Von Marion Kraske
Es ist ein seltsames Motiv, dass sich seit der Krim-Annexion durch Russland immer wieder durch die öffentliche Debatte zieht: Kritisiert werden vor allem jene mit Schärfe, die es wagen, Kritik am Kreml-Potentaten üben.
Dieser Tage hat Heribert Prantl die Worte von Bundespräsident Gauck gegenüber Putin kritisiert. Das Vorgehen des Staatsoberhautes, der zum 75. Jahrestag des Beginns des 2. Weltkrieges auf der polnischen Westerplatte sprach, dort, wo das grausame Gemetztel, das dann folgte, seinen verheerenden Verlauf nahm, sei „nicht klug“, schlicht unbesonnen, so Prantl in der SZ. Und: Ein Bundespräsident habe schließlich eine andere Rolle als ein Nato-Generalsekretär. Es sei nicht an ihm, verbal aufzurüsten.
Dass es Putin ist, der seit Monaten aufrüstet, dass er den Westen vorführt, wo er nur kann, dass er nach der völkerrechtswidrigen Einverleibung der Krim nun die Ostukraine gezielt ins Visier seiner machtpolitischen Gelüste nimmt, scheint einigen Kommentatoren noch immer nicht leicht über die Lippen zu kommen. Aufrüstung – wer, wenn nicht Putin betreibt sie, wenn er neuerdings von einem “Neurussland” fabuliert und damit ganz zweifelsfrei neue (alte) russische Interessenssphären absteckt?
Ist es angesichts solcher Aufrüstungen nicht angebracht, einmal Ross und Reiter zu nennen? Auch von einem Bundespräsidenten? Gauck hat schließlich nicht irgendeinen Ort für seine Worte gewählt, sondern jenen historischen Ort, an dem die Salven des deutschen Linienschiffes Schleswig-Holstein die dunkelste Periode deutscher Geschichte einläutete. Polen, das mit dem Hitler-Stalin-Pakt von 1939 von Russland und Deutschland in Interessensphären aufgeteilt worden war. Der Rest ist bekannt. …[ mehr ]