Die Amigos von Austria

Von Marion Kraske für Zeit online

Österreich arbeitet die Machenschaften der Ära Schüssel auf. Im Zentrum der Ermittlungen um verdächtige Geldflüsse: der ehemalige Finanzminister Grasser.

Wenn Wolfgang Schüssel seine Regierungszeit Revue passieren ließ, sprach er lange gerne in Superlativen. Viele Dinge, die man zwischen 2000 und 2006 angepackt habe, so der ehemalige Kanzler aus der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) dann selbstbewusst, seien hervorragend gelaufen. Er habe ein “Superteam” gehabt. Vor allem Karl-Heinz Grasser, so Schüssel, sei ein “ausgezeichneter Finanzminister” gewesen.
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So recht mag man in Österreich freilich nicht mehr an eine glorreiche Bilanz glauben. Jüngst gab Schüssel sein Nationalratsmandat ab, ganz so, als wolle sich da jemand aus der medialen Schusslinie bringen. Anlass dafür gäbe es: Im österreichischen Parlament geht es derzeit hoch her. Das alte Kabinetts-Team ist in allerlei Verdächtigungen geraten: Es geht um Korruption, um Amtsmissbrauch, um seltsame Privatisierungen, um ausgeklügelte Freunderlwirtschaft, wie es im Alpenland gerne euphemistisch heißt. Um eine Supersause einiger weniger Eingeweihter auf Kosten der Republik.

Kaum eine Woche, in der nicht neue Einzelheiten aus dem Seelenleben der Dunkelrepublik ans Tageslicht gefördert werden. Immer wieder kassierte eine klandestine Gruppe im Umfeld von Privatisierungen oder Gesetzesvorhaben ab – das Prinzip nebulöser Geldflüsse durchzieht seit Jahren die politische Landschaft Österreichs. Es ist zu einer Art Leitmotiv verkommen, das auf eine morastige Verquickung von Wirtschaft und Politik, von Lobbyistentum und Interessenvertretern hindeutet, nie gänzlich aufgeklärt, dafür umso übel riechender.

“Eine Gruppe von Halunken hat sich äußerst brutal auf den Weg an die Futtertröge gemacht”, sagt der Wiener Verfassungsrechtler Heinz Mayer. In Österreich “gibt es ein sehr warmes Nest für Korruption”. Die Opposition, allen voran der Grünen-Politiker Peter Pilz, spricht von einer “systematischen Korruption in der Ära Schüssel” und fordert einen Untersuchungsausschuss, der die zahlreichen Fälle unter die Lupe nehmen soll.

Dabei tauchen immer wieder die gleichen Protagonisten auf – viele hatten enge Kontakte zur Rechtsaußenpartei von Jörg Haider, der FPÖ sowie deren Spaltprodukt, dem BZÖ. “Ausgerechnet jene Partei, die in den neunziger Jahren angetreten ist, den Filz und die Vetternwirtschaft der Großparteien zu stoppen, ist bei Skandalen auffallend oft vertreten”, konstatiert der Korruptionsexperte Hubert Sickinger.

Immer wieder spielen staatsnahe Unternehmen eine Rolle: Beispiel Buwog. Infolge der Privatisierung von knapp 62.000 Wohnungen der Bauen und Wohnen GmbH im Jahr 2004 erhielt der in Politkreisen gut vernetzte Lobbyist Peter Hochegger zusammen mit seinem Kompagnon Walter Meischberger von dem bestbietenden Konsortium Provisionen in Höhe von knapp zehn Millionen Euro – ohne ersichtliche Gegenleistung. Meischberger ist Freund und Trauzeuge von Karl-Heinz Grasser. Der war als Finanzminister für den Verkauf der Buwog-Wohnungen, dem größten Immobiliendeal seit Bestehen der Republik, zuständig.

Am Beispiel der Buwog-Privatisierung wird deutlich, wie geschmiert in Österreich mitunter Geschäfte laufen: Da erhält ausgerechnet das Finanzinstitut, bei dem ein Bekannter des Ministers arbeitet, den Zuschlag für die Durchführung der Privatisierung: Lehman Brothers. Schließlich macht ein Konsortium namens Immofinanz mit 961 Millionen Euro das Rennen, indem es den Konkurrenten um nur eine Million Euro überbietet. Die Erstbietersumme war dem Grasser-Freund Meischberger bekannt, so zumindest hat es Peter Hochegger vor der Staatsanwaltschaft ausgesagt. Meischberger dementiert das, er habe die Summe “nicht wissen, nur spüren” können. Auch Grasser sagt, er habe die Informationen nicht weitergegeben. Es habe sich um einen “korrekten Bieterprozess” gehandelt, alles sei “supertransparent” gelaufen.

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