Wulff macht den Guttenberg

Von Marcus Müller

Bundespräsident Christian Wulff kommt der von Kanzlerin Angela Merkel angeblich gestellten Anforderung an das oberste Staatsamt nach Vorgänger Köhlers Flucht gerade vorbildlich nach. Die Forderung lautet: wie ein richtiger Politiker zu handeln. Ein bisschen eingestehen, wenn sich’s gar nicht mehr vermeiden lässt, im Juristendeutsch haarscharf an dem vorbeireden, was eigentlich Sache ist und nun – wenn auch milde – die Presse beschimpfen. Wulff redet bei Letzterem dezent von Staub aufwirbeln. Doch dieser Staub wird ihm noch in den Augen schmerzen.

Denn wenn es stimmt, was der SPIEGEL über den „falschen Präsidenten“ am Wochenende berichtet hat, dann kann Wulff nicht im Amt bleiben: Entweder hat er tatsächlich keine Ahnung davon, wie Geschäftsbeziehungen gerne verschleiert werden – nämlich indem sie mit einer Person verhandelt und praktisch abgeschlossen werden, nur eben auf dem Papier eine andere Person als Geschäftspartner auftaucht. Oder Wulff hat das alles gewusst, ihm war die Verschleierung recht, wofür allein schon das ursprüngliche Verschweigen im Landtag spricht. Dann hat er bisher schlicht nicht die Wahrheit gesagt: Wulff macht den Guttenberg.

Auch der Freiherr war entweder zu blöd, um mit mehreren Computern, Datenträgern, einer Familie, einem Job und dem Willen zu einem akademischen Titel umzugehen, obwohl andere, weniger adelige Doktoranden das in diesem Land sonst auch zu gelingen scheint. Oder Guttenberg lügt einfach vor sich hin. In beiden Fällen ist er für höhere Ämter nicht geeignet – die Parallelen zu Bundespräsident Christian Wulff sind, leider, frappierend. Da hilft auch nicht das höhere Amt, das jetzt „nicht beschädigt“ werden dürfe, wie es immer heißt, wenn eine unangenehme Debatte abgewürgt werden soll. Allein, Wulff selbst hat genau das längst getan, inzwischen auch mit seinen amateurhaften Verteidigungsversuchen. Schon die sprachliche Windung, er „erkenne an, dass hier ein falscher Eindruck entstehen konnte“, ist eine Frechheit. Sie unterstellt, dass die Medien es bewusst falsch verstehen wollten. Tatsächlich haben der Bundespräsident und sein Sprecher die Angelegenheit verschwurbelt, wie es nur ging.

Was in den scheibchenweisen Äußerungen von Wulff und den bemühten Hinweisen, der Präsident habe juristisch nichts Falsches gesagt ein wenig untergeht: Der STERN-Reporter Hans-Martin Tillack wirft Wulff – bisher unwidersprochen – vor, früh in der Kreditaffäre „Halbwahrheiten“ verbreitet zu haben, indem er den Eindruck erweckt habe, die Stuttgarter BW-Bank sei von Anfang an der Geschäftspartner für den Hauskauf gewesen. Das war ganz offensichtlich nie richtig – schon für diese Aussage muss man an Wulff zweifeln.

Weiterhin peinlich an der Affäre ist, dass Wulff jetzt unfreiwillig sein Präsidentschaftsthema gefunden hat: das Wohnen. Im Urlaub macht er das gern bei reichen Leuten. Privat bevorzugt er mit einer 120-Prozent-Finanzierung ein „Wahnsinnsmodell“, wie FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher treffend schreibt. In den USA hat das zur Immobilienblase geführt und ist daher hierzulande zu Recht verteufelt worden. Wie soll so ein Präsident noch glaubhaft zu den irren Auswüchsen in der Wirtschaft sprechen? Dass die hässliche Klinkerhölle von Großburgwedel jetzt auch noch aus berufenem Munde den Stempel „bieder“ erhalten hat, wundert kaum noch.

Man hätte über die Bedeutung des Wohnens für die Wulffs viel früher gewarnt sein können. Wenn etwa mehr Medien wie der FREITAG von den etwas seltsamen Vorstellungen der Frau Wulff berichtet hätten. Sie hatte demnach auf dem Sommerfest kurz nach der Wahl ihres Mannes zum Präsidenten nach besonderer Fürsorge in Sachen Wohnung durch die anwesenden Sponsoren gefragt, die Dahlemer Dienstvilla wurde damals gerade renoviert.

Es bleibt bei diesem Präsidenten nur die einem Werbespruch eines allseits bekannten schwedischen Möbelhauses entlehnte Frage: Wohnst du noch im Bellevue, oder gehst du schon zurück nach Niedersachsen?

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Eine Antwort auf Wulff macht den Guttenberg

  1. Rajesh sagt:

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