Herrenriegenromantik: Land der Dichter und Bremser

Von Marion Kraske

Daimler-Chef Dieter Zetsche brachte es vor einigen Wochen auf den Punkt: Er wisse nicht, so der Manager, wo er im Falle einer Frauenquote mit all den Männern hinsolle. In der Tat, ein schwerwiegendes Problem, man muss den armen Mann mit seinen Sorgen verstehen.
Was wie ein schlechter Witz klingt, gar wie kalauerische Satire, meint einer der mächtigsten deutschen Top-Manager, der sonst als ausgewiesen analytischer Kopf gilt, durchaus ernst. Zetsches Zitat ist denn auch wie kein anderes angetan, zu belegen, woran es in deutschen Führungsetagen hapert: An der Erkenntnis, dass sich etwas ändern muss, dass die Zeit der männlichen Monokultur – anachronistisches Überbleibsel einer verstaubten, sich überlegen gerierenden Unternehmensleitidee – vorbei ist und abgeschafft gehört. Aus gesellschaftlicher Verantwortung heraus und aus Gründen der Vernunft.
Keine Frage, der Daimler-Chef mag ein besonders schwerwiegender Fall von Rückwärtsgewandtheit sein, doch mit einigen wenigen Ausnahmen – etwa Telekom-Chef Rene Obermann, der jüngst erst zwei Frauen in seinen Vorstand holte, bekleckern sich auch etliche andere Führer der deutschen Dax-Konzerne nicht eben mit Ruhm. …[ mehr ]

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Enemenemuh – wer bezahlt, bist DU

Wie Zocker die Welt ruinieren

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Empört Euch – lautstark und massenhaft

Von Siegesmund von Ilsemann

Auch Schneeweißchen und Rosenrot standen am späten Samstagnachmittag auf dem Berliner Platz der Republik zu Füßen des kuppelbewehrten Reichstags, hatten die Edelboutiquen im Zentrum der Hauptstadt links und rechts liegen gelassen, waren nicht in zum Aperitif in eine der einladenden Bars eingekehrt, die ihren Weg säumten. Dabei hätte man die beiden in ihrer attraktiven Eleganz viel eher auf dem Weg zu einem coolen Event der hippen Berliner Party-Szene vermutet als zur Protestaktion gegen die Bankenkrise, zu der Attac und andere Organisationen am vorigen Samstag zwischen Kanzleramt und Bundestag aufgerufen hatten. Weltweit versammelten sich an diesem Tag Hunderttausende, vielleicht Millionen in mehr als 950 Städten von über 80 Staaten zu Protestaktionen.
Schneeweißchen, eine kluge, nachdenkliche Literaturkritikerin, und Rosenrot, die eloquente junge Yoga-Lehrerin mit den perfekt geschminkten roten Lippen unter dem frisch gestylten pechschwarzen Pagenkopf schienen so gar nicht zu passen in diese bunte Schar von Menschen, unter denen ein paar Nackte für ihr „Forest-Fuck-Fest“ warben, ein irisches Musik-Duo seinen Protest in den Rasen steppte, während 5000 eher ratlose Demonstranten auf dem Rasen herumstanden oder saßen. Und dennoch waren die beiden jungen Damen fast prototypisch für eine Versammlung, in der neben dem alt gewordenen Anti-Atom-Aktivisten auch der gutbetuchte Pensionär stand, zwischen durchgeknallten Nachwuchs-Hippies Hausfrauen, Eltern mit ihren Kindern, Gutverdiener und Arbeitslose saßen. …[ mehr ]

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Friede den Hütten, Krieg den Glaspalästen?!

Von Michael Kraske

Das Ungeheuerliche an den Demonstrationen vor der New Yorker Börse ist ja nicht, dass sie stattfinden, sondern dass nach dem bankenverschuldeten Kollaps so lange Grabesruhe herrschte. Über Jahre haben wir uns kollektiv gehirnwaschen lassen, akzeptiert, dass die Gier der Zocker dem Wohle aller diene. Die Wirtschaftsblätter haben Investmentbanker und ihr aberwitziges Milliardenspiel angebetet. Wer sich keine Aktien zulegte und stattdessen brav sein Geld zur Sparkasse trug, galt als zurückgebliebenes Weichei. Nun dämmert es nicht mehr nur linken Sentimentalisten, sondern auch eingefleischten Konservativen wie Frank Schirrmacher, dass etwas schrecklich aus dem Ruder gelaufen ist. Dass wir von Banken erpresst werden. Dass sie die Gewinne kassieren und wir die Zeche zahlen, wenn sie sich verspekuliert haben.
Wir haben weiter daran geglaubt, in einer sozialen Marktwirtschaft zu leben, als Hedge Fonds ganze Wohnsiedlungen und kommunale Stadtwerke als „Investment“ schluckten, um anschließend Profit aus Mietern zu pressen. Wem da mulmig wurde, war ein Kommunist und Ewiggestriger. Wir haben geglaubt, als man uns sagte, dass Heuschrecken zwar nicht schön, aber notwendig sind. …[ mehr ]

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Der Pirat, die NPD und der Holocaust

Die Piraten haben ein braunes Problem. Ein Pirat versucht gerade, seine frühere Mitgliedschaft in der rechtsextremen Truppe als Jugendsünde zu verharmlosen. Holocaustleugnung, antisemitische, rassistische Ideologie – eine Jugendsünde?

Wofür die NPD steht, sagt der Partei-Vorsitzende Udo Voigt:

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„Lernt das zu schätzen, was ihr nicht verlieren könnt“

Denken wir an Island, kommen uns alte Dichter, lästige Vulkane und kriminelle Banker in den Sinn. Im Ausland kaum bekannt ist der größte Provokateur der Insel: der 65-jährige Rockmusiker Magnús Jónsson, genannt Megas. Erstmals spricht der verehrte wie gehasste Bürgerschreck in einem deutschen Medium über seine krisengeschüttelte Heimat, die isländische Mafia-Republik und die Kraft von Love & Peace

Von Martin Häusler

Haben Sie eigentlich Songs über die Finanzkrise in der Schublade liegen, die Island 2008 in den Abgrund führte? Seitdem ist jedenfalls kein Album von Ihnen erschienen.

Megas: Ich habe über diese Krise schon in den 70ern gesungen. Davon handelten all meine Lieder. Eine derart gestrickte Gesellschaft kann nur so enden.

Sie haben den Crash kommen sehen?

Megas: Ich habe sein Kommen gespürt, ja. Und nicht nur ich. Jemand hat mal von Island als Mafia-Republik gesprochen, und das stimmt. …[ mehr ]

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Afghanistan: Nichts wie raus

Von Siegesmund von Ilsemann

Es geschah in den angespannten Wochen nach dem 11. September 2001. In Washington war der Rachefeldzug einer im Selbstbewusstsein schwer beschädigten Supermacht gegen das kleine Afghanistan längst beschlossen.
Diesseits des Atlantiks hatte Kanzler Gerhard Schröder die Deutschen auf „uneingeschränkte Solidarität“ mit den USA verpflichtet. Da erschien am 1. Oktober ein Spiegel-Titel, in dem vor den unkalkulierbaren Risiken einer Militäraktion am Hindukusch gewarnt wurde.
Das Heft lag kaum in den Auslagen, da erhielt einer der Autoren einen Anruf von einem New Yorker Radiosender. In einer Life-Sendung versuchte der spöttelnde Moderator den tumben Deutschen vorzuführen: Ob der denn wahrhaftig daran zweifle, dass Amerikas GIs die „ragtag army“ der Taliban besiegen würden. Natürlich sei das kein ernsthaftes militärisches Problem, erwiderte der Autor. Doch noch habe keiner von denen, die jetzt so eifrig die Kriegsposaunen blasen, einen überzeugenden Plan dafür vorgelegt, was danach mit dem Land geschehen solle.
Als wenige Wochen später George Bush seinen Sieg über die Islamisten feierte, lud der Sender erneut zum Life-Interview: Ob der Autor denn nun bereit sei, seinen Irrtum einzugestehen, insistierte der triumphierende Moderator. Den Einwand, fürs Jubeln sei es viel zu früh, der Krieg habe gerade erst begonnen, wurde mit kaum unterdrückter Häme beiseite gewischt.
Zum zehnten Jahrestag des Kriegsbeginns hat sich der Sender nicht wieder gemeldet.
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Fresse dicke

Von Marion Kraske

Stammtisch also, nicht mehr, aber auch nicht weniger, Pöbelei, Gossensprech: Nicht irgendwer, nein, der Kanzleramtschef höchstpersönlich war es, der sich damit in Szene setzte. Er könne die „Fresse“ von Parteikollege Wolfgang Bosbach nicht mehr sehen, so Ronald Pofalla, weil Bosbach bei der Abstimmung zum Euro-Rettungsschirm die Regierungslinie nicht mittragen wollte. Den Verweis auf das Grundgesetz quittierte der Mann aus dem Kanzleramt mit den Worten: „Lass mich mit so einer Scheiße in Ruhe.“
Auch wenn sich Pofalla inzwischen für seinen Ausfall via Bild-Beschallung entschuldigte, so zeigt er doch eines: Das Grundprinzip freier Willensentscheidung, die kontroverse Debatte als Vorspiel demokratischer Willensbildung, moralische Bedenken bei einer höchst umstrittenen politischen Entscheidung, die die Zukunft Deutschlands nachhaltig beeinflussen könnte – für den Mann aus dem Kanzleramt störendes Beiwerk. Scheiße eben.
Der Fall ist keineswegs eine Petitesse, er beweist einmal mehr, dass die schwarz-gelbe Regierungsmannschaft keinen Anker besitzt, die Protagonisten schwimmen. Sie sind überfordert.
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Der Trick des Zampano

Von Siegesmund von Ilsemann

War da was? Gerade mal eine Stunde dauerte das letzte Treffen der designierten Koalitionspartner Rot und Grün. Dann waren die Verhandlungen bereits in der ersten Runde gescheitert. Wegen unüberbrückbarer Differenzen über den Weiterbau der von den Grünen abgelehnten Stadtautobahn A100 gebe es „keine tragfähige Grundlage“ für eine gemeinsame Regierung, ließ der alte und aller Voraussicht nach auch künftige Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit verkünden. Bleibt als einzige „tragfähige“ Alternative ein Bündnis mit der CDU.
Das klingt verdächtig nach einem abgekarteten, ja abgefeimten Spiel des großen Zampano im Roten Rathaus. Im Wahlkampf, am Wahlabend und danach hatte der sich stets um eine klare Koalitionsaussage gedrückt.
Dennoch schien mit dem vorläufigen amtlichen Endergebnis auch die rot-grüne Koalition besiegelt. Die beiden Fraktionen stellen mit zusammen 78 Sitzen die Mehrheit im Berliner Abgeordnetenhaus. Zwar nur zwei Stimmen Mehrheit, aber auf ähnlich knappem Vorsprung wurden anderswo schon Regierungen gegründet.
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Die Amigos von Austria

Von Marion Kraske für Zeit online

Österreich arbeitet die Machenschaften der Ära Schüssel auf. Im Zentrum der Ermittlungen um verdächtige Geldflüsse: der ehemalige Finanzminister Grasser.

Wenn Wolfgang Schüssel seine Regierungszeit Revue passieren ließ, sprach er lange gerne in Superlativen. Viele Dinge, die man zwischen 2000 und 2006 angepackt habe, so der ehemalige Kanzler aus der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) dann selbstbewusst, seien hervorragend gelaufen. Er habe ein “Superteam” gehabt. Vor allem Karl-Heinz Grasser, so Schüssel, sei ein “ausgezeichneter Finanzminister” gewesen.
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So recht mag man in Österreich freilich nicht mehr an eine glorreiche Bilanz glauben. Jüngst gab Schüssel sein Nationalratsmandat ab, ganz so, als wolle sich da jemand aus der medialen Schusslinie bringen. Anlass dafür gäbe es: Im österreichischen Parlament geht es derzeit hoch her. Das alte Kabinetts-Team ist in allerlei Verdächtigungen geraten: Es geht um Korruption, um Amtsmissbrauch, um seltsame Privatisierungen, um ausgeklügelte Freunderlwirtschaft, wie es im Alpenland gerne euphemistisch heißt. Um eine Supersause einiger weniger Eingeweihter auf Kosten der Republik.

Kaum eine Woche, in der nicht neue Einzelheiten aus dem Seelenleben der Dunkelrepublik ans Tageslicht gefördert werden. Immer wieder kassierte eine klandestine Gruppe im Umfeld von Privatisierungen oder Gesetzesvorhaben ab – das Prinzip nebulöser Geldflüsse durchzieht seit Jahren die politische Landschaft Österreichs. Es ist zu einer Art Leitmotiv verkommen, das auf eine morastige Verquickung von Wirtschaft und Politik, von Lobbyistentum und Interessenvertretern hindeutet, nie gänzlich aufgeklärt, dafür umso übel riechender.

“Eine Gruppe von Halunken hat sich äußerst brutal auf den Weg an die Futtertröge gemacht”, sagt der Wiener Verfassungsrechtler Heinz Mayer. In Österreich “gibt es ein sehr warmes Nest für Korruption”. Die Opposition, allen voran der Grünen-Politiker Peter Pilz, spricht von einer “systematischen Korruption in der Ära Schüssel” und fordert einen Untersuchungsausschuss, der die zahlreichen Fälle unter die Lupe nehmen soll.

Dabei tauchen immer wieder die gleichen Protagonisten auf – viele hatten enge Kontakte zur Rechtsaußenpartei von Jörg Haider, der FPÖ sowie deren Spaltprodukt, dem BZÖ. “Ausgerechnet jene Partei, die in den neunziger Jahren angetreten ist, den Filz und die Vetternwirtschaft der Großparteien zu stoppen, ist bei Skandalen auffallend oft vertreten”, konstatiert der Korruptionsexperte Hubert Sickinger.

Immer wieder spielen staatsnahe Unternehmen eine Rolle: Beispiel Buwog. Infolge der Privatisierung von knapp 62.000 Wohnungen der Bauen und Wohnen GmbH im Jahr 2004 erhielt der in Politkreisen gut vernetzte Lobbyist Peter Hochegger zusammen mit seinem Kompagnon Walter Meischberger von dem bestbietenden Konsortium Provisionen in Höhe von knapp zehn Millionen Euro – ohne ersichtliche Gegenleistung. Meischberger ist Freund und Trauzeuge von Karl-Heinz Grasser. Der war als Finanzminister für den Verkauf der Buwog-Wohnungen, dem größten Immobiliendeal seit Bestehen der Republik, zuständig.

Am Beispiel der Buwog-Privatisierung wird deutlich, wie geschmiert in Österreich mitunter Geschäfte laufen: Da erhält ausgerechnet das Finanzinstitut, bei dem ein Bekannter des Ministers arbeitet, den Zuschlag für die Durchführung der Privatisierung: Lehman Brothers. Schließlich macht ein Konsortium namens Immofinanz mit 961 Millionen Euro das Rennen, indem es den Konkurrenten um nur eine Million Euro überbietet. Die Erstbietersumme war dem Grasser-Freund Meischberger bekannt, so zumindest hat es Peter Hochegger vor der Staatsanwaltschaft ausgesagt. Meischberger dementiert das, er habe die Summe “nicht wissen, nur spüren” können. Auch Grasser sagt, er habe die Informationen nicht weitergegeben. Es habe sich um einen “korrekten Bieterprozess” gehandelt, alles sei “supertransparent” gelaufen.

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