BILD übernimmt Spiegel: Büchner und die “Brandstifter”

Von Marion Kraske

Politik blog debattiersalon | Büchner und die Brandstifter - Werbung Aufsteller BILD Zeitung Spiegel Personalie Blome Büchner | Foto: Marcus Müller © 2013 Ein Witz? Eher Satire. Eine böse, hundsgemeine Finte von Der Postillon, jener Web-Zeitung, die im Netz gekonnt Aberwitzigkeiten auf die Schippe nimmt? Mein Blick wanderte nach oben, an den Rand der Internetseite, auf der ich mich befand: Nein, ich war bei Spiegel Online. Die Seite meldete sich in der vergangenen Woche in eigener Sache zu Wort. Nikolaus Blome wechselt zum Spiegel, stand da. Unglauben, ich klickte auf Google und gab Blome und Spiegel ein, es kam, was die deutsche Medienwelt und nicht zuletzt den Spiegel selber seither in Aufregung versetzt: BILD-Blome, dessen herausragende berufliche Leistung in der erfolgreichen Selbstinszenierung als seriöser Journalist in den diversen Quasselshows dieser Republik liegt, soll zum Spiegel wechseln, nicht nur als Leiter des Hauptstadtbüros, sondern als Vize der Chefredaktion.
What the fuck…… ?!

Es dauerte Tage, bis der Unglaube zunächst dem Erstaunen, das Erstaunen schließlich der Wut wich. Die Wut ist inzwischen verraucht. Nun macht sich Desillusion breit, Desillusion darüber, was eigentlich los ist mit dieser unserer Medienwelt. Denn der verkündete Transfer ist mehr also nur eine billige Personalie. Er ist ein Gradmesser dafür, wie desolat es um die vierte Gewalt hierzulande bestellt ist. Ja, mehr noch: Wie es um unsere Gesellschaft bestellt ist. Wenn ein Springer-Smartie wie Blome in die Chefetage des einstigen Flagschiffs des deutschen Journalismus wechseln kann, wenn das Unmögliche zur Möglichkeit gemacht werden soll, ist Alarm angesagt.

Denn auch wenn der designierte Spiegel-Chef Wolfgang Büchner „Silodenken“ (er meint wohl Lagerdenken) ablehnt, gab es traditionell – ich schreibe zunächst einmal bewusst in der Vergangenheit – diese klare und wohlbegründete Trennlinie zwischen Spiegel und Springer. Es gibt Kollegen, mich eingeschlossen, die wollten und würden niemals freiwillig für Springer arbeiten. Die Gründe? Altbekannt und doch: nach wie vor aktuell.

Der Spiegel hingegen war immer etwas Besonderes, ein Wegweiser der demokratischen Auseinandersetzung und Debatte. Ein Korrektiv, eine Institution, die sich kritisch mit Politik und ihren Irrwegen auseinandersetzte, die sicherlich auch mal Politik machte, gekonnt und mit Paukenschlag regelmäßig jedoch Politikern immer wieder auf die Finger klopfte, niemals aber nur eines verfolgte: Schmierige Parteipolitik.

Fast gerät man ins Sinnieren, wenn man an den Spiegel von einst denkt, daran, wie er mal war. Als Politologin und Publizistin bin ich mit ihm groß geworden, er hat mich begleitet, durch Studium und Volontariat, während meine Freundinnen zu Bauch-Beine-Po gingen, blätterte ich stundenlang im geliebten Heft, selbstvergessen, verschlang die hintergründigen Berichte, die unvergleichlichen Geschichten.

Das geliebte rot umrandete Magazin

Exzellent und unvergessen die Berichterstattung während der Balkankriege. Da recherchierten und schrieben Kollegen, die Ahnung hatten, die kompetent waren, auf ihrem speziellen Gebiet. Die Inlands- und Auslandsberichterstattung bot zu der Zeit einen mannigfaltigen Mehrwert, eine essenzielle Nahrung für den politisch interessierten, polyglotten Leser. Montag war – ja es stimmte! – Spiegel-Tag, Fans des rot umrandeten Magazins horteten ihre Lieblingsausgaben wie kleine Kostbarkeiten, packten sie in Kisten, bei Umzügen zogen sie mit ins neue Domizil. Damals wuchs der Wunsch in mir, dort, im Olymp des Journalismus, selber einmal anzuheuern. Ich stieg ein und auf, mehrere Jahre war ich dort, zuständig unter anderem für Österreich und Südosteuropa, dann stieg ich aus.

Mit der Zeit veränderte sich die Bedeutung des Spiegels: Den Wert für unsere Demokratie, für den kritischen Diskurs besitzt das Blatt heute in der Form nicht mehr. Viele, die ihn jahrelang gelesen haben, lesen ihn heute nicht mehr, oder die Lektüre gibt ihnen nichts mehr. Der Spiegel hat zum Leidwesen vieler eine inhaltliche Entkernung hinter sich: Wo früher harte News, Hintergrund und Analyse selbstverständlich waren, entspringt heute Belangloses, gar Irrelevantes. Die Schnittchen in Berlin, der gelbe Sari in Pakistan, die Hausmitteilungen mit Militärs und Politikern gaukeln Nähe zu Politik und Parteien vor, die zwar nett und charming daher kommt, deren ureigenste Bedeutung sich allerdings nicht erschließt.

Zu Guttenberg und Sarrazin: Den Kern nicht erkannt

Denn was ist schon Nähe, wenn die eigentliche Relevanz fehlt, wenn die politische Fallhöhe nicht erreicht wird? Was soll Nähe, wenn vor allem die kritische Distanz zu den Objekten der Berichterstattung gefragt wäre? Plagiator Karl-Theodor zu Guttenberg samt Ehefrau wurde gehypt und umgarnt – ganz im Stil des Boulevards. Da durften dann – oh Graus – angekitscht die „fabelhaften Guttenbergs“ vom Spiegel-Titelbild lächeln. Nicht erkannt: Die Show, die Luftnummer hinter dem glattgegelten, glamourösen Auftritt, die etwa die Anthologie „Beruf als Inszenierung“ (erschienen im Suhrkamp-Verlag) brillant entlarvt.

Eben diese Auseinandersetzung mit einem Politiker, dem mehr am äußeren Scheinbild denn am Sein gelegen war – sie wurde nicht geliefert. Der enteierte, entpolitisierte Spiegel eiferte eifrigst den schlüpfrigen Springerblättern nach, die den Blaublüter auch dann noch stoisch ins Kanzleramt hieven wollten, als das jämmerliche Ausmaß seiner Täuschung, Doktorarbeit genannt, längst belegt war.

Seite an Seite mit dem Boulevard

Die Causa Sarrazin schließlich machte endgültig klar, dass die alten Zeiten vorbei waren, der Spiegel nicht mehr der Spiegel war. Seite an Seite mit der Bild wurde da ein Abdruck der geistigen Ergüsse eines geifernden Ex-Bundesbankers präsentiert, ohne tiefer gehende Analyse, ohne die Erkennung und Benennung dessen, warum dessen Thesen nicht nur falsch und schief, sondern vor allem Demokratie gefährdend sind, warum die Deutschland-schafft-sich-ab-Tirade durch und durch rassistisch ist. Warum Thilo Sarrazin alles andere war, nur kein „Volksheld“, wie der Spiegel titelte.

Die Humboldt-Universität war es schließlich, die das dummdreiste Werk zerpflückte und dem Ungeist (endlich) Geist gegenüber stellte. Der Titel dieses grandiosen und notwendigen Werkes: „Sarrazins Thesen auf dem Prüfstand. Ein empirischer Gegenentwurf“. Ein Zehntel der Rechercheleistung zur Demaskierung eines rechtsextreme Inhalte speienden Demagogen hätte auch dem Spiegel gut zu Gesicht gestanden.

Das alles sind Belege für die zunehmende Entpolitisierung der einstigen publizistischen Speerspitze, die auf das Konto einer in weiten Teilen apolitisch denkenden Führungsriege geht. Saßen da früher alte, unbequeme Haudegen mit Rückgrat, weitgereiste und weltgewandte Geister, denen Amerika ebenso vertraut war wie Albanien oder Afghanistan, tummeln sich (im Übrigen auch in anderen Redaktionen) heute glatte und angepasste Hauskarrieristen, die die Welt wahlweise aus dem Elfenbeinturm oder vom Deck der Segelyacht beurteilen, die zwar streetsmart und Talkshow-kompatibel sind, denen politische Prozesse allerdings egal und politisches Denken augenscheinlich fremd sind.

Damit befindet sich der Spiegel in allerbester Gesellschaft: Wer am Wochenende den ARD-Talk bei Günther Jauch sah, musste mit erleben, wie sich da ein hochbezahlter Moderator (einer der bestdotierten der ARD) peinlichst abmühte, dem anwesenden CDU-Politiker (Thomas de Maiziere) eine ganze Sendung lang nur ja keine einzige kritische Frage zu stellen. Erbärmlich? Erbärmlich!

Entkernung der vierten Gewalt

Auf diese Weise erlebt die deutsche Öffentlichkeit eine weit um sich greifende Entkernung der vierten Gewalt. Umso bedeutender die Aufgabe eines künftigen Spiegel-Chefs, dem einstmals mächtigen Medium wieder eine Haltung, eine machtvolle Stimme zu verleihen. Eine Stimme, die an gute Zeiten anknüpft, als man noch hinschaute, aufdeckte, einordnete, intellektuell auseinander nahm und nicht nur schmeichelte und schwurbelte. Nur mit diesem Rückgewinn an Relevanz ließe sich der rapide Auflagenrückgang aufhalten – das Konkurrenzblatt Zeit macht mit intelligenter und themensetzender Berichterstattung erfolgreich vor, wie es geht, auch in Zeiten fortschreitender Zeitungskrise.

Wolfgang Büchner, der nicht eben für eine eigene politisch-journalistische Arbeit steht, wollte sich als Stellvertreter einen politischen Kopf von außen einkaufen – ausgerechnet von Springer. Die Revolte der wackeren Mitarbeiter KG und Ressortleiter zeugt davon, dass dies auch in weiten Teilen der Redaktion als Frevel angesehen wird. Die Frage eines Spiegel-Autors, ob sich damit auch die Blattlinie ändere, wollte Büchner vergangene Woche nach Vorstellung seiner Personalie nicht verstehen. Die interessante Frage ist: Hat der Noch-dpa-Mann die Frage womöglich tatsächlich nicht verstanden? Weil politische Kategorien in gewissen (auch medialen) Kreisen heute womöglich gar keine Rolle mehr spielen?

Denn trotz aller Aufweichungen der Marke Spiegel existiert natürlich (noch immer) ein Unterschied zwischen der Spiegel-Kultur und der BILD-Kultur. Der Spiegel hat dies selbst jüngst formuliert, indem er der BILD, forsch und pointiert wie jeher, bescheinigte, sie übernehme „immer wieder die Rolle einer rechtspopulistischen Partei“. Treffliches Fazit der Abrechnung mit der Springerpostille: Das Blatt fungiere als „Brandstifter“.

Eben diesen Graben will Büchner endgültig zuschütten. Harakiri mit allen Mitteln. Fragt sich am Ende: Für wen? Für Büchner, der der Boulevardisierung des Journalismus durch eine unmögliche Personalentscheidung die Krone aufsetzen will? Oder am Ende für den Spiegel selbst? Ein nach rechts rutschender, populistisch angefeuerter, von einem BILD-Steuermann gelenkter Spiegel, der der Masse und dem Mob nach dem Mund redet, der mal gegen Minderheiten, mal gegen angebliche Sozialschmarotzer, mal gegen die vermeintlich faulen, griechischen Lauschepper hetzt – das ist tatsächlich eine neue Schreckensvision für alte Spiegel-Fans. Und eine Zumutung für unsere Demokratie.

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22 Antworten auf BILD übernimmt Spiegel: Büchner und die “Brandstifter”

  1. Zahnwart sagt:

    Es geht gar nicht primär um den politischen Rechtsruck, den Blome beim Spiegel bedeuten würde. Der ist vorhanden, aber er ist marginal, “im Zweifel links” war der Spiegel, wie oben mit Hinweis auf den Sarrazin-Abdruck gezeigt wird, zuletzt eigentlich kaum noch. Es geht um Blattästhetik. Als ich journalistisch ausgebildet wurde, gab es noch einen Konsens, dass Leute, die von der Bild kommen (oder auch von Medien wie dem Kölner Express oder der Hamburger Morgenpost), für richtigen Journalismus verbrannt seien. Das Wissen, dass Leute von Bild keine Journalisten sind, sondern Hetzer, Polarisierer, Unterhalter, scheint durch solche Personalien verschüttet, und das finde ich erschreckend an dem Thema.

    • JJ Preston sagt:

      Als ich journalistisch ausgebildet wurde, gab es noch einen Konsens, dass Leute, die von der Bild kommen (oder auch von Medien wie dem Kölner Express oder der Hamburger Morgenpost), für richtigen Journalismus verbrannt seien.

      Insofern liegt diese Personalentscheidung Büchners doch voll im Trend des SPIEGEL – Niveaulimbo: Erst sinkt der Absatz, dann die Kosten, dann die Qualität, dann wieder der Absatz und die Kosten und die Qualität und die ganze Polonäse von vorn.

      Wie drückte es John Ruskin aus? “Es gibt kaum etwas auf dieser Welt, das nicht irgend jemand ein wenig schlechter machen kann und etwas billiger verkaufen könnte (…)”

      So ist es bei Lebensmitteln, warum sollte das bei Journalismus anders sein? Niemand mehr regt sich darüber auf, dass man beim Braten von Hackfleisch oder Fisch vom Supermarkt und/oder Discounter mittenmang die Pfanne ausgießen und neues Öl heiß machen muss, weil das Bratgut in Wasser absäuft. Die Aufregung über undeklariertes und vermutlich minderwertiges (oder nicht für den Verzehr geeignetes) Pferdefleisch in TK-Lasagne war in den Medien auch größer als in der Bevölkerung selbst. Wer sich gut ernähren will, kauft heute teuer “Bio”.

      Aber wer erinnert sich noch, dass das, was heute einen “Bio”-Aufpreis hat, noch vor 20, 25 Jahren der Normalfall war; dass der Normalverbraucher sein Fleisch beim Schlachter, seinen Fisch beim Fischhändler und Obst und Gemüse beim Gemüsehändler kaufte und nur Arme und Geizhälse den grünschimmernden, abgepackten Industrieschrott aus der Kühltruhe kauften?

      Und exakt den gleichen Effekt sehen wir doch auch im Journalismus: Die Discounterisierung von Verlagsleistungen, Journaille als Billigware. Nur dass “billig” im eigentlichen Wortsinn nicht “günstig” bedeutet, sondern vor allem minderwertigere Ware zu einem niedrigeren Preis. Kim Kardashian statt Liz Taylor, Stoned statt Rolling Stones (ohne “Stoned” pauschal in die Pfanne hauen zu wollen, aber es ist halt “nur” eine Coverband)… und nun eben BILD statt SPIEGEL. Was bildsprachlich auch ganz, ganz großes Kino ist…

  2. Ramwald sagt:

    Als ehemals begeisterter Spiegel-Leser und zeitweiser Abonnent habe ich zu Beginn dieses Jahrhunderts alle Brücken zum Spiegel abgebrochen. Das journalistische Niveau sank in atemberaubenden Tempo, die Entwicklung zur Bildzeitung für das gehobene Publikum war unverkennbar. Auch das Lesezeichen zu Spiegel-Online, der sich noch niveauloser wie das Blatt benahm, habe ich aus meinem Browser getilgt.

  3. Christian aus Hamburg sagt:

    Habe den Link eben bei 6 vor 9 entdeckt und muss sagen, dass diese Einordnung das Beste ist, das ich bis dato zu der Angelegenheit gelesen habe!

  4. Der Text zeichnet ein Bild des “Spiegel”, das nicht nur nie gestimmt hat, sondern in höchstem Maße ideologisch ist. Der “Spiegel” war in den 50er Jahren durchsetzt mit Redakteuren, die dem nationalsozialistischen Gedankengut anhingen. Den linksliberalen Touch bekam das Blatt erst in den 60er Jahren. Die sogenannte “Spiegel”-Affäre katapultierte das Magazin in eine Rolle (“Sturmgeschütz der Demokratie”), die es nur teilweise journalistisch ausfüllen konnte. Die Skandale, die man aufdeckte, waren fast immer Informanten zu verdanken, d. h. Personen, die man heute “Whistleblower” nennt. Wer etwas Skandalöses zu erzählen hatte, konnte sich an den “Spiegel” wenden (an wen auch sonst?). Ende der 80er Jahre dümpelte das Magazin zwischen salopp-frechem Anti-Kohl-Infotainment und kernigen historischen Thesen seines Herausgebers. Es reichte gerade noch, Kohl als Feindbild zu pflegen, wie andere ein Gärtchen. Die Wirkungen verpufften und mit Entsetzen musste die Redaktion zur Kenntnis nehmen, dass die Kanzlermaschine immer weiter gewählt wurde, obwohl man es doch besser wusste. Die Tendenzschwelle hatte man dann unter Aust überschritten, als man sich im Blatt dezidiert gegen Schröder positionierte: “Wir haben beschlossen, dass Rot-Grün weg muss”. Auf eine solche “Vierte Gewalt” (eh ein Ausruf der Hybris) kann und will ich übrigens verzichten.

    Die Nominierung Blomes zum stellvertretenden Chefredakteur ist eine logische Entwicklung. Sie begann vor vielen Jahren. Das Bollwerk des linksliberalen Mainstream war der “Spiegel” mit Ausnahme der Ära Brandt ansonsten nie. Mag man auch noch soviel Legendenfutter in die Zeilen hämmern.

  5. JensE sagt:

    Ja, genau so empfinde ich das auch.

  6. Ineluki sagt:

    Unter Stefan Aust hat der publizistische Sturzflug des Spiegel begonnen. Es ist noch immer kein Land in Sicht.

  7. Marion sagt:

    @JJ Preston apropos “Discounterisierung” – treffliche Formulierung, werd ich mir merken

  8. Laser sagt:

    Ist ja alles korrekt, nur als ich im Artikel auf die Zeit als positives Gegenbeispiel stieß, musste ich schon grinsen. Zumindest online eifern sie doch SPON längst nach. Es erscheinen ständig Provo-”Artikel”, die nur ein paar Zeilen lang sind aber eine markige These vertreten, die ordentlich Klicks und Kommentare verspricht, und genau zu dem Zweck auch dienen sollen. Und wo dürfen denn ‘Prominente mit Problemen’ stets ihre Sicht der Dinge in Interviews darstellen (Guttenberg, Hoeneß)?

  9. AndreasZ sagt:

    Die besagten Hauskarrieristen sorgen natürlich auch für entsprechenden Nachwuchs. Bei welcher Zeitung würde heute etwa ein doch relativ unbequemer Wallraff o.ä. auf der Suche nach einem Volontariat unterkommen? Was zählt, ist ein 1-AA-Lebenslauf à la BWL-Turbostudent und die unbedingte Bereitschaft, jeden Mist mit einem Lächeln hinzunehmen, das Ganze natürlich zum Dumpingtarif. Es sind dann auch meist Töchter und Söhne aus reicherem Hause, die den Nachwuchs in den Redaktionsstuben stellen. 50 unbezahlte Praktika im In- und Ausland muss man sich halt auch leisten können. Ich glaube, und das gilt nicht nur für die sog. Leitmedien, dass wirklich kritische, politisch-gesellschaftlich interessierte Charaktere in den allermeisten Redaktionen nicht mehr erwünscht sind – brave, karrierebewusste Dauergrinser mit einem gewissen Stallgeruch dagegen umso mehr. Wenn ich heute daran denke, was ich auf der Schule für ein idealistisches Bild der Medien und des Journalismus pflegte, muss ich immer lachen (oder heulen?)

  10. Ekkehard sagt:

    hi,
    mein “Spiegel” war, bis 1983, der “Stern”. Das endete von einer Woche zur anderen.
    Danach habe ich mich an eben jenen getraut, mehr als zwanzig Jahre lang. Beide haben mich geprägt und Sonntagsabends noch während des “Tatort”-Abspanns ganz schnell die Schuhe anziehen und noch bevor Frau Christiansen zu labern anfing, eben zum Hbf laufen und den “Spiegel” kaufen. Montags war ich jedenfalls wieder auf dem laufenden und fühlte mich gut.
    Und jetzt Blome…
    Meine Eltern haben mich gelehrt, niemals ein Springer-Erzeugnis zu lesen.
    Mindestens mit “B…d” ist mir das auch bis heute gelungen, und es wird dabei bleiben.
    Bleibt es bei dieser Personalie, muss ich wohl zum “Guardian” wechseln.
    Wird meinem Englisch sicher gut tun. :D

  11. Ferdi sagt:

    Sehr treffende Analyse!
    Nur: Was macht darin der Verweis auf die Zeit als Gegenbeispiel? Der ganze Text könnte sich doch 1 zu 1 auch auf dei Zeit beziehen: Früher im Dossier – Reportage aus Somalia. Heute im Dossier: Lorenzo interviewt Lierhaus/Kachelmann/Hoehnes. Sarrazin und Guttenberg wurden ganauso hofiert wie im Spiegel. Dazu im Magazin ein paar Modestrecken (mit Labels und Preisen danke auch fürs Sponsoring) und viel Gelaber übers Essen und Weintrinken.
    Kurzum: Wenns in Deutschland noch ein politisches Magazin gäbe, ich würds kaufen!

  12. Ekkehard sagt:

    …Nachtrag zu meinem Beitrag und wenn ich darf:
    http://www.wir-in-nrw-blog.de/

    Danke…

  13. Marion sagt:

    @Laser Dem Einwand mit den Zeit-Interviews stimme ich zu, die kommen mitunter merkwürdig handzahm und hofierend daher. Zu Guttenberg wurde so eine peinliche Plattform geboten. Dennoch findet man dort meines Erachtens so viel Hintergrund/Analyse wie in keinem anderen Printmedium. Viel Auswahl hat der interssierte Leser ja ohnehin nicht mehr.

  14. Egal sagt:

    Der Inhalt spricht mir aus der Seele – früher ständiges Lesen, Freuen auf den Montag (eher Sonntagabend) etc., heute kein Kaufen mehr, maximal Lektüre in Cafés, dazu noch oft genug SPON (jdf. das Wenige, das man lesen kann und mag).

    Jetzt noch ein paar der schlimmsten Klopper im Text entfernen, dann geht´s:

    “eine Institution, die sich kritisch mit Politik und seinen Irrwegen auseinandersetzte” – (DIE) Politik … SEINEN Irrwegen???

    “Der Wert für unsere Demokratie, für den kritischen Diskurs besitzt das Blatt heute in der Form nicht mehr” – Also besitzt der Wert nicht das Blatt? Oder DEN Wert …?

    “musste mit erleben” – miterleben

    “Eine Stimme die an gute Zeiten anknüpft, als” – “Eine Stimme KOMMA die an gute Zeiten anknüpft, IN DENEN”

    Und warum wird ‘sich’ immer vor das Bezugswort gepackt?
    “Nun macht sich Desillusion breit” – warum nicht “Nun macht Desillusion sich breit”?
    “veränderte sich die Bedeutung des Spiegels” – warum nicht “veränderte die Bedeutung des Spiegels sich”?
    Bei anderen Sätzen geht es doch: “Internetseite, auf der ICH MICH befand”
    Aber das komplett richtig zu sehen, wird noch dauern … schließlich schreibt der gesamte SPIEGEL so. Leider.

    Und weg!

  15. alliance sagt:

    Also was den Spiegel angeht. Treffer. Erinnere mich auch an diesen netten Tittelgeschichten ala Mekka Deutschland (Die stille Islamisierung) oder Koran (Das mächtigste Buch der Welt), letzteres mit pechschwarzen Hintergrund.

    Hitlers Uhr, Deutschlands Geheimnis war der letzte große Klopfer. So oft konnte ich damals mein Abo gar nicht kündigen, wie ich es eigentlich gewollt hätte.

    Was die Zeit angeht. Ich lese sie schon mit leichten Bauschmerzen. Seit Giovanni di Lorenzo das Ruder in der Hand hat…naja..

    Was seine tollen Interviews angeht. Er möchte halt das sich der Interviewte durch seine Antworten selbst entlarvt. Irgendwie hat er noch nicht verstanden, das diese Taktik nur bei echten Interviews funktionieren würde. Wenn der Interviewte im nachhinein alles umschreiben kann….Man müßte auch echte Fragen stellen und nachhaken…Egal.
    Danke jedenfalls für den Kommentar Frau Kraske

    MfG

  16. Wird nicht genannt sagt:

    Eigentlich wollte ich demnächst ein Spiegelabo abschließen, zusätzlich zum im Haus rotierenden Focus und Stern. Die Entscheidung wurde mir so abgenommen. Blome! Warum nicht gleich seinen Buddy den Lügenbaron?

  17. Marion sagt:

    @Gregor: Sicherlich hat auch der alte Spiegel fallweise Fehltritte hingelegt, dennoch war er Institution, besaß Haltung (war Anlaufstelle für Informanten), wesentliche Aspekte für seine publizistische Relevanz, die in den letzten Jahren abhanden gekommen ist. Er war Leitmedium und aufklärerisches Bollwerk, das der ressentimentgeschwängerten Kampagnenreiterei der Springer-Presse etwas entgegen gesetzt hat. Genau deswegen ist Blomes Berufung, um mit Franziska Augstein zu sprechen, eine “Katastrophe”.
    @Egal Nicht egal:) Wir verweisen gerne auf unseren Flattr-Button und die Möglichkeit, mit Spenden dazu beizutragen, dass wir unseren unabhängigen Blog vielleicht ja auch einmal mit Schlusskorrekteuren veredeln können:) Dank für die Hinweise. Und: inhaltlich d´accord…

    • @Marion
      Eben dieses Bollwerk-Gerede ist Legende. Ein Gegengewicht zu “Springer” konnte der “Spiegel” alleine schon aus intellektuellen Gründen nicht sein. Der klassische “Springer”-Leser hatte mit dem “Spiegel”-Leser so gut wie keine Schnittmengen. Mit “Zeit”, “Stern” und “Spiegel” gab es im intellektuellen Diskurs drei vermeintlich linksliberale Leitmedien, von denen der “Spiegel” am allerwenigsten links war: Er war opportunistisch, einseitig, bräsig und arrogant. Der “Stern” war boulevardesker, schied aber nach den Hitler-Tagebüchern aus dem seriösen Journalismus dauerhaft aus. Blieb nur noch die “Zeit”, die ebenfalls längst in den Boulevard abgedriftet ist.

      Wenn Franziska Augstein Blome als “Katastrophe” bezeichnet, mag dies für den Anspruch, den sie an den “Spiegel” hat, stimmen. Tatsächlich ist es aber nur eine logische Entwicklung von Aust über Mascolo/Blumencron bis aktuell nun Büchner.

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  19. Ekkehard sagt:

    …noch ein Nachtrag zum WE:
    heute habe ich meine”SPON”-Mitgliedschaft gelöscht und diverse Lesezeichen auch.
    Ob ich jetzt Stolz auf mich sein kann?
    Herrn Blome u.a. geht das wahrscheinlich am Rücken vorbei.
    Gleichwohl, mir geht es besser…
    Ach ja, um nicht in Versuchung zu geraten:
    Einfach unter Xubuntu 12.04.3 LTS in die “/etc/hosts” eintragen:
    ” 0.0.0.0 http://www.spiegel.de

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