Von Marion Kraske
Rührend, man kann es nicht anders sagen – und vor allem: So ungeheuer romantisch. Wie sie da so stehen, im Hintergrund die afrikanische Weite, jenseits von allem, ein Hauch Abenteuer und vor allem ganz ganz viel Herz. Er: Ein wenig steif im dunklen Anzug, sie dagegen souverän und siegessicher in die Kamera lächelnd, den überdimensionalen Schleier hinter sich, im heißen Wind wehend. Hach! Was für eine Pracht!
Nur, ganz unter uns: Wollten wir das eigentlich sehen? Wollten wir es so genau wissen, wie eine doch etwas in die Jahre gekommene Landesfürstin nach 20 Jahren ihrem lieben Ehemann wieder einmal das Jahrwort gibt? Ist anscheinend ja im Trend, auch bei den Superpromis. Die PR-erfahrene Heidi Klum praktizierte das Immer-mal-wieder-Hochzeitszeremoniell jahrein jahraus mit ihrem Superduper Ehemann Seal, bis eben das dicke Ende sprich das Aus der angeblichen Endlosliebe verkündet wurde. Aber eine Politikerin? Zumal eine, die doch bislang immer gesteigerten Wert auf das heilige Private legte? Wollten wir das also wirklich sehen?
Um genau zu sein: Nein, wir wollten nicht. Hannelore Kraft ganz in Weiß – darauf hätten wir alle wohl gern verzichtet. Zumal: Es war nicht irgendein Paparazzo, der sich das Bild mit viel Chuzpe und einem Riesenobjektiv ergaunerte, der sich an das Paar ranschlich, das sich da im namibianischen Nirgendwo neuerlich seiner Liebe versicherte. Nein, es war ein offizieller Fotograf, der das Bild schoss, das Werk also ein autorisiertes Foto des Liebeserneuerungsevents, das dann über den eigenen Twitteraccount von Hannlore Kraft landauf landab die deutschen Zeitungen stürmte.
Es steckte also Kalkül dahinter: Seht her, ich, die mitunter so beinharte Landesmutti von NRW habe eine weiche und höchst weibliche Seite. Und – nicht zu vergessen: Wählt mich!
Mit ihrem Hang, einen sehr persönlichen Moment in die weite (Medien-)welt zu blasen, steht die gute Hannelore aus Düsseldorf keineswegs allein da. Unsere lieben Exhibitionisten entblättern sich quer Beet durch die Parteienlandschaft. Gerade erst sorgte Bettina Wulff, eben noch Präsidenten-Gattin, jetzt Jammer-Eule der Nation, für Erstaunen, als sie ohne Not nicht nur Persönliches, sondern im eigenen Buch höchst Intimes preisgab. Im munteren Plauderton schwadronierte sie darüber, dass sie vor dem eher unauffälligen CDU-ler Wulff auch ganz schöne Muskelpakete ranließ, dass sie ihren Wulffi eigentlich gar nicht auf ihrer „Haben“-Liste hatte, ja und dass sich das Ehepaar Wulff im hohen heiligen Amte mitunter eben ganz schön leise verhalten musste, waren doch die ganze Zeit, auch des Nächtens, die allgegenwärtigen Leibwächter vor Ort…
Ja ja, das liebe Privatleben. Eben noch wird lamentiert, dass man (oder frau) immer so gemein im Fokus der Medien stand, um im nächsten Moment von allen erdenklichen Titelblättern herunterzublicken und Informationen preis zu geben, die eher zum Fremdschämen sind. Es lebe das intime Geständnis. Aber was macht man nicht alles, um krampfhaft im Gespräch zu bleiben?
Theodor zu Guttenberg, Oberplagiator der CSU, erdreistete sich, auf dem Höhepunkt der Copy-and-Paste-Skandals, ebenfalls höchst persönliche Gründe anzuführen, die sein vermeintliches „Überarbeitetsein“ erklären sollten und die Tatsache, dass er bei der wilden Abkupferei irgendwann den Überblick verloren habe. Da waren die kleinen Kinder, schluchz, die Familie, huhu, alles das, also, was Hunderttausende andere auch ertragen und erleiden müssen, nun wurde es flugs in die Öffentlichkeit gezerrt, um die eigenen Verfehlungen in hellerem, milderem Licht darstellen zu können.
Es menschelt also in allen Lebenslagen bei unseren lieben Politikern. Auch Babypausen-SPD-Chef Sigmar Gabriel ließ sich vor wenigen Wochen nicht lumpen, auf die Schnelle kramte er kurz mal das Familiäre heraus: Ein Twitter-Interview startete Gabriel mit dem Satz: „Mariechen ist abgefüttert. Der Kaffee ist da, also kann’s losgehen.“ Ein Foto auf Twitter zeigt den frisch gebackenen Vater lässig im Freizeitlook mit buntem Kaffeepot am heimischen Computer. Auch das wollen wir eigentlich nicht sehen, oder?
Und doch hat das Ganze Tradition: Geradezu legendär die Poolspiele von Ex-SPD-Kanzlerkandidat Rudolf Scharping im türkisfarbenen Wasser mit seiner Gräfin – damals hatte man den Eindruck hatte, dass da mit einem die Hormone durchgingen. Nach dem Pool kam ja dann auch erst mal lange nichts mehr.
Warum also der dieser peinliche Hang zum Entblößen? Warum nötigen uns unsere lieben Volksvertreter samt Gattinnen immer wieder mit Details aus ihrem Privatleben? Mancher glaubt augenscheinlich, die „Hosen runterlassen“ bedeutet Volksnähe, bedeutet Öffentlichkeit. Und Öffentlicheit, so das Kalkül, bringt Sympathien und nicht zuletzt: Wählerstimmen. Ich für meinen Teil ziehe den Schleier vor. Lasst ihn da wo er ist – über den Momenten der familiären Abgeschiedenheit. Er muss ja nicht immer wehen.