Von Marion Kraske
Angela Merkel hat vor einigen Tagen einen richtigen Satz gesagt: Es sei „beschämend“, dass vor jüdischen Einrichtungen in Deutschland nach wie vor Polizeibewachung stehen müsse, „weil wir sonst immer Sorge haben müssen, dass sie geschändet werden.“ Das erklärte die Kanzlerin in ihrem wöchentlichen Videopodcast. Und das ist es: Beschämend.
Beschämend auch das, was sich derzeit in Berlin-Hellersdorf vor einer Asylunterkunft mit Kriegsflüchtlingen aus Afghanistan und Syrien abspielt: Der deutsche Klein- und Kleinstbürger macht Seite an Seite mit der antidemokratisch gesinnten NPD mobil. Pogromstimmung macht sich breit. Rostock-Lichtenhagen lässt grüßen. Der Schoß ist fruchtbar. Nach wie vor.
So richtig und so wichtig Merkels Feststellung zu den aktuellen Gefahren durch den Rechtsextremismus auch ist, so zweifelhaft und falsch ist das, was dann im weiteren Verlauf ihrer Rede folgte. Die Bundesregierung nehme die Gefahr, die von Rechtsextremen ausgehe sehr ernst, so Merkel. Das hört sich erst einmal ziemlich klasse an. Auch wenn es eigentlich ja eine Selbstverständlichkeit sein sollte, die sie da zum Besten gab. Woraus sich dann die berechtigte Frage ergibt: Tut die Bundesregierung das wirklich? Nimmt diese Bundesregierung samt ihrer zuständigen Fachminister (Innenminister Friedrich und Familienministerin Schröder) die Bedrohung ernst?
Es ist wohl nicht vermessen, hier zu einer gegenteiligen Beurteilung zu gelangen. Was sonst etwa sollen die ewigen Gleichsetzungen des Innenministers von Rechts-und Linksextremismus? Der stete Versuch, beide Strömungen in einen Topf zu werfen, ist sachlich wenig dienlich und ein Beleg für die anhaltende Wahrnehmungsstörung vor allem der Konservativen hinsichtlich der tatsächlichen Bedrohung der Gesellschaft durch den Rechtsextremismus. Um noch einmal klar zu machen, wo genau der Unterschied liegt, hilft ein statistischer Vergleich: Seit der Wende wurden in der Bundesrepublik 183 Opfer rechtsextremer Gewalt gezählt (Angaben des Opferfonds CURA der Amadeu Antonio Stiftung), jedoch kein einziges Opfer linksextremer Gewalt. Kann man vor diesem Hintergrund beides in einem Atemzug nennen, wenn man, wie Merkel behauptet, die Gefahr des Rechtsextremismus ernst nimmt?
Blinde Minister
Und es stellt sich eine andere Frage: Setzt man, wenn man der Gefahr des Rechtsextremismus doch angeblich so gewahr ist, derart blinde Minister an jene wichtigen Schaltstellen, die sich nachweislich mit den Herausforderungen des Rechtsextremismus nur widerwillig befassen? Müssten dann nicht Politiker in Stellung gebracht werden, die tatsächlich das Zeug und den erklärten Willen haben, zu begreifen, worum es in der Sache eigentlich geht?
Statt sich mit den Gefahren, die vom Rechtsextremismus ausgehen, ernsthaft und angemessen auseinander zu setzen, setzte etwa Familienministerin Schröder in ihrer hoffentlich nun bald endenden Amtszeit eigene, erstaunliche Akzente, indem sie beispielsweise ein Problem in die öffentliche Debatte einbrachte, das augenscheinlich nur ihr unter den Nägeln brannte: Die angeblich grassierende „Deutschenfeindlichkeit“. Ein Blick in das besagte Interview entlarvt die irrwitzige Schröder-Diskussion als das, was sie ist: Peinlicher Humbug.
Doch zurück zu Merkels Rede, mit der sie am Ende zu einem Punkt kam, der eine eingehendere Betrachtung verdient. So rief sie die Gesellschaft auf, sich stärker gegen den Rechtsextremismus zur Wehr zur setzen. Es gehöre auch „ein Stück Zivilcourage aller in der Gesellschaft dazu, dass man solchem Gedankengut überhaupt keine Chance gibt“, so die Kanzlerin.
Die Zivilgesellschaft steht
Ein Stück Zivilcourage? Das soll wohl suggerieren, dass sich mit ein bisschen mehr Engagement der Bevölkerung das Problem der Rechtsextremisten ganz leicht beseitigen ließe, ja gar dass das fehlende Engagement, die mangelnde Zivilcourage den Kampf gegen rechts behindere. Das aber ist nicht nur kompletter Unsinn, es ist auch ein Beleg dafür, wie wenig die Kanzlerin – trotz ihrer offensichtlich gut gemeinten Bekundungen – von der Materie versteht.
Denn Zivilcourage gegen rechts gibt es wahrlich genug in dieser Gesellschaft. Und zwar sowohl im Osten als auch im Westen der Republik. Vielmehr liegt das wahre Problem darin, dass eben diese Akteure, die sich in Vereinen und Initiativen gegen Rassismus und andere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit engagieren, nur allzu oft seitens der politischen Akteure vor Ort im Stich gelassen werden. Ich habe diese skandalösen Unterlassungen durch Lokalpolitiker und Behörden für die Amadeu Antonio Stiftung in zwei Berichten („Das Kartell der Verharmloser“ und „Staatsversagen“) ausführlich dokumentiert. Und ich muss gestehen, dass mich das Ausmaß des staatlichen Versagens auf diesem Gebiet überrascht, ja schockiert hat.
Denn jene, die Zivilcourage zeigen und das Problem neonazistischer Umtriebe anprangern, werden nicht nur nicht unterstützt, sie werden (im Übrigen auffallend oft von Merkels Parteikollegen) als Störenfriede und Nestbeschmutzer angefeindet, weil sie ja das schöne Image des betroffenen Städtchens beschädigen. Beispiele gefällig?
Politiker und Beamte torpedieren die aktive Zivilgesellschaft
Im sächsischen Limbach-Oberfrohna macht der Oberbürgermeister seit Jahren alternative Jugendliche als öffentliches Ärgernis aus, nicht aber die Meute von Nazis, die in dem Örtchen systematisch ihr Unwesen treiben. Angriffe der rechten Recken wurden dadurch gerechtfertigt, dass die demokratisch gesinnten Jugendlichen diese ja durch ihr anderes Äußeres provoziert hätten.
In Wuppertal mussten sich die Macher des dortigen Medienprojektes gegen Polizei und Staatsanwaltschaft auflehnen, damit der gewalttätige Angriff bewaffneter Neonazis auf das dortige Cinemaxx-Kino überhaupt strafrechtlich verfolgt wurde. In einer Stadt, die sich in den vergangenen Jahren zu einer Hochburg der Neonaziszene in Westdeutschland gemausert hat, ließen Polizeivertreter immer wieder mit Äußerungen aufhorchen, dass ja nicht die Nazis das Problem seien, sondern die Linken.
Jahrelang setzte sich in Tostedt in der niedersächsischen Nordheide ein Bürgerforum für Zivilcourage gegen die umtriebigen Nazis sowie die Blindheit und leugnende Verharmlosung der Stadtoberen zur Wehr – und handelte sich damit den Vorwurf ein, das beschauliche Städtchen schlecht zu reden. Gleiches ereilte die ver.di-Jugend im bayerischen Amberg, die sich vehement gegen die Nazis dort zur Wehr setzt und die Untätigkeit der Stadt anprangert. Der Zorn der einheimischen Politik richtet sich denn auch in erster Linie nicht gegen die organisierte rechtsextreme Szene im Ort, sondern gegen die agilen Gewerkschafter, die das Treiben der Neonazis und das Stillhalten der Politik öffentlich zum Thema machen.
Statt Unterstützung: Missachtung und Misstrauen
Aus Menschen, die unsere Demokratie gegen ihre Feinde verteidigen, die ihre Freizeit opfern, die sich nicht abfinden wollen mit dem Hass auf alles Fremde und Andere, werden so landauf landab durch kurzsichtige Politiker und voreingenommene Beamte in Polizei und Verwaltung Täter gezimmert. Statt Unterstützung zu leisten, verfolgen Staatsvertreter die von Merkel so gelobte Zivilgesellschaft mit Missachtung und Misstrauen. Doch nicht nur kommunale Vertreter spielen in diesem Zusammenhang eine unrühmliche Rolle, auch auf Länderebene versucht man, den von Merkel geforderten Widerstand gegen rechte Umtriebe zu torpedieren. Bayern geht gegen die aktive Zivilgesellschaft mit besonders harten Bandagen vor, indem es Akteure, die sich gegen rechts engagieren, schon mal flugs zu Staatsfeinden erklärt und sie als „linksextrem“ denunziert.
Wie perfide dabei aus engagierten Akteuren mutwillig vermeintliche Täter gemacht werden, beweist der Fall Ernst Grube: Der Holocaustüberlebende, der sich vehement gegen rechtsextreme Strömungen einsetzt und für sein Engagement bereits von der Stadt München ausgezeichnet wurde, geriet auf diese Weise ins Visier des bayerischen Verfassungsschutzes. Grube fand sich schließlich gar im Verfassungsschutzbericht als linksextrem eingestuft wieder. Im selben Bericht drückte das Amt für Verfassungschutz bei rechtsextremen Vereinen beide Augen zu.
Die Extremismuserklärung schwächt die Arbeit gegen rechts
Das beschämendste Beispiel dieser fehlsichtigen Politik ist die Extremismuserklärung, die die Bundesregierung höchstselbst (genauer: Familienministerin Schröder) auf den Weg brachte. Sie stellt grundsätzlich alle, die sich gegen rechts engagieren, unter den generellen Verdacht des Linksextremismus und schwächt damit, so das vernichtende Urteil von Experten, nachhaltig die Arbeit gegen die rechtsextreme Szene. Die wehrhafte Demokratie, die nur mit einer wachen, engagierten Zivilgesellschaft funktionieren kann, wird auf diese Weise nachhaltig gelähmt. (Siehe hierzu auch folgender Beitrag über das “Bekenntnisdesaster” der Bundesregierung.)
Es entspricht also schlicht nicht den Tatsachen, wenn Merkel unterstellt, dass im Land zu wenig Zivilcourage vorhanden sei. Vielmehr wird das, was an Zivilcourage vorhanden ist, ausgerechnet von staatlichen Stellen ausgegrenzt, angefeindet, denunziert, gar strafrechtlich verfolgt. Es ist eben dieses Staatsversagen, das rechten Tätern einen größtmöglichen Radius einräumt, ihnen ermöglicht, dass sie ihre Strategie des Raumgewinns immer weiter vorantreiben können. Die Politik ist im Kampf gegen den Rechtsextremismus Teil des Problems. Dieses zu erkennen, Frau Merkel, wäre ein erster Schritt.
Wie stark die Zivilgesellschaft ist, beweisen derweil die Hunderten von Flüchtlingsaktivisten in Berlin-Hellersdorf, die sich dieser Tage dem erzürnten Mob aus Anwohnern und NPD-lern entgegen stellen, um jene zu schützen, die aus Kriegsgebieten stammen und sich nun ungezügeltem Fremdenhass und Volkszorn ausgesetzt sehen. Hier kann die Politik zeigen, auf wessen Seite sie steht. Wie wichtig ihr der Kampf gegen jenen Ungeist tatsächlich ist. Innenminister Friedrich jedenfalls kann zufrieden sein, er hatte vor Wochen wieder einmal Öl ins Feuer gegossen und erklärt, die steigende Zahl der Asylbewerber sei „alarmierend“. Eben dieses Verhalten ist beschämend.
Tja, die Frau Merkel hat im Wahlkampf mit halbem Mund verlauten lassen, es sei beschämend usw. Dann muss man aber auch laut sagen, aus welcher Ecke der Hass auf Juden und Synagogen und die Bedrohungen und nicht zuletzt die tätlichen Angriffe auf Rabbis (Daniel Alter) kommen. Und wer jedes Jahr am AlQuds-Day in Berlin offen die Vernichtung Israels fordert. Und wer heute in Stuttgart als offen bekennende anisemitische Organisation für den Muslimbruderterroristen Mursi, der offen zur Vernichtung Israels aifgerufen hat, ungehindert durch die Straßen matschieren durfte. War oder ist das die bose Rechte? Oder gar die menschenverachtende, verfassungsfeindliche NPD? Oder waren es eher die von den Rotlinksgrünen Gutmenschen gehätschelten Mitglieder einer gewissen “Weltreligion”, welche vorgibt auf Deutsch “Frieden” zu symbolisieren, jefoch aufm ganzen Globus nur Terror, Angst und Schrecken verbreitet? Differenzieren scheint nicht die Stärke dieses Propagandablogs zu sein! Das ist auch irgendwie beschämend oder so.