Amputiert

Von Marion Kraske für DATUM

Es gab, Zeiten, da trug der Liberalismus in Deutschland ein strahlendes, ein markantes Gesicht, da gab es die Scheels, die Hirschs, die Hamm-Brüchers. Kluge Köpfe, geistreich, visionär. Da hatte der Liberalismus einen eigenständigen, prägenden Sound, gar eine eigene Farbe: warm und gelb, so gelb wie der gestrickte Pullunder des ehemaligen deutschen Außenministers.
Genau wie Genschers modisches „must have“ waren die Liberalen jahrzehntelang eine feste Größe im bundesdeutschen Parteiensystem, die unangefochtene „Dritte Kraft“, ein ausgleichendes, ein bindendes und überbrückendes Element, das Zünglein an der Waage zwischen Konservativen und Sozialdemokraten. Eine Brücke, die der Gesellschaft mit liberaler Grundüberzeugung einen festigenden, einen stabilisierenden Kitt verlieh, weniger freilich durch die Größe der Partei als durch ihre stete Regierungsbeteiligung. In meiner Generation erinnert man sich: Die FDP war eigentlich immer dabei. Sie war lange ein Anker, auch ihr eigener.
Das Schiff ist weitergefahren, der Anker indes hoffnungslos stecken geblieben. Irgendwo im tiefen Morast der Bedeutungslosigkeit. Die jüngsten Wahlen in Deutschland – zuletzt in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin belegen: Die einstmals stolze FDP, Trägerin des Liberalismus, ist zur trübseligen Splitterpartei verkommen. 2,7 und 1,8 Prozent – eine politische Trümmertruppe unterhalb der Wahrnehmungsgrenze. Und auch bundesweit liegen die Liberalen am Boden, ausgeknockt, angezählt. Eine innere Schwäche hat sie erfasst, eine desolate Verfasstheit ist ihr eigen.
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