DEUTSCHLAND-Tagebuch: 17/12/15 – Wie man erfolgreich eine Demokratie zerlegt

Autoren betrachten kleine und große Ereignisse, die dieses Land prägen und nicht in der täglichen Nachrichtenflut untergehen sollten. Persönliche und politische Gedanken. Ein deutsches Tagebuch.

Von Michael Kraske

debattiersalon: Deutschlandfahne, schwarz-rot-gold,Marion Kraske @ 2014Am Wochenende hat es in meiner Stadt gebrannt. Ein versprengter Haufen Neonazis kam, um in Connewitz, Leipzigs alternativem Süden, zu provozieren. Da, wo es bunt ist und lebenswert. Und in den Straßen drum rum haben junge, sich selbst für links haltende Gewalttäter nur darauf gewartet zu randalieren. Sie haben Mülltonnen angezündet und Steine geworfen. Gegen Polizisten und Autos und Häuser. Sie haben sich ausgetobt, etliche Menschen verletzt, zerstört. Gewalt war das Ziel, und sie haben damit nicht nur Menschen verletzt und in Gefahr gebracht, die sie in verquasten Pamphleten „Schweine“ nennen, sondern sie haben auch jenen Demokraten geschadet, die sich den Neonazis friedlich entgegen stellen wollten. Soll im Nachhinein keiner von Provokation faseln und davon, das sei nur passiert, weil nicht in Sicht- und Hörweite zu den Neonazis demonstriert werden durfte. Wer sich in einer Demokratie, so fehlerhaft sie und ihre Institutionen auch sein mögen, aufführt, als müsse er gegen eine totalitäre Diktatur in den Bürgerkrieg ziehen, ist ein Feind der Demokratie.

Seit Georges Sorel geistert dessen Mythos der Gewalt durch linke Subkulturen, ohne dass irgendjemand schlüssig erklären könnte, wie zerschlagene Fensterscheiben oder verletzte Polizisten oder zerstörte Haltestellen soziale Missstände beheben oder eine defizitäre Demokratie menschlicher machen oder grassierenden Rassismus bekämpfen könnten. Wenn Gewalt verbrämt wird und Opfer in Kauf genommen werden, wird es gefährlich.

Demokratiefeindliche Polizeigewalt

Demokratiefeindlich handelt aber auch eine Polizei, die nicht zwischen Gewalttätern und friedlichen Demonstranten unterscheidet. Augenzeugen berichten, wie sie geradezu eingekesselt wurden, bevor sie unter Tränengas gesetzt wurden. Unter den Beschossenen seien Eltern mit ihren Kindern gewesen. Andere geben an, grundlos mit dem Schlagstock geschlagen worden zu sein. Der Jenaer Pfarrer Lothar König berichtet von einem Faustschlag eines Polizisten in sein Gesicht. Polizisten riskieren auf solchen Demos ihre Gesundheit. Sie haben jedes demokratische Recht, konsequent gegen Gewalttäter vorzugehen. Aber sie haben kein Recht dazu, Gewalt gegen friedliche Demonstranten anzuwenden. Damit schadet die Polizei der Demokratie. Das staatliche Gewaltmonopol darf auch in Extremsituationen nicht zur Willkür verkommen. Gewalt von Linksautonomen rechtfertigt keine Gewalt gegen Bürger, die ihr Demonstrationsrecht wahrnehmen oder nur zufällig im Weg stehen.

Während der ritualisierten Straßengewalt die ritualisierten Wortgefechte und Schuldzuweisungen folgen, brennt es weiter im Land. Die Chronik der Anschläge auf Asylunterkünfte wird zusehends namenlos, weil die Zahl der Tatorte beinahe täglich steigt. Molotowcocktail gegen eine Hausfassade in Pirna. Drei Brand-Kanister ins ehemalige Technologiezentrum in Herxheim. Aufgedrehte Wasserhähne in der geplanten Unterkunft in Bad Bevensen. Ein fremdenfeindlicher Mob, der in Jahnsdorf bei Chemnitz einen Bus mit Flüchtlingen mit Steinen und Feuerwerkskörpern angreift und dabei den Busfahrer verletzt.

Asylheime brennen ungestraft

Zeit-Reporter zählen 222 Anschläge auf Asylunterkünfte, ganze 41 Tatverdächtige, nur acht Anklagen und beschämend wenige Urteile, nämlich vier. Das Bundeskriminalamt analysiert, die Täter seien zumeist 20 bis 25 Jahre alt und kämen mehrheitlich aus der Nachbarschaft. Etwa die Hälfte zündelt allein, die andere Hälfte mit wenigen Komplizen. Warum werden so wenige Täter ermittelt? Warum wird kaum jemand verurteilt? Behörden beschädigen die Demokratie, wenn sie unterlassen, wozu sie verpflichtet sind. Was nicht ermittelt wird, kann nicht angeklagt und verurteilt werden.

Nach den Leipziger Krawallen hagelt es Rechtfertigungen und Relativierungen und Schuldzuweisungen von allen Seiten. Linke Randalierer gegen rechte Brandstifter verrechnen zu wollen ist grober Unfug. Nur weil so wenige rechte Gewalttäter verurteilt werden, macht das die Gewalt Linksautonomer nicht besser oder harmloser oder vernachlässigenswerter. Sowohl Bürger als auch Politiker als auch Journalisten dürfen es zum Kotzen finden und Strafen einfordern, wenn ein Stadtviertel zerlegt und in die Bühne für eine sinnlose Gewaltinszenierung verwandelt wird.

Umgekehrt ist es zynisch, angesichts der Leipziger Straßenschlacht von brennenden Asylunterkünften ablenken zu wollen. Nach dem Motto: Der wirkliche Feind steht links, nicht rechts. Polizei und Staatsanwaltschaft haben verdammt noch mal endlich den fremdenfeindlichen Brandstiftern und mordlustigen Menschenhassern das Handwerk zu legen. Sie haben Täter zu ermitteln und anzuklagen. Und Richter müssen sie wegsperren. So einfach ist das.

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