Vulgär-Publizistik: So sind sie, die Spaghettis

Von Ernesto Laraia, international tätiger Trainer und Coach für interkulturelle Handlungskompetenz

Spaghetti eben

Der Spiegel-Autor Jan Fleischhauer hat in einem Artikel jüngst die Verfehlungen des Kapitäns der Costa Concordia, Franceso Schettino, zum Anlass genommen, um über das Italienische an und für sich zu philosophieren. Das Ganze, veröffentlicht unter dem Titel „Italienische Fahrerflucht“, ist ein Dokument der Peinlichkeit. Der Autor versucht nicht einmal den Ansatz einer seriösen Analyse, stattdessen ergeht er sich in billigem Nationen-Bashing. Italien als Deppennation. Der Stammtisch lässt grüßen.
Schauen wir uns die rassistisch durchwirkten Äußerungen im Einzelnen an: „Man kennt diesen Typus aus dem Strandurlaub: Ein Mann der großen Geste und sprechenden Finger. Im Prinzip harmlos, man sollte ihn nur nicht zu nahe an schweres Gerät lassen, wie sich zeigt.“

Fleischhauer meint Schettino – er meint aber auch den Italiener. Mehr noch: Die Italiener schlechthin. Große Geste, sprechende Finger – nur eben unfähig. Unfähig für schweres Gerät, für die große, verantwortungsvolle Sache. Die Verfehlungen eines Einzelnen werden so als Charakterisierung für eine ganze Nation herangezogen. Einer für alle. Man nennt das Sippenhaft. So werden Legenden gezimmert, von überlegenen Völkern (natürlich den Deutschen) und unterlegenen, den unfähigen (Italienern). So einfach. So dumm.

Da haut einer drauf, lädt seinen Frust ab, um sich seine Meriten zu verdienen – die Klickraten sollen steigen, der Mann will sich als unbequemer Querdenker positionieren. Als Thilo Sarrazin des simplen Schnellschuss-Journalismus. Doch woher kommt dieser Italienhass, der eigentlich für Deutsche untypisch ist? War die Pasta beim Lieblingsitaliener nicht al dente, der Wein zu wässrig? Gab es im letzten Urlaub in Italien zu wenig Freundschaftsbekundungen gegenüber dem blassen Jüngling aus dem Norden? Oder fühlte sich der Autor durch ungehöriges Benehmen eines muskulösen Strandpapagallos in seiner Ehre (welcher nur?) gekränkt?

Fleischhauer schwadroniert weiter: „Bella figura ist der italienische Volkssport, bei dem es darum geht, andere zu beeindrucken.“ Zugegeben, dieses gockelhafte Gehabe lässt sich durchaus beobachten, sicherlich gibt es Teile der italienischen Bevölkerung , die „bella figura“ machen wollen. Es ist mir jedoch nach vielen Stranderfahrungen in vielen Kulturen neu, dass dieses Verhalten lediglich Ausdruck eines typisch italienischen Pfauengehabes sei. Eher scheint doch das Werben um Geschlechtspartner ein menschliches, kulturübergreifendes Bedürfnis zu sein.

Auch in Deutschland gibt es etliche Prachtexemplare, die sehr wohl auf Äußeres und Wirkung abzielen. Und versucht nicht auch Fleischhauer mit seinem Habitus des Agent Provocateurs ebenso „bella figura“ zu machen? Wenn auch auf ganz andere Art und Weise? Ohnehin scheint es befremdlich, sich freiwillig als „brutta figura“ darzustellen. Wer will schon freiwillig nicht seine beste Seite zeigen? Und so punktet der Autor auch hier wieder mit lächerlichen Verallgemeinerungen und dummdreisten Allgemeinplätzen, die lediglich auf einzelnen touristischen Betrachtungen am Strand beruhen – rapido werden sie zum sinnstiftenden Merkmal einer ganzen Nation erhoben.

Schon Thilo Sarrazin machte vor, wie leicht eine gesellschaftliche Gruppe, in dem Falle die Muslime, mit banalen und mitunter falschen Beobachtungen stigmatisiert werden kann. Er konstruierte ein Deppen-Gen der Muslime, Fleischhauer nimmt nun die Deppennation Italien aufs Korn.

Rassistische Untertöne wirken auch an anderer Stelle durch, wenn Fleischhauer von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Länder spricht: Das vermeintlich potente Deutschland hier und die Gurkentruppen im Süden Europas dort. Fleischhauer versucht, in guter alter Tradition, das superiore Deutschtum zu präsentieren. Peinlich, dass ausgerechnet der Spiegel für derart provinzielles Denken eine Plattform bietet.
Gerade vor dem Hintergrund der schrecklichen Mordserie an türkischen und griechischen Bürgern durch fanatische Rechtsterroristen ist die Verbreitung abgedroschener Klischees weder hilfreich noch anständig. Im Zusammenleben der Kulturen, in einem vereinten Europa, bedarf es eines Klimas der Toleranz, nicht aber einer gezielten Erhöhung der einen Kultur gegenüber der anderen.

Seit Jahren bin ich als Trainer und Consultant in der internationalen Personalentwicklung tätig. International agierende Firmen haben erkannt, dass bunte Belegschaften im globalen Business Erfolgsfaktoren sind. Insbesondere in der deutsch-italienischen Zusammenarbeit existieren zahlreiche Chancen auf Synergien durch die Nutzung unterschiedlicher Herangehensweisen, Lösungen lassen sich so effizienter finden, neue Ansätze entwickeln, die den nationalen Denk- und Arbeitsweisen überlegen sind.

Dabei geht es – im Unterschied zu den Verunglimpfungen des Herrn Fleischhauer – um unterschiedliche Tendenzen der deutschen und italienischen Kulturen. Es geht nicht um ein besser oder schlechter, sondern um ein anders. Wenn Deutsche und Italiener sich gegenseitig respektieren und sich offen anderen Herangehensweisen gegenüber zeigen, können sich neue Denk- und Arbeitskulturen entwickeln. Es bildet sich eine deutsch-italienische Kommunikations- Innovations- und Führungsexzellenz heraus. Wie so etwas aussehen kann? Nehmen wir als Beispiel das meisterhafte Team von Schumacher-Ferrari.

Ernesto Laraia hat einen binationalen Familienhintergrund und ist Direktor für Internationale Personalentwicklung bei der Unternehmensberatung Dr. Kraus und Partner.

Dieser Beitrag wurde unter Alle Artikel, Medien, STREIT-BAR, Unsere Pappenheimer abgelegt und mit , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

7 Antworten auf Vulgär-Publizistik: So sind sie, die Spaghettis

  1. Astrid Radtke sagt:

    Jan Fleischhauer könnte gut der Schwiegersohn von Sarrazin werden – so er eine Tochter hätte. Was mich wundert, dass der Spiegel jemanden schreiben lässt, der so sehr am rechten Rand zu verorten ist. Sicher lässt er sich auch als Gegenpol zu Augstein sehen, der eher linksliberal ist. Denn immerhin gehört er ja gewissermaßen zum Haus.

    Nur die Einklopfen gegen die schwachen Südländer ist mehr als billig. Wir haben genug Dreck vor der eigenen Haustür. Korruption ist in Deutschland nicht selten und damit hat es auch in den Regierungen im Süden angefangen.

    Außerdem habe ich insgesamt ein Problem, wenn irgendwelche Menschen scheinbar gleicher Herkunft über einen Kamm geschoren werden.

  2. Sven Uenkelmann sagt:

    Herrlich, dass jemand diesem Apologeten der intellektuellen Diarrhoe aufs Maul haut – verbal. Zum Querdenker, als der sich Fleischhauer so gerne geriert, fehlen ihm ganz wesentliche Ingredienzien – die Gedanken nämlich. Was übrig bleibt sind wichtigtuerische Attitüden, provozierende Plattheit und ein zwanghaftes “Beinheben” an allem, was diesem Schmalspur-Rechtsaußen als “links” erscheint. Jämmerlich, dass sich ein einst angesehenes Magazin wie der Spiegel solche Dünnbrettbohrer leistet.

    • Marion sagt:

      @Sven Danke für das Feedback. Wir freuen uns, dass Dir unser Beitrag gefällt. Das unreflektierte “Beinheben” Fleischhauers mit höchst zweifelhafter Ausrichtung hat augenscheinlich den alleinigen Zweck: Die Zugriffraten zu erhöhen. Inhalt? Egal!

  3. redskin sagt:

    ach Leute, Hört doch auf mit dem PC-Unsinn. Der Artikel ist einfach nur witzig und trifft doch einen Nerv. Wir alle kennen doch den Machohaften und inkompetenten Italiener. Was hilft denn da bitte das leugnen? Ein Volk die einen Berlusconi seit Jahrzehnten wählt, indem die Mafia so offensichtlich das Sagen hat usw.. braucht sich doch gar nicht zu beschweren wenn man sich über die lustig macht. Wie wäre es wenn man diese Energie dazu nutzt das eigene Land mal in Ordnung zu bringen? Italiener sind eben als inkompetent, machohaft, unfähig, korrupt, kriminell usw.. verschrien. Und das nicht nur in Deutschland. Mittlerweile verursacht das Wort Italiener doch sofort ein kleines Schmunzeln oder nicht? Ist Fleischhauer jetzt auch da dran Schuld?

  4. redskin sagt:

    und noch was, wart ihr schon mal auf dem Oktoberfest? Da sind doch alle Nationen versammelt. Wollt ihr mir ernsthaft erzählen das man die Italiener da nicht sofort aus der Menge erkennen kann? Kleiner Tipp: das sind die die sich gegenseitig die Hühnerknochen aus dem Hendl in die halbvolle Maßkrüge rein schmeißen :D

  5. George sagt:

    Sorry, redskin, wenn ich solch billige, verallgemeinernde und obendrein höchst durchsichtige Pamphlete wie die von dir lesen muß, wird mir übel. Man (gemeint sind vermutlich die in gewissen Kreisen verschrienen “Gutmenschen”) solle mit dem PC-Unsinn aufhören…kommste von PI? Dort wärste gut aufgehoben.