Schöner färben mit Schwarz-Gelb

Von Marion Kraske

Berichte haben eine ganz einfache Funktion: Sie sollen darüber Kenntnis geben, wie eine Situation sich zu einem Zeitpunkt X darstellt. Der Polizeibericht bildet danach die sicherheitsrelevante Lage vom Tag ab, ein Krankenbericht beschreibt den Krankenzustand eines Patienten. Der Armutsbericht der Bundesregierung zeichnet ein klares Bild darüber, wie sehr Menschen hierzulande von Armut betroffen sind. Eigentlich.
Das mit dem klaren Bild ist nun im Falle des aktuellen Armutsberichts so eine Sache. Statt Klarheit verfolgt die Bundesregierung augenscheinlich ein ganz anderes Ziel: Pimp our Armut!

Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, wurden kritische Passagen aus dem ersten Entwurf des Berichts, der in den kommenden Wochen vorgestellt werden soll, komplett getilgt. Das ist nicht nur skandalös, das sagt auch viel aus über die Haltung und den Zustand dieser Regierung, die es augenscheinlich für notwendig erachtet, aus einem Armutsbericht eine PR-Veranstaltung in eigener Sache zu machen.

Neben anderen Auslassungen fehlt in der Einleitung auch ein Satz, der wahrlich kein Geheimnis mehr birgt: “Die Privatvermögen sind in Deutschland sehr ungleich verteilt.” Dass derart zutreffende Botschaften schon nicht mehr gedruckt werden dürfen, spricht für sich. Die FDP, der diese Streichung zugeschrieben wird, fröhnt augenscheinlich lieber ihrer Besserverdienerklientel, die zunehmende soziale Spaltung – für Liberale dagegen offenbar eine Mär. Dass sich Hunderttausende in Deutschland mit Minilöhnen abfinden müssen und ihre Familien nicht mehr mit diesen prekären Arbeitsverhältnissen ernähren können, ist der Bundesregierung anscheinend lästig.

Was nicht sein darf, darf eben nicht sein. Also fort damit, da können Daten und Fakten der Sozialverbände eine noch so klare Sprache sprechen. So konstatierte der Paritätische Wohlfahrtsverband im vergangenen Jahr eine “Verhärtung der Armut” auf hohem Niveau. Danach waren im vergangenen Jahr 12 Millionen Menschen armutsgefährdet. Der deutschen Wirtschaft gehe es gut, so die Erkenntnisse des Wohlfahrstverbandes, bei den unteren Einkommensschichten kämen diese Impulse aber nicht an. Selbst in Zeiten starken Wachstums in den Jahren 2006, 2007 sowie 2010 ging die Armut danach nicht zurück.

Derartige Tatsachen sind entschieden zu negativ, zu destruktiv für Schwarz-Gelb. Die Streichungen und Auslassungen im frisierten Bericht, die zwischen einzelnen Ministerien und Ebenen des Berliner Kabinetts vorgenommen wurden – auch das Kanzleramt hatte an einigen Stellen etwas zu kritteln – nennt Regierungssprecher Steffen Seibert bezeichnenderweise „einen ganz normalen Vorgang“.

Danach ist es für das Merkel-Kabinett also normal, unangenehme Realitäten auszublenden. Das Prinzip ist altbekannt: Man nennt es nach Reichsfürst Potemkin, der einst der Erzählung nach für seine geliebte Herrscherin, die Zarin, mit Hilfe eigens angefertigter Häuserattrappen den Weg ihrer Reiseroute künstlich aufgepeppt haben soll. Keine Frage: Merkels Mannschaft übt sich in potemkinscher Rosarotmalerei, sie zeichnet blühende Landschaften, wieder einmal. Das Ganze passt ins Bild. Denn fast manisch strickt die Merkel-Truppe mit Blick auf die nächste Bundestagswahl bereits an ihrem eigenen Mythos. Ihre Regierung sei die erfolgreichste seit der Wiedervereinigung, lobhudelte die Kanzlerin jüngst bei der Haushaltsdebatte im Bundestag. Potemkin glaubte auch an seine Pappmache-Realität.

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