DEUTSCHLAND-Tagebuch: Terror im Kopf

Coldyplay

Von Michael Kraske

Bdebattiersalon: Deutschlandfahne, schwarz-rot-gold,Marion Kraske @ 2014eim Konzert von Coldplay hat meine Begleiterin neulich einen Terroristen entdeckt, jedenfalls einen dringend Terrorverdächtigen. Der junge Mann stand vor uns im Innenraum, trug eine schwarze Lederjacke und dichtes schwarzes Haar. Bis sie sagte, dass er ihr unheimlich sei, wirkte der junge Mann auf mich eher sympathisch. Aber nun sah auch ich die quadratische Ausstülpung unter seiner Jacke am Rücken. Was war das? Plastiksprengstoff? Und warum hatte er ein Kabel am Smartphone?

Auf einmal kam mir der junge Mann auch sehr verdächtig vor. Warum war er allein da? Warum blieb er reglos, wenn allen um ihn rum hüpften und tanzten? Und warum kniff er sich ständig mit zwei Fingern in den Hals? Hatte er eine Art Chip implantiert, mit dem er was auch immer zünden konnte? Warum griff er sich immer wieder an den Hals? Übte er für den entscheidenden Griff an den Zünder?

Umhauen oder draufwerfen?

Natürlich kamen mir meine eigenen Gedanken durchaus hochgradig paranoid vor. Aber was, wenn nicht? Während Coldplay ihre knallbunten Pop-Songs sangen und es buntes Konfetti regnete, überlegte ich, ob es besser wäre, ihn notfalls umzuhauen oder mich schützend auf meine Begleiterin zu werfen. Mir war schon klar, dass wir so oder so keine Chance gehabt hätten.

Eine Weile lang behielt ich ihn im Auge. Stellte mich so, dass er in Sprungweite blieb. Was mir dann zu denken gab war, dass er ab und zu einzelne Textzeilen mitsang. Er war textsicherer als ich. Klar, auch Terroristen können sich vorbereiten und Texte üben, aber in mir war der Zweifel am Zweifel gesät. Nach und nach begann ich, wieder in die Musik einzutauchen. Ich begann zu hüpfen, zu klatschen, zu tanzen. Und es wirkte. So gut, wie Küssen und Sichindenarmnehmen.

Komisch wie du und ich

Kurz vor Schluss verließ der Terrorverdächtige übrigens seinen Platz und ging. Einfach so, ohne, dass eine Bombe explodierte. Wenig später knallte es zwar, aber das waren nur die Roadies, die anfingen, die Bühne abzubauen. Ja, der junge schwarzhaarige Mann war komisch gewesen. Wahrscheinlich genauso komisch wie ich, wenn mich mal jemand genauer unter die Lupe nimmt. Terror hatte es nur in unseren Köpfen gegeben. Die Angst hat einige Minuten lang auf der Unbeschwertheit einen durchgeknallten Pogo aufgeführt, aber sie hat nicht triumphiert. Wie gesagt – Tanzen, Hüpfen, Singen, Lieben, das alles hilft.

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