Von Marion Kraske
Das Datum sitzt: Deutschland gedachte dieser Tage wieder der „Reichspogromnacht“, jener unheilvollen Nacht, in der Synagogen und Geschäfte brannten, in der die Nazis und ihr willfähriger Mob alles kurz und klein schlugen, was jüdisch oder vermeintlich jüdisch war. Es war der krachende Auftakt zu einer Gewaltherrschaft, während derer rund sechs Millionen Juden ermordet wurden. An solchen Gedenk- und Feiertagen rafft sich die deutsche Öffentlichkeit auf, um an das dunkle Kapitel der Naziherrschaft zu erinnern. Man ruft ins allgemeine Bewusstsein, dass dieses Land einst antrat, Menschen in Herrschende und Untermenschen einzuteilen, Länder zu überfallen, Leben millionenfach auszulöschen.
Und darüber hinaus? Herrscht Ermüdung. Wie oft sitzt man mit Vertretern des sogenannten Bildungsbürgertums zusammen und vernimmt selbst hier immer wieder das gleiche Lied. Man könne es nicht mehr hören, irgendwann müsse ja auch mal Schluss sein. Die Tätergeneration habe gebüßt, nun aber sollten die Kinder und Kindeskinder mit dem ewigen Schuldgeheule in Frieden gelassen werden. Die Moralkeule, die Walser vor etlichen Jahren so wortgewaltig beschrie, hat sich in den Köpfen festgesetzt. Genug ist genug, so das ewige Mantra jener, die meinen, sie hätten, WIR alle hätten längst zu viel gedacht. …[ mehr ]