Die Welt der fliegenden Bengalos

Von Christian Heitbaum

So geht es nicht weiter – Nach dem Düsseldorfer Skandalspiel steht die Fankultur in Deutschland auf dem Prüfstand. Die bisherigen Maßnahmen sind verpufft, jetzt muss sich der DFB Gedanken machen: Will er die Fanszene in seiner heutigen Form erhalten oder englische Verhältnisse mit sterilen Stadien und teuren Tickets? Eine nachhaltige Verbesserung der Sicherheit ist nur auf Kosten der Stimmung zu erreichen.

In der Presse war das Echo nach der Relegationsrandale überall gleich: Viel Empörung, wenig Lösungen, viele Verallgemeinerungen. So war etwa beim Platzsturm der Düsseldorfer Fans von randalierenden Gewalttätern, Hooligans oder Ultras die Rede. Allerdings liefen vor allem sogenannte „Eventfans“ und auch Familien auf das Feld. Sie wollten dabei auch nicht randalieren, sondern sich über den Aufstieg ihrer Mannschaft freuen. Irgendjemand hatte einen Pfiff gehört, die Masse folgte ihm – leider zu früh. Die Aktion war kein böser Wille, sondern unfassbar dumm. Auch war es nicht in Ordnung, dass die Fans schon vor Abpfiff am Seitenrand standen. Hierfür ist eine Strafe nötig, Dramatisierungen sind aber fehl am Platz.

Dennoch bleibt ein fader Beigeschmack, weil die Sicherheitskräfte versagt haben. Was, wenn es die Fans weniger gut meinen? Dann spielen sich Szenen wie in Karlsruhe einen Tag zuvor ab, als aufgebrachte Fans nach dem Abstieg ihrer Mannschaft die Geschäftsstelle und das Stadion verwüsteten. Szenen, wie man sie aus den vergangenen Jahren und Wochen kennt, von den Ausschreitungen nach den Abstiegen der Hertha und Eintracht Frankfurt, den Krawallen von Dresdens Anhängern beim Pokalspiel in Dortmund oder den Übergriffen von Kölner Fans auf einen Gladbacher Bus. Es sind Szenen, die sich nicht durch einfache Sanktionen gegen die Vereine regeln lassen.

Es wird deshalb Zeit für ein grundsätzliches Umdenken und stärkere Sicherheitsauflagen. Warum? Weil sich die Fans mehr rausnehmen, als sie dürfen. Viele denken, dass es ihr gutes Recht ist, sich aktiv in das Spiel einzumischen. Für sie zählt es mehr, sich selbst darzustellen, als ihre Mannschaft anzufeuern. Wo der Platzsturm ein Missgeschick, ein ungewolltes Eingreifen in das Spiel war, war das Zünden von Pyrotechnik durch die Hertha-Fans zuvor ein bewusster Protest gegen die Leistung der eigenen Mannschaft, der eine Spielunterbrechung provozieren wollte. Solche Fans argumentieren damit, dass es möglich sein muss, die eigenen Emotionen auszuleben. Doch Emotionen müssen da aufhören, wo sie zur Idiotie werden und andere gefährden. Dass sich die Hertha-Fans wenig Gedanken um andere Anhänger machten, zeigten die fliegenden Bengalos quer durch das Stadion und auf den Platz.

Weil sich diese Bilder häufen, ist mittlerweile die Erkenntnis gereift, dass Appelle alleine nicht reichen. Aber welche Maßnahmen kann der DFB aussprechen? Es sind vor allem Maßnahmen, unter denen friedliche Fußballfans zu leiden haben. Die Abschaffung der Stehplätze nach englischem Vorbild wäre eine davon. Dies wäre ein drastischer Eingriff in die Fankultur, denn Sitzplätze würden teurere Tickets nach sich ziehen und wären für einige Stammgäste nicht mehr zu bezahlen. Darunter würde auch die Unterstützung der eigenen Mannschaft leiden. Dieser Weg scheint im Moment aber der einzig richtige. Auch ist es vernünftig, über personalisierte Karten, durch die Gewalttäter besser ausgeschlossen werden könnten, nachzudenken. Aber auch bei diesen Änderungen ist klar: Wenn sich zehntausende Menschen versammeln, gibt es immer ein gewisses Aggressionspotential. Das wird bleiben – egal ob bei einem Konzert, einem Volksfest oder im Stadion.

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3 Antworten auf Die Welt der fliegenden Bengalos

  1. Sven sagt:

    Leider greift der Beitrag viel zu kurz. Was sollen die Krokodilstränen darüber, dass womöglich die Stimmung in den Stadien leiden könnte, wenn dort auf den Stehrängen nicht mehr Heerscharen angetrunkener “Fans” ihre Aggressionslust heraus gröhlen? Wieso dulden die Verantwortlichen sogenannte “Sportveranstaltungen”, die regelmäßig ganze Innenstädte vor und nach den Ereignissen in Schlachtfelder, Stadien in Orte ungezügelter Gewalt verwandeln und öffentliche Verkehrsmittel in Schauplätze von total enthemmtem Vandalismus verwandeln? Es sind die gleichen Behörden, die mit leichter Hand das grundrechtlich geschützte Demonstrationsrecht einfach außer Kraft setzen, sobald sie eine – oft eingebildete – Störung der öffentlichen Ordnung befürchten. Und warum muss der Steuerzahler die immer höheren Kosten der Absicherung von Großveranstaltungen tragen, deren Akteure Millionen verdienen und in deren Branche Jahr für Jahr Milliarden umgesetzt werden? Auch das wieder ein Beispiel für die unsägliche Bereicherungspraxis, die Gewinne privatisiert, während die Kosten der Allgemeinheit aufgebürdet werden.
    Und wo bleibt die Frage, was denn der Grund sein könnte für die ausufernde Gewaltbereitschaft von Menschen, die keineswegs mehrheitlich aus gesellschaftlichen Randgruppen stammen und sich ein Ventil für ihren dort angestauten Frust schaffen, sondern vielfach im ganz normalen bürgerlichen Mittelstand zuhause sind? Personalisierte Tickets mögen für etwas mehr Ruhe den Stadien und Städten sorgen, die Ursachen für die erschreckende Lust an Gewaltorgien, in denen nicht nur der Schutz der Gesundheit sondern viel zu oft sogar der des Lebens keine Geltung mehr haben zu scheinen, werden sie nicht beseitigen können.

  2. Klaus Wenner sagt:

    So einfach ist das Sven, einmal runterputzen, einmal auskotzen über den Fußball. Und dann sind – weiter gegriffen – alle Probleme gelöst. Da sehe ich keinen Unterschied zu Menschen, die auf den Platz laufen. Wo der Autor sich um konstruktive Denkansätze bemüht hat, gibt es nur destruktives Palaver mit Parolen.
    Der DFB muss aktuell handeln!
    Wir brauchen aber mehr Familien, die Kindern Werte vermitteln, auch was das Schreiben angeht (siehe Sven). Wo die Familie es nicht leisten kann, braucht es U3-Betreuung. Die Gesellschaft braucht insgesamt eine Wertediskussion und vermutlich andere Sanktionen für Werteverletzter – für Leute, die Bengalos schmeißen, genauso wie für Menschen, die im Internet anonym oder halbanonym Parolen raushauen.
    Wir müssen Lehrern beibringen, junge Menschen zu erziehen, nicht nur Deutsch und Mathe in ihre Köpfe zu prügeln.
    Und die Medien sollten aufhören, jeden Tag Politiker eine Stunde im Zwangsbezahlfernsehen schwätzen zu lassen. Wir brauchen wieder Journalisten, die Politiker an Taten messen. Keine jubelnde Angie bei der EM auf der kostenlosen VIP-Tribüne, sondern eine Frau Merkel, die Familienbesuchern beim Fußball die Sicherheit zurückgibt – mit härteren Rechtsnormen gegen Dummköpfe.

  3. Sven sagt:

    @ Klaus Wenner
    Wie wäre es erst einmal mit Eltern, die ihren Kindern das Lesen beibringen? Wieso habe ich “auf den Fußball” drauf gehauen? Randalierende Fans waren Ziel meiner Kritik und die Unfähigkeit der Verantwortlichen in Staat und Gesellschaft, vorrangig also der Liga, sich wirksam damit auseinander zu setzen. Statt inhaltlicher Auseinandersetzung mit meiner Kritik ehrabschneidende Herabsetzung als “destruktives Palaver mit Parolen”. Im selben Atemzug Familien zu fordern, “die Kindern Werte vermitteln, auch was das Schreiben angeht (siehe Sven)”, grenzt nach Vielleicht ist wenigstens der Satz, “Die Gesellschaft braucht insgesamt eine Wertediskussion und vermutlich andere Sanktionen für Werteverletzter – für Leute, die Bengalos schmeißen, genauso wie für Menschen, die im Internet anonym oder halbanonym Parolen raushauen”, selbstkritisch gemeint. “Klaus Wenner” kann sich nämlich jeder nennen. Das ist unter den Bedingungen des Internet genauso viel oder wenig anonym wie “Sven”. Wenn meine Kritik am Randale-Fußball “Parolen” sind, dann ist der Werte-Ritter Klaus Wenner geradezu ein Parolen-Kanonier.
    Viel Spaß beim Nachladen, aber dann bitte besser zielen.