in diesem Politiker-Interview tut, ist so, als würde ein Angel-Artikel einem Angler versprechen, ihn übers Angeln zu informieren, die Geschichte sich dann aber nur um den Steg drehen, auf den der Angler gehen soll, um seine Rute auszuwerfen. Es wäre grotesk. Im Politikteil der Süddeutschen auf Seite 8 ist so was offenbar machbar, über fast eine halbe Seite. …[ mehr ]

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Die vergessene Freiheit: Zum politischen Handeln in der Spähaffäre

Von Ursula Birsl & Samuel Salzborn

Man sollte sich nicht wundern, dass Geheimdienste alle verfügbaren technischen Mittel zur Informationsbeschaffung anwenden. Denn es entspricht ihrer Eigenlogik, so zu agieren. Und, so traurig es ist: dazu gehört durchaus auch, Gesetze zu unterlaufen. Was hingegen nicht der Eigenlogik entspricht, nämlich der des Politischen, ist, zu tolerieren, dass sich Geheimdienste der politischen Kontrolle entziehen. Denn der Souverän ist in einer Demokratie das Volk, also die Bürgerinnen und Bürger – und nicht eine Behörde.

Insofern sind in der Affäre um die Datenausspähprogramme nicht die Geheimdienste das vorrangige Problem, sondern es ist die Rolle der Bundesregierung. Denn diese ist, vermittelt über das Parlament, mit der Wahrnehmung der Souveränitätsrechte aller Bürger/innen beauftragt, sie hat diese nicht nur in einem positiven Sinn (vor Angriffen durch Dritte) zu schützen, sondern auch in einem negativen Sinn: vor dem Eingriff in ihre elementaren Freiheitsrechte. Was die Bundesregierung aber gegenwärtig tut, ist nicht weniger als die Verletzung des Wertes der Freiheit. …[ mehr ]

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