Merkels Meinungs-Mus: Kai Diekmann übernehmen Sie!

Von Marion Kraske

Der Spiegel, es ist schon eine Weile her, brachte es trefflich auf den Punkt. In einem Porträt nannte der Autor den großen Franz Beckenbauer despektierlich „Firlefranz“. Eine schöne Beschreibung für das inhaltliche Herumgeeier des einstmals so strammen Fußballhelden. Hin und Her, Ja und Nein, Rede und Gegenrede, der Franzl – der personifizierte Widerspruch.
Angela Merkel ist so etwas wie der weibliche Firlefranz der Politik. Seit sie in der Republik was zu sagen hat, bekommt das Wort Biegsamkeit eine ganz neue Bedeutung.
Dabei fing doch alles so gut an: Damals, zu Hochzeiten der CDU-Steueraffäre, stand sie tapfer auf, als viele ihrer Parteimitglieder noch in Ehrfurcht vor dem Alten erstarrten, und erklärte der Bimbes-Politik der Christenpartei samt ihrem Ober-Paten Kohl den Kampf. Klare Worte, klare Trennung. Diese Mischung bescherte Merkel den Aufstieg nach ganz oben. Nun ist sie Kanzlerin und hätte dem Land ihren ganz eigenen Stempel aufdrücken können: Als erste Frau an der Spitze einer bundesdeutschen Regierung, als Ostdeutsche, als CDU-Mitglied ohne große innerparteiliche Machtbastion und damit ohne Zwang, auf alles und jeden Rücksicht nehmen zu müssen. Es hätte Spaß machen können, auch für Nicht-CDU-Anhänger. Wenn sie sich denn getraut hätte.
Von Mut, von Aufbruch dagegen wohl keine Rede sein, nicht einmal von einer eigenen programmatischen Handschrift. Denn dafür bräuchte es Positionen, so einfach ist Politik inzwischen geworden. Doch wer kann sich je an eine klare Aussage der Frau Kanzlerin erinnern? Merkel beschert in Penetranz ein Hü und Hott, Rhetorikeinerlei, gewürzt mit Satzbausteinen und Plattitüden. Zwischen alldem erkennt selbst der geübte Zuhörer oft nicht den Kern der Botschaft. Wofür steht sie ? Die 1-Millionen-Euro-Frage bei Günther Jauch ist wohl einfacher zu beantworten.
Sicher, mitunter sickern auch Standpunkte durch, nur haben sie ein Problem: Sie zählen nicht, werden sie doch bei nächster Gelegenheit wieder entsorgt wie kontaminierte Schlacke. Seit einiger Zeit ist Merkel Schirmherrin der Initiative „Charta der Vielfalt“. Gesellschaftliche Buntheit zu fördern, das ist das Anliegen. Kein Problem für Merkel, man kann ja sein Gesicht publikumswirksam hinhalten, das Ganze loben, Vielfalt sei Bereicherung, so sagte sie einmal, das schadet nicht, und bei nächster Gelegenheit das eigene Engagement ad absurdum führen. So geschehen im Oktober vergangenen Jahres, als Merkel beim Parteitag der CDU apodiktisch und mit geballter Faust erklärte, Multi-Kulti sei mausetot. Im Atomkurs trieb Merkel das Prinzip Meinungs-Mus auf die Spitze. Wurde uns eben noch alarmistisch eingetrichtert, dass ohne Atomstrom in der Republik alle Lichter ausgehen würden, war nach Fukushima urplötzlich alles anders. Der Ausstieg aus dem Ausstieg wurde zurückgedreht und ein neuer Ausstieg beschlossen. Moderne Dialektik a la Merkel mit dem einen Ziel: Machterhalt. Dem Volke aufs Maul schauen, die Stimmung abgreifen und in parteitaktische Purzelbäume ummünzen, das ist Merkels hohe Kunst. Im Sommer, als sich die griechische Staatspleite anbahnte, wetterte sie mit schwülstigen Stammtischparolen gegen die südlichen Faulenzer, die Fakten sprechen eine ganz andere Sprache, dennoch konnten die Ballermänner mit Bierbauch und Bild in der Hand ihrer Kanzlerin dröhnend Beifall spenden. Und nun auch noch der Mindestlohn, eine Forderung, die Grüne, Linke und Sozialdemokraten seit langem schon erheben. Nun will sich auch Merkel damit brüsten, das Arbeitsleben gerechter zu gestalten. Eine honorige Sache, wäre da nicht das offensichtliche Schielen auf eine Regierungsehe mit den Roten, wahlweise auch den Grünen, wer wollte sich da festlegen? In jedem Fall gesucht: Ein Nachfolger für die schwindsüchtigen Liberalen. Und so folgt Volte auf Volte, darin liegt die eigentliche Handschrift dieser Kanzlerin. Wo aber bleibt die Glaubwürdigkeit der Politik, wenn alles austauschbar ist, wenn ursprünglich entgegengesetzte Positionen zusammengemanscht werden wie mit einem riesigen Quirl? Wenn ohnehin alles eins ist, wenn angenommene Mehrheitsmeinungen zum obersten Prinzip erhoben werden, hat der Populismus endgültig gesiegt. Dann aber brauchen wir keine Parteien mehr, dann könnte auch Deutschlands Stimmungsbarometer und Sprachrohr Nummer 1 die Richtung vorgeben. Kai Diekmann, übernehmen Sie!

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