Mal schauen was geht

Von Marion Kraske für Der Freitag

Nur noch die NPD kümmert sich um die Bewohner der trostlosen Plattenbausiedlung in Hagenow. Und ein christlicher Streetworker

Der Untergrund erinnert eher an einen Bolzplatz als an einen Rasen. Die steinerne Sitzgruppe ist von Moos überzogen, Abfall liegt überall auf dem Boden herum. Wenige Schritte weiter steht ein SB-Frischemarkt. „Isch tu gut“, steht mit roter Schrift auf einer Schaufensterscheibe. Fast könnte man meinen, dass die Zeit im Stadtteil Kiez im mecklenburgischen Hagenow seit Jahren stehen geblieben ist. Alles ist grau und unscheinbar.

Ein paar Meter entfernt stehen einige Kiez-Bewohner beisammen: Ein junges Ehepaar, zwei ältere Männer, der eine trägt Wollmütze und Tarnjacke, sein Kompagnon hat einen Händedruck wie ein Seefahrer. Ihre Blicke sind glasig, aus der Tasche schaut eine Bierflasche heraus. Es ist kurz nach elf – Zeit für den morgendlichen Nachbarschaftstreff. Regelmäßig kommen sie hier zusammen, vis-à-vis der Plattenbauten, in denen sie alle wohnen. Kein Bäcker, kein Café, kein Freizeittreff. Ihr Stammtisch ist die windstille Ecke vor dem SB-Markt. …[ mehr ]

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AUFGESPIESST: Kampf um die Heimchenprämie

Gäbe es den Straftatbestand der politischen Untreue, dann stünde die Bundesregierung mit einem Bein im Knast. Warum? Weil das von CSU-Hinterweltlern ausgeheckte Betreuungsgeld ein mindestens so dreister Griff in die Staatskasse ist wie die von der FDP geschenkte Hotelsteuer zu Beginn der Koalition. Das dämmert mittlerweile selbst vielen in der CDU. Und in der FDP halten sich einige Rebellen für besonders pfiffig, weil sie verfassungsrechtliche Bedenken vorbringen. So druckst die Koalition herum, während Merkels Sprecher Seibert in der Bundespressekonferenz patzig den großen Murks verteidigt. Seine Argumentation erinnert an die Starrhalsigkeit der SED-Genossen während der Abenddämmerung der DDR: Das wurde beschlossen, das wird so gemacht. Egal wie sinnfrei die Entscheidung ist. Weiter so! …[ mehr ]

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Griechische Paradoxien: Ran an die dicken Fische!

Von Stergios Papadileris, Rechtsanwalt in Thessaloniki

Griechenland erlebt seit nunmehr über zwei Jahren eine tiefe Rezession. Die Ursachen hierfür sind nicht nur im Land selbst zu suchen, sondern europa- gar weltweit. Die Beispiele von Island, Spanien, demnächst Italien belegen dies eindeutig. Es liegt mir fern, mir weltökonomische Kenntnisse anzumaßen, meine aber dass unser Land heute nicht da wäre, wo es ist, wenn nicht andere „Außenkomponenten“ eine wichtige Rolle gespielt hätten.

Wenn man Gründe für die heutige Misere des Landes sucht, muss man einige Schritte zurückgehen. Man wird dann zunächst in den späten 80er Jahren landen und feststellen, dass die damalige Börsenkrise den Anfang des Endes einläutete. Damals haben die Griechen – an die Ankündigungen des damaligen Premiers Simitis und dessen Wirtschaftsministers Papantoniou glaubend, dass die Börse die 7.000er Marke überschreiten werde – jede müde Drachme, die sie eingenommen haben, an der Börse „verspielt“. Natürlich sind dabei Milliarden verloren gegangen, Heute krebst die griechische Börse nach wie vor an der 1.200er Marke herum… …[ mehr ]

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AUFGESPIESST: Frühjahrsputz – Alle müssen raus!

Deutschland lüftet durch. Die Bildzeitung hat die nackten Mädchen von der Seite 1 verbannt und Sat1 schmeißt Harald Schmidt raus. Der hat seit Jahren debil grinsend vorgemacht, wie man nacheinander diverse Sender ausplündern kann, indem man als alternde Karikatur seiner selbst Witze vorträgt, über die nicht mal lachen kann, wer vorher auf Senderkosten mit Gratissekt abgefüllt wird, bis er nicht mal mehr den Vornamen von der Omma weiß. Journalisten mochten den Harald, den sie „Dirty Harry“ nannten, weil sie sich in seinem spießigen Zynismus wieder erkannten und er so schön auf den bösen, bösen Gutmenschen mit ihrer political correctness rum hackte, wenn er Polenwitze erzählte. Wenn er mit Playmobil-Figuren deutsche Klassiker nachspielte, hielten sesselpupsende Feuilletonisten das für anarchische Kunst. Wenn Harald Schmidt beim Deutschen Reporterpreis als Juror verkündete, die Reportagen gar nicht gelesen zu haben, die er auszeichnen sollte, weil er sich mit dem ganzen Elend nicht belasten wolle, klopften sich Deutschlands selbsternannte Elite-Journalisten auf die Schenkel. Nein, was ist der wieder gut drauf, der Harald. Anschließend schleimten und buckelten sie sich ran an seinen Bankett-Platz, auf dass ein wenig von seinem vertrockneten Promiglanz auf sie abblättere. Schon zu ARD-Zeiten bestand der Reiz seiner Sendung nur noch darin, ihm beim Verfall zuzusehen. Nu is er weg. Hoffentlich für immer. …[ mehr ]

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Waschlappen-Journalismus

Von Michael Kraske

Regelmäßig packt mich im Zeitschriften-Laden dieser Wonne-Hass. Dann kann ich es nicht lassen und blättere doch wieder in den knallbunt eingeschlagenen Magazinen mit den Ganznatürlichbloßnichtzusexy-Großstadtgören und den Vollbart liebt Angeschlamptmädchen-Paaren auf den Covern. Besondere Abscheu produzieren die Titelgeschichten von Neon und Nido. Die heißen: Guter Job oder große Liebe? Und auch: Wie geht streng sein? Die beiden Magazine sind die Fortsetzung der WG-Küche mit publizistischen Mitteln. Buchstaben und Bilder gewordene Teemischungen. Journalistischer Eskapismus. Weil man zu großen Fragen und gesellschaftlichen Prozessen nix zu sagen hat, aber trotzdem unheimlich pfiffig ist, macht man halt das, was man abends beim Rotwein und Cook with friends auch macht: Man analysiert sich selbst, ist total reflektiert, was Job, Freunde, Partner und Eltern angeht. Die Welt von Neon und Nido ist die Seifenoper der niemals erwachsen werdenden Großstadtmenschen, die sich genüsslich um sich selbst drehen und jeden Befindlichkeitspups zur Sinnfrage aufblasen. …[ mehr ]

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AUFGESPIESST: Von Tyrannen und Idioten

Ja, wie hätten´s denn gern, Herr Döring? Wie stellen Sie sich denn den Politzirkus so vor? Als Dauerabo für schwächelnde und inhaltsleere Parteien? Als in Beton gegossene Veranstaltung, in die keiner von außen mehr hinein darf, selbst, wenn das eigene bescheidene, an der Wahrnehmungsschwelle dahin vegitierende Pflänzlein namens FDP augenscheinlich nichts mehr so recht auf die Beine bringt? Schon gar nicht die holde Wählerschaft?

Raus also mit diesen Ganoven, die sich (Piraten-)Partei schimpfen und doch nichts weiter sind in Ihren Augen als ein Rudel dahergelaufener Netzidioten, die durch Zufall jetzt auch mal in der hohen Politik mitmischen? Dieser Plattform, die ja eigentlich für vier Parteien, Ihre Partei natürlich inbegriffen, auf Ewigkeiten reserviert schien. IHR Terrain sozusagen, für immer und ewig. Und nun das. …[ mehr ]

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Die Moral der Anderen

Von Marion Kraske

Bernadette Knecht, Leiterin einer Kindertagesstätte nahe Königswinter, hat sich schuldig gemacht. Zumindest aus der Sicht der Katholischen Kirche. Sie trennte sich von ihrem Mann und lebt seither mit ihrem Lebensgefährten zusammen – ausgerechnet dem Vorsitzenden der örtlichen CDU-Fraktion. Was für ein Frevel.

Den Kirchenmännern jedenfalls, in dem Falle Udo Maria Schiffers, Pfarrer in Königswinter bei Bonn, reichte es. Er feuerte die blonde Pädagogin der bis dahin katholisch geführten Kita. Ehebruch ist aus Sicht der Kirche nach wie vor ein schlimmes Vergehen. „Wo katholisch drauf steht, muss katholisch drin sein“. So lautete lapidar die Begründung.
Basta. …[ mehr ]

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Demokratie durchlüften

Von Marcus Müller

Ernst Gottfried Mahrenholz | Foto: © Marcus Müller

Ernst Gottfried Mahrenholz | Foto: © Marcus Müller

In der Politik ist gerade Frühjahrsputz, jedenfalls im Schloss Bellevue. Der neue Bundespräsident Joachim Gauck tritt dort an, um die von seinem Vorgänger auf dem Amt hinterlassenen Schlieren wegzupolieren. So nötig das ist, und so schön auch, dass es mal wieder einen Bundespräsidenten gibt, der – hoffentlich nicht nur konservativ-triefende – Reden halten kann: Die Debatte um die „Würde des Amtes“ hatte zum Schluss schon etwas seltsam Formalistisches.

Da wurden ein Amt und eine Funktion zum Teil angebetet, als ob es um Wunderheilung ginge. Es ist nach diesem ganzen Ämter-Fetischismus dringend nötig, die Demokratie auch materiell mal wieder deutlich aufzupolieren: Es ist Zeit für Volksentscheide auf Bundesebene. …[ mehr ]

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Ashton und der Geist des Antisemitismus

Von Marion Kraske

Noch zu retten? Da fährt ein bewaffneter Täter gezielt vor eine jüdische Schule in Toulouse, morgens um 8 Uhr, wenn Kinder und Lehrer dort eintrudeln, eröffnet das Feuer, schießt erst den Lehrer nieder, dann geht er auf das Schulgelände und ballert dort wahllos um sich, drei Kinder sterben. Ein Alptraum.
Es war nicht irgend eine Schule, die sich der Täter ausgesucht hatte, es war die staatliche jüdische Schule, die unweit der Holocaust-Gedenkstätte „Memorial de la Shoah“ liegt.
Tage zuvor waren – mutmaßlich vom selben Täter – drei Soldaten aus Nordafrika getötet worden. Nach den deutschen Rechts-Terroristen hat auch im Nachbarland ein Terrorist mit extremistischer Gesinnung zugeschlagen. Es ist, wie hierzulande auch, ein Anschlag auf die innere Verfasstheit Frankreichs. …[ mehr ]

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Österreich: Wut. Mut. Tut. Gut.

Von Anneliese Rohrer, Wien, Publizistin und Begründerin der Bewegung Mutbürger-Innen

„Wutbürger“ sind ein Begriffexport der Bundesrepublik Deutschland nach Österreich. Das „Wort des Jahres“ 2010 ließ sich anfänglich schlecht in der Alpenrepublik verkaufen, was nicht weiters verwundern sollte, entstand es doch in der Protestbewegung Stuttgart 21. Und weder mit Protesten noch Bewegung haben die Österreicher mehrheitlich viel am Trachtenhut.
Außerdem beschreibt „Wut“ eine sehr heftige Emotion. Auch dieser lassen Österreicher nicht sehr gerne und häufig öffentlich Lauf. …[ mehr ]

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