B-NOTE 02 | Glänzend

Von Marcus Müller

debattiersalon | B-Note | Logo: Katharina Greve © 2013Manchmal durchzuckt mich beim oberflächlichen Nachrichtenhören der Gedanke: Nee, hat er jetzt nicht gesagt. Das wäre zu ehrlich. Dieses Phänomen ist, ich deutete es schon an, eines, das der Oberflächlichkeit geschuldet ist. Jedenfalls fast immer, wenn es um Politik geht. Da sagte also am Mittwoch Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr, in den letzten Wochen sei etwas „leider kein Glanzstück“ gewesen. Potzblitz, ein FDP-Politiker betritt die von Peer Steinbrück eben erst aufgesperrte Wahlkampfarena mit ein wenig Wahrheit und Realismus im Gepäck. Einer von den jungen, der noch nicht so viel verbockt hat, zieht einen kleinen Strich unter das bisherige Handeln dieser Merkel-Regierung und ist ein bisschen ehrlicher als die Chefin. Die hat an dem Rumgewurschtel unter ihrer Verantwortung ja nicht so wahnsinnig viel auszusetzen und sieht „viele Erfolge“.

Natürlich hängt schnell der nagende Zweifel an meinen Gedanken: Sagte Bahr „letzte Wochen“? Da waren doch alle noch im Urlaub und eher im nationalen Olympia-Medaillenrausch. Die von der Kanzlerin ausgemachten „Erfolge“ ihrer Regierung liegen ja schon ein bisschen länger zurück: Hotel-Lobbyismus, Ausstieg aus dem Ausstieg samt Vergeigen der Energiewende, die Neudefinition von Doktor-Leistungen als Abkupfern, ein illegales Wahlrecht, Herdprämie, Flexi-Quote, überhaupt CSU und FDP – diese Stichworte müssen reichen. Noch gar nicht berücksichtigt: Das Achselzucken als Reaktion auf rechtsradikalen Terror und Morde sowie das flächendeckende Versagen so gut wie aller damit befassten Behörden sowie die ständigen Meinungswechsel von Kanzlerin Merkel in der Euro-Krise.

Nein, diese glänzenden Stücke (die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit) meinte Bahr natürlich nicht. Er äußerte sich lieber zu einer Sache, in der er schön Noten verteilen konnte, ohne selbst handeln zu müssen – dem Streit um die Ärztehonorare. Den müssen Krankenkassen und Weißkittel in Selbstverwaltung regeln – wenn ich das bisher richtig verstanden habe, ist diese Form nicht-staatlichen Interessenausgleichs sonst das bevorzugte Modell der FDP. Glückwunsch, Herr Bahr, zu so viel echtem liberalen Extra-Mut und dem lässigen Verzicht, sich der Widerspruchsfreiheit auch nur anzunähern. Allerdings gibt’s dafür: einen schönen Abzug in der B-Note.

Zeigen Politik, Gesellschaft, Medien und PR-Salat-Verkäufer ausreichend Grazie, wenn sie ihre Tätigkeit in Wort, Schrift, Bild und Hosenanzug ausführen? So wie das für Eiskunstläufer festgestellt wird, will Marcus Müller das in seiner Kolumne B-NOTE über unser Öffentlichkeitspersonal für den debattiersalon herausfinden. Sachdienliche Hinweise gerne an b-note@marcus-mueller-berlin.de. Zugegeben: Die taz war mit ihrer Dachzeile für die Olympia-Berichterstattung 2012 schneller mit der B-Note; aber, hey, das waren die Sprinter aus der Sportredaktion!

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