Sexisten und Extremisten vereinigt euch!

Von Marion Kraske

Vor einigen Tagen habe ich hier im Salon geschrieben, dass es wunderbar ist, dass die Piratenpartei existiert, dass sie Erfolge hat, Wind in die bundesrepublikanische Stube bringt. Dem politischen System der Republik tut es gut, wenn sich eine junge Kraft anschickt, das ewige Einerlei aufzumischen. Wenn junge Politiker die ansonsten eher schablonenhaft agierenden und sprechenden Vertreter des politischen Standes heraus fordern und in ihrer gesamten Schablonenhaftigkeit (und Inhaltsleere) auf die Plätze verweisen – etwa die am Boden liegende FDP.

In der Innenperspektive allerdings stehen die Piraten immer fragwürdiger da.
Nicht nur, dass sie inhaltlich fast nichts zu bieten haben. Nach der Berlin-Wahl, bei der die Piraten zum ersten Mal reüssierten, war von Auseinandersetzungen um Posten, von Streits um Büros die Rede. Sogar ein professioneller Schlichter wurde angeheuert. Hej ho!

Dass sich die Piraten in etlichen Fällen aufs Messer bekriegen, dass es um Rufmordkampagnen geht, die ausgetragen werden – ok, das ist der mangelnden Professionalität geschuldet, in anderen Zirkeln wird vieles ebenso scharf, nur eben hinter verschlossenen Türen verhandelt.
Doch insgesamt ist das alles erbärmlich wenig, hier ein Statement, da ein Gegenargument, gelebte Dialektik, wie schön. Nur eben der Inhalt, die handfesten Vorschläge, die Visionen – das alles fehlt. Außer “Transparenz” und “Basisdemokratie” kommt da herzlich wenig. Das meinen sie also mit der neuen Politik, die sie verkünden, mit der neuen Kraft, die uns ereilen soll? Alle Achtung, das wird die deutsche Politik revolutionieren.

Dass sich bei den Piraten die „Tyrannei der Masse“ artikuliert, wie FDP-Generalsekretär Döring jüngst urteilte, ist wohl weniger das Problem der Partei als das von Dobrindt selber. Heikel aber sind neben dem fehlenden Inhalt und mangelhaft professionellem Auftritt jene Erscheinungsformen, die tatsächlich mal mit Inhalt aufwarten – wenn auch mit diskreditierendem.

Da werden Frauen mal als zu hübsch bezeichnet, um Positionen auszukleiden oder gar Ansehen zu erwerben, da gelten sie als untauglich für Stammtische, dann wieder sollen sie so „richtig hart durchgefickt werden“. Es ist Sexismus in Reinkultur, der sich hier offenbart.

Selbst Piratenmitglieder monieren, dass nichts passiert. Keine Konsequenzen. Keine klare Positionierung. Vor allem: Keine Abgrenzung. Weibliche Diskriminierung – für die Mehrheit der Piraten schient das kein Problem zu sein. „Post-gender“, wie das so schön heißt, sollte eigentlich die Losung der Stunde sein. Kein Unterschied, ob Männlein oder Weiblein, alle gleich und gut. Doch nun kommt er eben auch bei den Piraten durch, der breitbeinige, selbstgefällige Machismo, nicht verdruckst, sondern dank der vielgepriesenen Transparenz noch breitbeiniger als anderswo.

Und auch offener Rassismus – für die ach so frische Bewegung kein Problem. Hier eine kleine ausländerfeindliche Tirade, da eine Ressentiment getragene Spitze. Und – wie so oft in gesellschaftlichen Diskussionen – werden sie nicht als Problem angegangen, sondern als Einzelfall bagatellisiert. Man ist ja schließlich so schön anders.

Geradezu unerträglich ist die Tatsache, dass die Piraten augenscheinlich Kristallisationspunkt für Akteure mit rechtsextremen Überzeugungen sind. Braune Socken wie Bodo Thiesen, der 2008 die kruden Thesen der Holocaustleugnung vehement verteidigte, zeigt das wahre Problem einer Partei auf, die außer ihrer Andersartigkeit und Unprofessionalität augenscheinlich nichts aufzubieten hat als ihr mangelndes Wertegerüst.

Der Freisinger Kreisvorsitzende Valentin Seipt war zuvor zwei Jahre lang Mitglied der NPD. Und vor wenigen Wochen twitterte Kevin Barth, Pirat in Heidenheim: „ok, ich bin also antisemit, weil ich die israelische kackpolitik und den juden an sich unsympathisch finde, weil er einen sinnlosen krieg führt“. Zwei Wochen später wurde der braune Sprücheklopfer zum Kreisvorsitzenden gekürt. Immerhin: In Hannover entzog der Landesvorstand kürzlich einem Kandidaten den Listenplatz – er hatte gerade die Straffreiheit für Holocaustleugner und den freien Verkauf von Hitlers „Mein Kampf“ gefordert.

Einzelfälle? Wohl kaum, dafür häufen sich die extremen und unerträglichen Entgleisungen zu sehr – wie jüngst, als der Parlamentarische Geschäftsführer Martin Delius den Piratenboom mit dem Wachsen der NSDAP verglich. Delius entschuldigte sich – und seine Mitpiraten sprachen ihm das Vertrauen aus. Sie sollen eben alle Platz haben in dieser neuen schönen Partei, die ja schneller wächst als die Ideen sprießen und daher dringend Leute braucht.

Die viel gepriesene Toleranz in allen Ehren – diese darf aber nicht dazu führen, dass eine Partei sich zum Sammelbecken für dubiose Protagonisten aller Couleur entwickelt. Noch schlimmer: Was, wenn die Piraten außer diesen sexistischen bis rechtsextremen Irrläufern nichts anderes zu bieten hat? Würde das auch die wachsende Fangemeinde merken?

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