“Lieber Herr Bellut, für Auftritt von Frau Slomka gegenüber Gabriel kann man sich nur wundern. Wir entscheiden als CSU heute Nachmittag mit ca. 100 Leuten über Koalitionsvertrag. Verfassungswidrig? Ihr HS aus Bayern.”
So hört es sich also an, wenn ein Politiker versucht, die Medienmacher dieses Landes zu beeinflussen. Horst Seehofers SMS an ZDF- Intendant Thomas Bellut nach dem missglückten Interview von Marietta Slomka mit Sigmar Gabriel ist symptomatisch für das Gebaren einiger Politiker hierzulande, die augenscheinlich nicht begreifen wollen, dass die Presse laut Grundgesetz unabhängig ist. Dass es Teil unserer lebendigen Demokratie ist, wenn Zeitungen und Rundfunk eben nicht am Gängelband der Parteien zappeln.
Zugegeben hat sich Marietta Slomka bei dem Interview zum SPD- Mitgliederentscheid nicht eben mit Ruhm bekleckert. Sie hätte es nach drei oder vier Fragen dabei bewenden lassen sollen, Gabriels Antworten hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des Entscheids akzeptieren sollen. Statt dessen fing sie immer wieder von vorne an, einem Terrier gleich, der sich festbeißt und wie von Sinnen am Hosenzipfel zerrt.
Dass Horst Seehofer das Slomka-Gabriel-Gespräch nun zum Anlass nimmt, um im neuen Spiegel den Verfall des Qualitätsjournalismus in der deutschen Medienlandschaft allgemein zu beklagen, ist jedoch grotesk. Einmal mehr entlarvt diese So-gehts-aber-nicht-ihr-ungezogenen-Hans-Wurste-Haltung den Bayern als Volksvertreter mit zweifelhaften demokratiepolitischen Überzeugungen. Schließlich steht beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk zur Zeit nicht die allzu große Kritik an der politischen Riege im Vordergrund sondern die drängende Frage, ob die Nähe der Politik, die Staatsnähe im System nicht verfassungskonfom ist.
Tatsächlich versuchen vor allem die Konservativen nur allzu oft, den öffentlichen Rundfunk zu ihrer Spielbühne zu machen, auf der nach ihren Regeln getanzt werden soll. So agitierte Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) erfolgreich gegen ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender, der zu kritisch und zu wenig unterwürfig war. Brender durfte schließlich gehen.
Zielgenau torpediert vor allem auch die Bayern-Partei die Redaktionen: So intervenierte der damalige CSU-Generalsekretär Markus Söder gleich mehrfach beim ZDF, um seiner Partei zu mehr Sendeminuten zu verhelfen. Der damalige CSU-Sprecher Hans Michael Strepp rief beim ZDF an, um in einer Nachrichtensendung einen Beitrag über den bayerischen SPD-Spitzenkandidaten Ude zu verhindern. (Diesmal durfte nach Bekanntwerden des Zensurversuches Strepp gehen.)
Und auch Horst Seehofer höchstpersönlich nahm die freie Presse bereits ins Visier: Nachdem ein Kamerateam des WDR im August vergeblich versucht hatte, Landtagspräsidentin Barbara Stamm zu einem Interview zu bewegen, wurde er mit den Worten zitiert: „Die müssen raus aus Bayern.“
DAS, werter Horst Seehofer, sind die eigentlichen Qualitätsmakel im deutschen Journalismus: Die mal mehr, mal weniger erfolgreichen Attacken der Politik auf unsere Pressefreiheit.