Von Marion Kraske
Seit Tagen spricht die Republik vom Treffen zwischen dem Grünen-Bundestagsabgeordneten Ströbele und dem Whistleblower Edward Snowden. Berlin schaut nicht mehr weg, sondern hin. Endlich diskutiert man darüber, wie es weiter gehen soll, welche Konsequenzen aus der NSA-Spähaffäre zu ziehen sind. Es ist Bewegung gekommen in eine Sache, die sich zu einem dem größten Skandale der Nachkriegsgeschichte ausgewachsen hat. Das Erstaunliche daran ist, dass ein einziges Bundestagsmitglied es geschafft hat, mit seiner beherzten Initiative den Berliner Regierungsapparat (oder das was davon übrig geblieben ist) aus seiner kollektiven Tiefschlaf- und Verdrängungsphase zu katapultieren.
Nachdem uns die Merkelianer wochenlang eingeredet haben: Alles nicht so schlimm, alles geklärt, alles beendet, schreckte das Reste-Kabinett – immerhin so viel Reflex besitzt man noch – wenigstens in dem Moment auf, als bekannt wurde, dass die Kanzlerin via Handy ebenso von der NSA ausgeforscht wird wie wir alle. Doch statt konkrete Handlungsschritte zu skizzieren, traten wieder neue Hilflosigkeiten zu Tage, man könne, man werde, die USA solle….Einziger Lichtblick: Amerika scheint – angeblich – zu einem Anti-Spionageabkommen bereit.
Ströbeles Coup entlarvt die Verantwortlichen als ignorante Schnarchtruppe: Peinlich, dass ein einziger couragierter Parlamentarier die Arbeit von lethargischen Geheimdienstlern und blinden Politvertretern übernehmen muss, damit die politische Kaste den Ernst der Lage erfasst. Das Versagen der Regierung Merkel erweist sich dabei als mindestens so historisch wie die Dimension der NSA-Affäre. Handlungsunfähigkeit in einer Situation, die offen legt, dass die Souveränität der Bundesrepublik von angeblichen Verbündeten mit Füßen getreten wird.
Da traf es sich gut, dass wenigstens Ströbele unerbittlich auf Aufklärung drängte – und zwar nicht wie der heillos überforderte bisherige Innenminister bei den ach so netten amerikanischen Freunden, die ihre NSA-Spitzel gar zu modernen Heroen stilisieren, sondern eben dort, wo ausreichend Wissen über die Methoden der NSA sowie kritische Distanz zu deren Machenschaften vorhanden ist: beim angeblichen „Volksverräter“ Snowden.
Wie blind derweil Teile der Union noch immer sind, beweist wieder einmal Dummschwätzer Michael Grosse-Brömer, parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, indem er auch mit Blick auf Ströbeles Moskau-Reise erklärte: “Das Verhalten mancher Kollegen in dieser Sache erscheint mir in letzter Zeit weniger politisch und rechtlich fundiert als vielmehr der Eigenwerbung geschuldet.”
Es ist wohl weniger Eigenwerbung als die himmelschreiende Untätigkeit der Merkel-Riege, die Ströbele zum Treffen mit Snowden bewegte. Anders als der abgewählten Regierung,, die wochenlang nicht gewillt war, die durch die USA begangenen millionenfachen Grundrechtsverletzungen zu ahnden und damit den viel zitierten Schaden von der deutschen Bevölkerung abzuwenden oder umgehend zu beenden, hat Ströbele mit seinem Alleingang Druck aufgebaut, der die künftige Bundesregierung zum Handeln zwingt. Ströbele gebührt dafür nicht weniger als das Bundesverdienstkreuz.
Die Verdrängungskünstler der CDU wie Grosse-Brömer, deren Blick ideologisch verkleistert zu sein scheint, sollten dagegen ihren Hut nehmen. Sie waren den Anforderungen des NSA-Skandals nicht gewachsen. Neben Ronald Pofalla („Die Vorwürde sind „vom Tisch“) steht Grosse-Brömer mit seinen absurden Äußerungen wie kein anderer für das Realitätsversagen der Union im NSA-Skandal.
Mitte August erklärte er, bar jeder Ahnung: „Die Behauptung, dass es in Deutschland eine millionenfache Grundrechtsverletzung gegeben habe, ist entkräftet.“ , um dann vor der Bundestagswahl neuerlich nachzulegen und der Opposition voruwerfen, das Thema NSA mutwillig zu skandalisieren. Es gebe keinen Skandal, sondern lediglich den “Wunsch, diesen Skandal am Leben zu erhalten, die Menschen zu verunsichern aus wahltaktischen Gründen.” Da hilft nur eins: Zügiges Abtreten!