Von Marcus Müller
In der Arktis schmilzt das Eis so schnell wie nie zuvor. Doch jetzt gibt es ein wirksames Mittel gegen die Erderwärmung: Erika Steinbach. Die Aussagen der Präsidentin des Bundes der Vertriebenen (BdV) sind so eiseskalt – man setze die CDU-Bundestagsabgeordnete einfach mal eine Stunde auf dem Petermann-Gletscher ab und schon bildet sich kilometerweit um sie herum dickes, solides Eis. Warum? Eine Politikerin, die es allen Ernstes fertig bringt, in einem Interview Zuwanderer dafür verantwortlich zu machen, dass sich der Rechtsradikalismus in diesem Land ausbreitet, eine Politikerin, die auch noch sagt, es gebe Menschen erster und zweiter Klasse, in diesem Falle (syrische) Christen, denen es „vor allen anderen“ zu helfen gelte, und Nicht-Christen, so eine Politikerin muss als Eismaschine einfach eine Wucht sein. Wen stört da das Einteilen nach Ausbeute? „Nur diejenigen dürfen kommen, die unserem Land nützen“, sagt Steinbach, „oder die wirklich verfolgt sind“. Letzteres zu beurteilen fällt Meinungshabern vom Kaliber Steinbach natürlich nicht schwer. Genauso wenig, wie Würde und Wert eines Menschen an was zu knüpfen? Das Absingen der Nationalhymne auf dem Fußballplatz, was sonst.
Darüber hinaus wäre das aktuelle FAZ-Gespräch natürlich kein FAZ-Gespräch, wenn Steinbach nicht noch ein bisschen Begriffe-Umdeuten betreiben würde. „Menschen sind geborene Mitläufer“, sagt die CDU-Frau. Es ist bestimmt kein Zufall, dass sie den Begriff Mitläufer, der sonst üblicherweise für Nazi-Mitläufer der Hitlerzeit benutzt wird, mal schön davon lösen möchte, um ihn für den heutigen, laut FAZ „homogenen politischen Mainstream“ zu verwenden. So lässt sich alles relativieren.
Und richtig, wer schon öfter mal etwas von Frau Steinbach gelesen hat, den überrascht, dass sie nicht schon früher als ultimative Klimaretterin im Gespräch war. Hat sie doch selber kürzlich zu den in der Kälte demonstrierenden Asylbewerbern am Brandenburger Tor getwittert: „Wer sich freiwillig aufs Pflaster legt und alles an Hilfen ignoriert die es in D gibt, friert auch freiwillig.“ Das fiel ihr ein, nachdem die Polizei den Demonstranten Isomatten und Schlafsäcke weggenommen hatte.
Das kristallklare Fazit des Westentaschen-Psychologen kann folglich nur lauten: Frau Steinbach möchte geradezu darauf hinweisen, dass dort, wo bei anderen Menschen ein Herz sitzt, bei ihr eine Eismaschine rotiert. Und die spuckt zuverlässig extra kalte Kristalle aus, so viele, dass sie sogar ausreichen, den anerkannten CDU-Stahlhelm-Politiker Alfred Dregger (✝) aus Hessen, Besucher eines humanistischen Gymnasiums, NSDAP-Mitglied, viermal verwundeter Weltkrieg-II-Hauptmann und einst Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag – was zu nennen? Ein Vorbild.
Machen wir uns das endlich zunutze. Retten wir mit Erika Steinbachs Herz-Ersatz das Klima. Schon ein Satz von ihr sichert das Überleben eines süßen, kleinen, tapsigen Eisbären-Jungen!
Daher bekommt Frau Steinbach hier, tata!, Premiere: ein Plus in der B-Note, weil sie sich offensiv für eine sinnvolle Politiker-Zweitverwertung einsetzt.
Zeigen Politik, Gesellschaft, Medien und PR-Salat-Verkäufer ausreichend Grazie, wenn sie ihre Tätigkeit in Wort, Schrift, Bild und Hosenanzug ausführen? So wie das für Eiskunstläufer festgestellt wird, will Marcus Müller das in seiner Kolumne B-NOTE über unser Öffentlichkeitspersonal für den debattiersalon herausfinden. Sachdienliche Hinweise gerne an b-note@marcus-mueller-berlin.de. Zugegeben: Die taz war mit ihrer Dachzeile für die Olympia-Berichterstattung 2012 schneller mit der B-Note; aber, hey, das waren die Sprinter aus der Sportredaktion!
