AUFGESPIESST: Nächstenliebe – Landtag gewährt Neonazis Asyl

Von Michael Kraske

debattiersalon | Aufgespiesst | Logo: Katharina Greve © 2013Sachsen, das ist ja das Land, in dem man als untergetauchter Neonazi-Mörder 13 Jahre lang leben kann, ohne von hochgelobten Nazijägern wie der Soko Rex aufgespürt zu werden. Diese spezielle Gastfreundschaft des Landes, das die CDU gern „Freistaat“ nennt, ist nun um ein weiteres Kapitel reicher. Nach einer Kundgebung der NPD versammelten sich etwa 40 Neonazis vor dem Landtag in Dresden, wo auch Gegendemonstranten aufmarschierten. Daraufhin organisierte der zuständige Polizeiführer flugs ein vorläufiges Asyl für die Neonazis im Landtag. Macht hoch die Tor, die Tür macht weit, heißt es ja schon in einem christlichen Gassenhauer. Und da wollte sich die Landtagsspitze nicht lumpen lassen und gewährte den Feinden der Demokratie rasch gelebte Nächstenliebe und nahm sie auf in ihre demokratischen Hallen. Zwar gibt es im sächsischen Landtag eine Hausordnung, die Nazi-Kleidung verbietet, aber um Gutes zu tun darf man nicht päpstlicher sein als der Papst. So kamen die eingelassenen Neonazis zu einem unverhofften Ortstermin in der Institution, die sie gern abschaffen würden. Man muss ja schließlich wissen, wogegen man ist und wie viel man beseitigen muss, wenn man kann wie man will.

Zwar erklärte Dresdens Polizeipräsident anschließend, er selbst wäre in der Situation nicht auf die Idee gekommen, beim Landtag um Einlass für die Demokratieverächter zu bitten. Dagegen konnte Landtagspräsident Matthias Rößler von der CDU die Aufregung um das Nazi-Asyl gar nicht verstehen. Die Forderung der Opposition nach einer Sondersitzung des Präsidiums bügelte er barsch mit dem Hinweis ab, das könne man gern nach der Tagesordnung erörtern. Also irgendwann nachts mal. In Sachsen fühlt man sich immer mal genötigt, nach versteckten Kameras zu suchen, weil man meint, in eine Reality-Soap geraten zu sein. Ein Bundesland spielt Königreich. Ein Jugendpfarrer, der schon Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe die Stirn bot, wird inbrünstig als Landfriedensbrecher verfolgt. Die Revisionsverhandlung gegen eine militante Neonazi-Kameradschaft wie Sturm 34, die ihre Opfer beinahe tot prügelte, vergisst man aber schon mal ein paar Jährchen. Immer was los in Sachsen. Wenn ich Nazi wäre, ich würde auch in Sachsen Asyl suchen.

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