Herrenriegenromantik: Land der Dichter und Bremser

Von Marion Kraske

Daimler-Chef Dieter Zetsche brachte es vor einigen Wochen auf den Punkt: Er wisse nicht, so der Manager, wo er im Falle einer Frauenquote mit all den Männern hinsolle. In der Tat, ein schwerwiegendes Problem, man muss den armen Mann mit seinen Sorgen verstehen.
Was wie ein schlechter Witz klingt, gar wie kalauerische Satire, meint einer der mächtigsten deutschen Top-Manager, der sonst als ausgewiesen analytischer Kopf gilt, durchaus ernst. Zetsches Zitat ist denn auch wie kein anderes angetan, zu belegen, woran es in deutschen Führungsetagen hapert: An der Erkenntnis, dass sich etwas ändern muss, dass die Zeit der männlichen Monokultur – anachronistisches Überbleibsel einer verstaubten, sich überlegen gerierenden Unternehmensleitidee – vorbei ist und abgeschafft gehört. Aus gesellschaftlicher Verantwortung heraus und aus Gründen der Vernunft.
Keine Frage, der Daimler-Chef mag ein besonders schwerwiegender Fall von Rückwärtsgewandtheit sein, doch mit einigen wenigen Ausnahmen – etwa Telekom-Chef Rene Obermann, der jüngst erst zwei Frauen in seinen Vorstand holte, bekleckern sich auch etliche andere Führer der deutschen Dax-Konzerne nicht eben mit Ruhm.
Mehr zögerlich als überzeugt nannten sie diese Woche in Berlin freiwillige Zielvorgaben für eine stärkere Partizipation von Frauen. Doch wer wollte diese salbungsvoll vorgetragenen Selbstverpflichtungsbekundungen ernst nehmen? Warum sollte das, was jahrelang im internationalen Vergleich sträflich vernachlässigt wurde, nun auf einmal umgesetzt werden, wenn gleichzeitig kein Hehl daraus gemacht wird, dass man die Sinnhaftigkeit einer Frauen-Offensive für die Wirtschaft nicht recht nachvollziehen könne? Zumal die Zielvorgaben für alle anderen Posten gelten sollen, nicht aber für jene Positionen, die tatsächlich relevant sind, dort wo es um Macht und Moneten geht: Die Epizentren der Unternehmen, die Vorstände und Aufsichtsräte.
Nein, der Auftritt war kaum dazu angetan, die bestehenden Zweifel am Willen zur Umkehr zu zerstreuen. Man(n) klebt eben gern an alten Traditionen, an der kuscheligen Herrenriegenromantik, in der man es sich jahrzehntelang hat gut gehen lassen und die man sich von diesen stöckelnden Wesen in Rock oder Hosenanzug nicht so einfach zerstören lassen will.
Dabei ist das manische Festhalten an Althergebrachtem dazu angetan, die Wettbewerbsfähigkeit des Landes langfristig zu schwächen. Denn die Unternehmen umtänzeln ein Kalb, das längst Lähmungserscheinungen zeigt. Angesichts des grassierenden Fachkräftemangels können es sich deutsche Firmen auf Dauer nicht erlauben, die Potenziale von (gut ausgebildeten) Frauen derart sträflich zu vernachlässigen wie das bisher der Fall war. Internationale Studien sprechen zudem eine eindeutige Sprache: Die positiven Wechselwirkungen von gemischten Teams sind längst erwiesen. Unternehmen, die ihre Diversität pflegen, sind der Konkurrenz in der Regel überlegen – der andere Blick, die unterschiedliche Sichtweise und Lebenserfahrung, die verschiedene Menschen einbringen – sie führen zu besseren, zu kreativeren Ergebnissen. Wenn sich Buntheit auch betriebswirtschaftlich auszahlt, liegt der Schluss nahe, dass es tatsächlich keine sachlich begründeten Motive sind, die die deutsche Chefriege bei ihrer Verweigerungshaltung umtreibt, sondern ideologisch-verfestigte. eigennützige Beweggründe. Ihnen geht es um Macht, nicht um Vernunft.
Bei diesen Machtspielchen assistiert ihnen ausgerechnet Frauenministerin Schröder. Sie setzt, anders als ihre Ministerkollegin von der Leyen, die angesichts der Verzögerungstaktik der Wirtschaft vehement eine fixe gesetzliche Quote fordert, naiv auf eine Freiwilligkeit in den Chefetagen, die es bislang gar nicht gibt. Die von Schröder propagierte Flexi-Quote brächte denn auch nicht viel mehr, als dass man gerade mal wieder nett über das Thema geplaudert hat. Was tatsächlich aus den jetzt so treuherzig präsentieren Zahlen wird – wer weiß das schon. Sanktionsmöglichkeiten gibt es nicht – auch das ein Argument für eine fixe Quote – die Unternehmen können ungehindert so weitermachen wie bisher. Während andere Länder wie Frankreich oder Norwegen mit gesetzlichen Frauenquoten bereits in die Zukunft durchgestartet sind, geriert sich Deutschland als Land der Dichter und Bremser.

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