Von Marion Kraske
Auf den ersten Blick mutet der aktuelle Wahl-Slogan der AfD harmlos an: “Mut zu Deutschland” steht da auf weißen Lettern, im Hintergrund dominiert das Schwarz-Rot-Gold der deutschen Flagge. So zurückgenommen im Ton freilich ist die gesamte Wahlkampagne zur Europawahl der angeblichen Alternative für Deutschland indes nicht. Die Fernseh-Werbespots etwa, so schlicht und handwerklich dilettantisch sie auch daher kommen mögen, zeigen glasklar auf, mit was die AfD derzeit Stimmung macht: Mit Hetze gegen Europa, mit Neidgefühlen gegen Zuwanderer, mit einem empörten „Wir“ der kleinen Leute, die sich erheben gegen eine nebulöse Klasse, gegen „Die da“ oben, wer immer sie auch sein mögen.
Zwar werden Parteichef Bernd Lucke und sein prominenter Gehilfe Hans-Olaf Henkel nicht müde, zu betonen, dass sie keine Rechtspopulisten seien. Und doch: Die AfD streut Ressentiments, Gift wird gesäht, ganz in der Tradition klasssicher Rechtsaußenparteien.
Verbrämt wird das Ganze zum einen mit dem Deckmäntelchen der Bürgerlichkeit (wahrlich erstaunlich, dass sich so viele Menschen mit akademischem Abschluss der AfD angeschlossen haben), zum anderen mit der unter radikalen Parteien gerne verwendeten Losung: Mehr Mut zur Wahrheit. Lange verwies die AfD auf den Leitspruch, die Partei des „gesunden Menschenverstandes“ zu sein. Das freilich suggeriert, dass es einen gesunden und einen ungesunden Verstand gibt. Auf der richtigen Seite natürlich stehen Lucke und Co.
Studie: AfD nutzt Ängste
Eine mehr als 100-seitige Studie, die vom Deutschen Gewerkschaftsbund in Auftrag gegeben wurde, hat die Rhetorik und Ausrichtung der AfD unter die Lupe genommen und kommt zu folgendem Ergebnis: Zum Zwecke ihrer politischen Inszenierung bediene sich die AfD rechtspopulistischer Parolen. Sie „nutzt dabei die Ängste der Bevölkerung vor sozialem und wirtschaftlichem Abstieg“, um sie „in eine Politik der Feindbilder“ zu kanalisieren. Vor allem die führenden Köpfe der AfD, konstatiert die Forschergruppe unter dem Düsseldorfer Rechtsextremismusexperten Alexander Häusler, nutzten ihre Auftritte für rechtspopulistischen Jargon.
Das bei Rechten allseits beliebte Thema Zuwanderung darf da natürlich nicht fehlen. Auch wenn es auf einigen Wahl-Plakaten der AfD lediglich heißt, dass Zuwanderung „klare Regeln“ brauche, so ist doch eindeutig, dass die Lucke-Partei Zuwanderung alles andere als neutral (oder gar positiv) bewertet. So warnte der Chef der Alternative in einer Rede vor „sozialen Bodensatz“ – gemeint waren niedrig Qualifizierte aus anderen Ländern. Ein Ausdruck, der ideologisch besetzt ist – von den Nationalsozialisten und ihrer Vorstellung von Unter- und Übermenschen.
Das Mantra der Ungleichheit einer superioren Mehrheitsgesellschaft auf der einen Seite und Mitgliedern einer weniger „werten“ Minderheitsgesellschaft auf der anderen Seite –
es ist ein wesentlicher Baustein des geistigen Rechtsextremismus.
Ganz klar spielt die AfD mit eben diesen Anklängen. Nicht zuletzt deshalb waren auch die Sarrazinschen Thesen vom Dummen-Gen der Muslime keine bloße Banalität, sondern ideologisch am äußerst rechten Rand angesiedelt. Aus seiner inhaltlichen Nähe zu Sarrazin hat Hans-Olaf Henkel ohnehin nie einen Hehl gemacht: „Ich unterstütze Sarrazin ohne Wenn und Aber“, sagte er nach der Veröffentlichung des hetzerischen Gassenhauers „Deutschland schafft sich ab”.
Inhaltliche Überschneidungen mit NPD und Pro-Parteien
Laut DGB-Studie gibt es zudem inhaltliche Überschneidungen der AfD mit weiteren Protagonisten des rechten Randes, den Republikanern, der NPD oder den Pro-Parteien wie Pro-NRW und Pro Deutschland. Und wie diese auch schürt die AfD eine paranoide Anti-Stimmung, vor allem in Form gezielter Euro-Kritik. Bei der AfD hört sich das dann so an: „Mehr Bürger, weniger Brüssel“. Mit Slogans wie diesen versuchen Lucke und seine Mannen die Gemeinschaft als Gegensatz zu den Bedürfnissen des normalen Bürgers zu verorten. Auf diese Weise wird Misstrauen und Ablehnung gesäht.
Ein beliebtes Mittel: Die Rolle des Opfers
Kritik an der AfD und ihrer Ausrichtung nimmt die Partei neuerdings zum Anlass, um sich, ein beliebtes Mittel bei Rechtspopulisten, als Opfer einer vermeintlichen öffentlichen Meinungsdiktatur zu stilisieren. Dabei schrecken AfD-Mitglieder noch nicht einmal davor zurück, die Lage der Partei mit denen der Juden unter dem Nationalsozialismus zu vergleichen. Ein AfD-Mitglied postete via Facebook einen Stern, ähnlich einem Judenstern, in der Mitte prangte das Kürzel der Partei. Die AfD, so die Message, werde durch „staatlich verordneten Antifaschismus“ unterdrückt.
Jenseits der Grenzen tummeln sich weitere Parteien, die weniger an politischen Lösungen denn an kalkulierter Meinungsmache interessiert sind. In Österreich hetzt die Partei von Heinz-Christian Strache schon seit Jahren gegen die Verantwortlichen in Brüssel, mal bei den heimischen Parlamentswahlen, mal bei den Europawahlen. Und auch im laufenden Wahlkampf darf das im Alpenland gern gehörte EU-Bashing nicht fehlen: Man müsse Kompetenzen zurück holen, nicht abtreten, so der FPÖ-Parteichef, dem ein Gericht vor Jahren bestätigte, dass er einen Nähe zum Nationalsozialismus aufweise. In der Tintenburg Brüssel, so Strache, säßen ohnehin nur „Großkopferte“, die den Bürgern weis machten, was gut für sie sei. “
Die EU als Feindbild schlechthin
Die EU, so das Fazit eines FPÖ-Granden aus Niederösterreich, habe Arbeitslosigkeit, Armut und Kriminalität gebracht. Dass das Alpenland, ganz im Gegenteil, wie kein anderes etwa von der Europäischen Erweiterung profitert hat – das behalten die FPÖ-ler lieber für sich. http://diepresse.com/home/politik/eu/530137/Wie-Osterreich-von-der-EU-profitiert Auch das eine Gemeinsamkeit mit anderen rechten Parteien: Stramm an den Fakten vorbei lässt sich so manche EU-Hetze besser unters Volk bringen.
Weniger Europa will auch Geert Wilders. Anders als die Strache-FPÖ, die zurück will zu einer Europäischen Gemeinschaft, die nichts mehr ist als eine Freihandelszone, strebt Wilders gleich den radikalen Ausstieg seines Landes aus der EU an: In Interviews verweist der Niederländer gerne auf das Modell Schweiz.
Dass seine Partei aber bei weitem nicht nur harmlose Austrittsphantasien hegt, bewies Wilders jüngst auf einer Wahlkampfveranstaltung, indem er Zuhörer gegen marokkanische Zuwanderer aufwiegelte. „Wollt ihr in den Niederlanden mehr oder weniger Marokkaner?“, rief er ins Publikum. Seine Anhänger bellten begeistert zurück: „Weniger, weniger!“
Aufwiegelung gegen Zuwanderer
Diese Art der Stimmungsmache erinnert in der Intonation an die diabolische Rede von NS-Propagandaminister Joseph Goebbels im Berliner Sportpalast („Wollt ihr den totalen Krieg“). Kritiker sehen denn auch eine neue Qualität in der Aufwiegelung des Niederländers Wilders und seiner Partei für die Freiheit.
In Frankreich schöpft die Tochter des langjährigen Front-National-Chef Jean-Marie Le Pen die Wut und Enttäuschung in der Bevölkerung ab, sie hetzt, sie stänkert, gegen Minderheiten, gegen Zuwanderer, gegen Israel. Marine le Pen hat die Rechtsaußenpartei optisch zwar stark verjüngt, die Demokratie gefährdenden Inhalte, die sie vertritt, sind freilich dieselben geblieben.
Nachdem Marine Le Pen im Europaparlament öffentlich betende Muslime mit der Besatzung Frankreichs unter den Nazis verglich, verlor die Hardlinerin ihre Immunität. Den Aufruf zum Rassenhass verteidigte Le Pen anschließend: Sie habe lediglich das ausgesprochen, was die Franzosen denken, die Anschuldigungen gegen sie seien Beleg für das öffentliche „Meinungsdiktat“. Die Opferrolle – sie bemühen sie auch im Nachbarland.
Schon Le Pens Vater war mit kruden Geschichtsvergleichen angetreten. Er verharmloste die Shoah einmal als „Teil der Geschichte“. Auch der Front National würde die EU am liebsten in der derzeitigen Form abschaffen, er will eine weitere Integration auf europäischer Ebene verhindern. „Wir nehmen an der Europa-Wahl teil, weil wir den Fortschritt des europäischen Projekts blockieren wollen“, sagte Tochter Le Pen jüngst der französischen Sonntagszeitung „Le Journal du Dimanche“.
Stimmungsmache mit kruden Äußerungen
Quer durch Europa rüsten sich die EU-Gegner, um in Brüssel gegen die Gemeinschaft zu Felde zu ziehen., mit mal mehr mal weniger kruden Äußerungen. Die rechtsextreme Jobbik in Ungarn, die bei den Parlamentswahlen jüngst auf 20 Prozent kam, macht regelmäßig mit antisemtitischen Angriffen von sich reden. Parteichef Gabor Vona erklärte bei einer Kundgebung im Stadtzentrum von Budapest, das Geld für die Entschädigung für Holocaust-Überlebende hätte anderweitig besser verwendet werden können. Ein Parteigenosse ließ sich gar zu folgender Äußerung hinreißen: „Der Genozid, den Israel an der palästinensischen Urbevölkerung begeht, ist schlimmer als das, was sich die Nationalsozialisten in ihren kühnsten Träumen ausgemalt haben.“
Und auch in Bulgarien treten Rchtsaußen an, um Neid und Missgunst gegenüber Zunwanderern in Wählerstimmen umzumünzen. So bezeichnete eine Vertreterin der radikalen Ataka-Partei jüngst Flüchtlinge als „Kannibalen“, „Primaten“ und „Massenmörder“.
Studie: Kritische Masse an enttäuschten Wählern
Solche Parolen kommen derzeit an in Europa. Nicht die Gemeinsamkeiten haben momentan Hochkonjunktur, sondern das Trennende, das Ausgrenzende. Laut einer Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung existieren mehrere Erfolgsfaktoren, die die Stärke der Rechtsaußen-Parteien derzeit begünstigen. Zum einen bestimmten die Themen Einwanderung und Europakritik stark den öffentlichen Diskurs. Wichtige Medien seien zudem offen für extrem verkürzte und radikal zugespitzte Darstellungen dieser Themen. Zudem gebe es eine kritische Masse an ungebundenen und enttäuschten Wählern, die offen seien für die Stimmungsmache der rechten Rattenfänger.
Der Boden ist also fruchtbar, für Lucke bis Wilders. Bei der Europawahl (vom 22. bis 25. Mai) könnten Anti-Euro-Parteien und EU-kritische Gruppierungen laut Umfragen mit etwa einem Viertel der 751 Sitze rechnen.