Von Irren und Windmaschinen

Von Marcus Müller

Ist er wieder da, Horst Seehofer, der „Quartals-Irre“? Der schon vor einigen Jahren so von einem eher unbekannten FDP-Politiker gescholtene bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende hat jedenfalls mit dem Bruch der schwarz-gelben Koalition gedroht. Mal wieder. Wenn wir Politik-Interessierten richtig gezählt haben, dürfte das jetzt die vierte Drohung dieser Art von ihm sein, seit sich im Bund die so genannte Wunsch-Koalition gefunden hat. Und nein, das vorherige seehofersche Drohen (zur beschönigend Betreuungsgeld genannten Herdprämie) ist noch keine drei Monate her; nicht einmal drei Wochen. Das mit dem Quartal stimmt also schon mal nicht…
Gängig erklärt wird Seehofers Gebrüll mit seinem Fracksausen vor der nächsten Wahl in Bayern.
Das darf und muss er aus seiner Sicht wohl haben, soll er nicht einst als derjenige in den Geschichtsbüchern stehen, der den Abstieg der CSU aus den Höhen komfortabler Mehrheiten endgültig besiegelt hat. Da auch Bayern die schöne, an sich in ganz Deutschland eingeführte Demokratie-Gepflogenheit der wechselnden Parlamentsmehrheiten unbedingt einmal richtig kennen lernen sollte, ist jedem verwegenen Herausforderer (aus der SPD oder woher auch immer) nur Glück und Gelingen zu wünschen.

Doch eigentlich ärgerlich bleibt an Seehofers Äußerungen im ‚stern’,
was sie über die Mechanik von Politik und Medien in diesem Lande sagen. Schaut man sie sich nämlich genauer an, ist das kurzzeitige Aufflackern einer so genannten Debatte darüber vertane Lebenszeit.

Keine Hilfen will Seehofer an Spanien und Italien geben „ohne strikte Auflagen und Reformvorgaben“ und „irgendwann“ sei ein Punkt erreicht, an dem die bayerische Regierung und die CSU nicht mehr Ja sagen könnten zur Euro-Rettung. Es gelte letztlich für ihn das Wort der Kanzlerin, dass genau das so beim EU-Gipfel vereinbart wurde. Na, aber hallo, das ist ja mal eine Drohung: Wenn also in einer nicht näher bestimmten Zukunft etwas passiert, von dem Seehofers Ober-Kollegin sagt, dass es nicht passieren werde, dann, ja dann…!
Natürlich ist Seehofers folgender Hinweis, dass die Schwarz-Gelben im Bundestag auch auf die Stimmen der CSU angewiesen sind, eine glasklare Drohung. Aber unter welchen Bedingungen genau Seehofer diese Karte ziehen würde? Das bleibt in dem Interview nebulös, jedenfalls aber so undeutlich, dass er die Fluchttür locker finden wird. Irgendeine „Auflage“ wird schon dabei sein, damit Seehofer die Koalition nicht platzen lässt. Wie all die Male davor. Und nur am Rande: Wenn es keinen besonderen Mut erfordert, dann verweigert sich die CSU im Bundestag jetzt schon zum Teil, wie vergangene Woche bei der Abstimmung über den Euro-Rettungspakt.

Man könnte bei Seehofers Interview auch zu dem Schluss kommen: Der Mann hat mal wieder nichts gesagt. Windmaschine angeworfen und sich mächtig gefreut, wie das den anderen die Frisuren zerzaust. Aber lauten so die Überschriften? Natürlich nicht. Da ist von Zerreißproben, Bruch, Drohungen die Rede; auf ‚Spiegel Online’ „wütet“ einer und in der heimatlichen ‚Süddeutschen Zeitung’ „poltert“ der Mann. Einfach gesagt wird in der Politik-Berichterstattung ja schon lange nichts mehr. Und jetzt beginnt der übliche Prozess, dass Generalsekretäre und alle anderen, die sich berufen fühlen, ihre eigenen Windräder vor die seehofersche Windmaschine stellen und ihrerseits poltern, wüten oder spotten. Auf dass auch für sie etwas Energie abfalle – eine Art Polit-Perpetuum-Mobile.

Die große Pointe auf diesem Boulevard der von einer Windmaschine gespeisten Windräder will natürlich Seehofer selbst setzen, indem er treuherzig beteuert, er habe doch gar nicht von Koalitionsbruch gesprochen. Schön irre, irgendwie.

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