Vorsicht: Real(satire)!

Von Marion Kraske

Das Team von Oliver Welke zeigt jeden Freitag spät abends, warum die deutsche Innenpolitik derzeit so unerträglich ist (war sie eigentlich schon immer so?)
- leider auf dem falschen Sendeplatz. Das Problem ist dabei nicht, dass man wie bei vielen anderen dieser grassierenden Comedy-Quatschsendungen die Gags eher als dürftig bis nicht existent empfindet. Dass man sich mit jeder Sendeminute immer tiefer ins Fremdschäm-Delirium steigert, bis man am Ende nichts mehr als Mitleid mit den Protagonisten empfindet, wie etwa bei der Dickmadam aus Marzahn, bei der ich mich immer wieder frage, warum sie es schafft, ganze Säle begeisterter Jubeltrupps zu füllen. Ist Deutschland wirklich so dämlich?

Nein, das Problem der heute-show ist ein anderes: Denn von Sendung zu Sendung hat man immer mehr das Gefühl, dass es keine Übertreibungen sind, die Welkes Mannschaft da allwöchentlich vortragen. Dass die Satire somit keine Satire ist. Und die ganze Sendung somit auch nicht in die Sparte Unterhaltung passt.

Nun könnte es ja daran liegen, dass es lauwarme, abgegriffene Blödheiten sind, die da zum besten gegeben werden und somit der Unterhaltungswert gleich Null ist. Das aber ist mitnichten der Fall. Ganz im Gegenteil: Tatsächlich kommt man – komme ich – nicht aus dem Lachen heraus, mögen die Zoten auch noch so einfach daherkommen (ein lieber Kollege nennt sie gar vulgär). Doch dann stockt einem irgendwann der Atem.

Warum? Weil einem mit jedem glucksenden Lacher bewusst wird, dass der galoppierende Unsinn, der da zum besten gegeben wird, alles andere als auf die Spitze getrieben ist. Um Kurt Tucholsky zu zitieren: “Die Satire muss übertreiben und ist ihrem tiefsten Wesen nach ungerecht.” Was aber, wenn sie nicht übertreibt, wenn sie nicht ungerecht ist? Ganz im Gegenteil, wenn sie noch viel mehr drauf hauen müsste, weil die Protagonisten tatsächlich so ungemein irrwitzig sind wie dargestellt? Sprich: Was, wenn der Wahnsinn ganz real ist?

Ein paar Beispiele dieses realen Wahnsinns gefällig? Nehmen wir den Nullchecker im Innenministerium, der Mann mit dem wohligen Grinsen eines Einfaltspinsels, der nicht Edeka-Filialleiter wurde, sondern – wie hat er das bloß geschafft – Minister im hohen Amte. Der sich monatelang weigerte, die Realität, die millionenfache Aushebelung unserer Grundrechte zur Kenntnis zu nehmen, der sich wie ein pickliger Oberprimaner auf die Reise über den Teich machte, um zurück zu kommen und zu versichern, dass mit den NSA-Abhörpraktiken doch alles in allerallerbester Ordnung sei. Der bis zuletzt vom “angeblich” abgehörten Handy der Kanzlerin fabulierte. Ein Witz? Leider nicht, wohl aber eine Witzfigur.

Oder der hinterweltlerische Horst aus Bayern, der nicht in einem Gott verlassenen Dorf den dortigen Stammtisch bedient, sondern als Ministerpräsident das Land aufmischen darf. Der wie ein ungezogenes Vorschulkind eine diebische Freude daran hat, die anderen zu trietzen, vor allem die griesgrämige Angela. Der mit seinem rückwärtsgewandten Familienbild die Republik flutet und groteske Dinge von sich gibt. Der auf Fragen von Journalisten immer wieder sagt: Ich sage nichts und grinst, als sei das ein unglaublich spaßiges Treiben. Hahaha. Der Dinge fordert wie die Ausländer-Maut, die eigentlich nach EU-Recht gar nicht erlaubt ist und sie trotzdem in den Koalitionsvertrag hineinboxt. Der als unionspolitischer Wurmfortsatz die gesamte Bundes-Politik fortgesetzt erpresst – obwohl er doch nur in einem einzigen Bundesland vertreten ist. Es lebe das bayerische Deppentum.

Oder der bisherige Verkehrsminister, der so ahnungslos daher kommt wie ein Baumarkt-Praktikant, der, um die Bedeutung der beschlossenen Mütterrente zu erklären, über die Mütter (!) seiner Frau schwadroniert. Der ohne Konzept aufwartet, man könnte auch sagen: Fortgesetzt ohne Plan.

Schließlich könnte man auch auf unsere Kanzlerin verweisen, die seit Jahren keine Sätze mit konkreter Aussage hinbekommt. Weil sie die Nicht-Entscheidung zum alles dominierenden Mantra erhoben hat. Bei der wichtigsten Aussprache im Bundestag der letzten Monate – es ging einmal mehr um die NSA-Spähattacken – sagte sie einmal mehr nichts. Ohne Worte!

Nicht zu vergessen der „böse dicke Mann“, wie Welke ihn nennt. Sigmar Gabriel, der wer weiß was im Wahlkampf versprach und nun einen Koalitionsvertrag mit Platitüden und Allgemeinplätzen absegnet, das vormals harsch attackierte Betreuungsgeld sowie das „irre Mövenpickgesetz“ bleiben – was kümmern einen schon die geistigen Ergüsse von gestern – auch unter SPD-Ägide bestehen. Wahnsinn? Nein reale Politik der SPD.

Was sagte der große Dieter Hildebrandt, Ikone des deutschen Politkabaretts, der dieser Tage unter die Erde gebracht wurde? “Die Herren Honecker, Mielke, Mittag und andere Genossen haben ungeheure Mittel aufgewendet, um das zu verteidigen, was gar nicht vorhanden war.”Und unsere liebe Politprominenz? Wendet ungeheuer wenig auf, um zu verteidigen, was kaum vorhanden ist: Substanz. Das ist leider keine Satire, sondern die traurige Realität. Dafür kann die heute-show ja nun auch nichts.

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