Moin, Herr Wulff

Von Stefan Bitterle

Moin, Herr Wulff. Oder muss ich noch: Moin, Herr Bundespräsident sagen? Na, auch so schlecht geschlafen? Wundert mich nicht – allmählich müsste auch bei Ihnen angekommen sein, dass Bundespräsident sein etwas mehr ist als stellvertretender Kassenwart eines Kegelvereins. Oder Filialleiter der örtlichen Kreissparkasse. Wobei die beiden letzteren wohl beleidigt wären, wenn sie hörten dass ich sie mit Ihnen vergleiche. Wissen Sie, Bundespräsident sein, das hat auch was mit Format zu tun. Mit Haltung. Mit Wertebewusstsein. Mit Auftreten.
Da empfiehlt es sich, das ab und zu auch mal kundzutun – vielleicht mit einer kleinen Rede? Außer, dass der Islam in der Gesellschaft angekommen ist, haben wir nicht so wirklich viel von Ihnen erfahren. Oder habe ich was verpasst? Wo war denn Ihr Plädoyer für Europa? Oder den Euro? Deutschland steht in der Welt für Präzision. Pünktlichkeit. Und Verlässlichkeit.
Wir sind eine Kulturnation.
Und ganz nebenbei die leistungsstärkste Volkswirtschaft Europas. Und die drittstärkste der Welt. Da dürfen wir uns doch einen angemessenen Repräsentanten wünschen. Es ist ja schön, dass Sie es mit Goethe halten. Reisen bildet. Würden viele Bundesbürger auch gern machen, denen es nicht so gut geht mit Harz IV. Und Sie dürfen das auf Steuerzahlerkosten. Aber die Bundesrepublik hätte gern ein bisschen mehr davon, als dass sie ihren Grüßaugust in ferne Länder schickt. Das gibt es auch bei Aida oder Thomas Cook. All inclusive.
Wobei man sich überlegen muss, welchen Dikatoren und Potentaten man die Hand reicht, ohne dann etwas zu ihrem Verständnis von Grundrechten zu sagen. Aber damit ist es bei Ihnen ja auch nicht so furchtbar weit her. Oder wer hat Ihnen beigebracht, dass man Artikel stoppt, indem man mit den Entscheidern des Springer-Verlags telefoniert. Vielleicht doch Ihr Kegelverein?
Kennen Sie eigentlich Max Frisch? Nicht? Hätte mich auch gewundert. Lesen Sie den mal. Ein kluger Architekt und Schriftsteller. Aus der Schweiz. Der hat mal gesagt: „Krise kann ein produktiver Zustand sein. Man muß ihr nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen.“ Wobei der Beigeschmack Ihrer Krise gute Chancen hat, als Nachgeschmack in der öffentlichen Erinnerung haften zu bleiben.

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