Der Trick des Zampano

Von Siegesmund von Ilsemann

War da was? Gerade mal eine Stunde dauerte das letzte Treffen der designierten Koalitionspartner Rot und Grün. Dann waren die Verhandlungen bereits in der ersten Runde gescheitert. Wegen unüberbrückbarer Differenzen über den Weiterbau der von den Grünen abgelehnten Stadtautobahn A100 gebe es „keine tragfähige Grundlage“ für eine gemeinsame Regierung, ließ der alte und aller Voraussicht nach auch künftige Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit verkünden. Bleibt als einzige „tragfähige“ Alternative ein Bündnis mit der CDU.
Das klingt verdächtig nach einem abgekarteten, ja abgefeimten Spiel des großen Zampano im Roten Rathaus. Im Wahlkampf, am Wahlabend und danach hatte der sich stets um eine klare Koalitionsaussage gedrückt.
Dennoch schien mit dem vorläufigen amtlichen Endergebnis auch die rot-grüne Koalition besiegelt. Die beiden Fraktionen stellen mit zusammen 78 Sitzen die Mehrheit im Berliner Abgeordnetenhaus. Zwar nur zwei Stimmen Mehrheit, aber auf ähnlich knappem Vorsprung wurden anderswo schon Regierungen gegründet.

Die zumindest rechnerische Option, den Stimmvorsprung mit Hilfe der bisherigen Regierungspartei „Die Linke“ stattlich auszubauen, wurde nicht einmal als Möglichkeit diskutiert und beharrlich in allen „Wahlanalysen“ verschwiegen. Fast wichtiger aber noch als die Mehrheit im Abgeordnetenhaus: Die rote wie die grüne Basis verlangte nachdrücklich den Schulterschluss zwischen den beiden Parteien, die auch im Bund bei der Ablösung von Angela Merkel gemeinsame Sache machen wollen. Renate Künast hatte ihre Partei schon lange vor der Wahl eindeutig und unwiderruflich an die Seite der SPD gesteuert, eine Koalition mit der Union ausdrücklich und wiederholt ausgeschlossen. Und auch unter den Sozialdemokraten zeigten alle Umfragen die eindeutige Präferenz für das Bündnis mit der Öko-Partei. Die Große Koalition sahen die Sozis als die unbeliebteste aller denkbaren Optionen an.
Allerdings machte Wowereit aus seiner Abneigung gegen die Künast-Partei, die den Bürgermeister im Wahlkampf und auch davor schon heftig attackiert hatte, nie ein großes Geheimnis. Was also tun, wann sich die eigenen Hoffnungen nicht mit denen der eigenen Anhänger decken? Man sorgt als guter Demokrat dafür, dass die eigenen Wünsche erfüllt werden und zugleich der Eindruck entsteht, man habe sich um die der eigenen Partei bemüht.
Es stand fest, dass die Bündnis-Grünen auf ein Ende des Ausbaus der Stadtautobahn A100 festgelegt waren. Und nach den Erfahrungen in Hamburg, wo sie prompt aus der Regierung gewählt wurden, nachdem sie gleich reihenweise „unverzichtbare“ Positionen geräumt hatten, um für die CDU koalitionsfähig zu werden, stand fest, dass Künast & Co. an dieser zentralen Stelle nicht nachgeben konnten. Wowereit hatte indes seine Parteigremien auf die Verlängerung der A100 eingeschworen.
Zunächst schien es, als sei dieses Problem geschickt entsorgt worden: Die zugesagten 400 Millionen Euro Bundeszuschüsse sollten umgewidmet werden und andere städtische Projekte finanzieren. Doch es war ein fadenscheiniger Kompromiss, mit dem die SPD-Granden Beweglichkeit in Sachen A100 vortäuschten. In Wahrheit wussten sie natürlich, dass der Bundesverkehrsminister seine dazu erforderliche Zustimmung verweigern würde. Als das Ministerium denn auch umgehend die Streichung der Zuschüsse androhte, sollte der Ausbau der Berliner Stadtautobahn gestoppt werden, hielt der gute „Klaus“ den Hebel in der Hand, mit dem er die Partnerschaft mit den ungeliebten Ökos doch noch verhindern konnte, die allen Beobachtern seit der Wahlnacht als sichere Sache galt.
Dass Wowereit trotz dieses grundlegenden Dissenses mit dem Beginn der Koalitionsverhandlungen die Bereitschaft zu Kompromissen andeutete, zu denen er aber offensichtlich gar nicht bereit war, grenzt an Wählertäuschung. Dass er nun gegen den Willen der Mehrheit aller Bürger eine Große Koalition ansteuert, werden künftig womöglich noch mehr Wähler mit Stimmenthaltung beantworten. Wachsende Staatsverdrossenheit ist offenbar keine Problem, dass den Regierenden Bürgermeister umtreibt.

Dieser Beitrag wurde unter Alle Artikel, Politik: Deutschland, STREIT-BAR abgelegt und mit , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.