Skandal, Skandal!

Von Marion Kraske

Tja, so ist das mit diesem Parlament. Es ist manchmal unberechenbarer als es auf den ersten Blick den Anschein hat. Da dachte die schwarz-gelbe Koalition, sie könne den rückwärtsgewandten Unfug namens Betreuungsgeld schnell und unbürokratisch durch die Instanzen prügeln. Und dann das: Keine Parlamentarier, keine Abstimmung, kein Gesetz. Ziemlich belämmert stehen sie nun da. Vor der Sommerpause wird es nun nichts mehr mit dem familien- und integrationspolitischen Amoklauf.

Und natürlich ist die Opposition an allem schuld, die ja nicht anwesend war, als man sie so dringend brauchte. Skandal, Skandal, trompetet daher manch Vertreter der Koalition, vor allem die der CSU.

Hallo? Schon mal nachgezählt? Wo waren sie denn, die Vertreter der Koalition? Schon mitbekommen, dass auch die eigenen Mannen beim Hammelsprung abtrünnig waren? Immerhin 126 waren es, die da mit Abwesenheit glänzten. Zu Dutzenden tummelten sich die Parlamentarier von Schwarz-gelb irgendwo, nur nicht da, wo es ja angeblich um Zukunftsgerichtetes gehen sollte. Skandal, Skandal!

Was war das Ganze also? Ein Tiefpunkt des deutschen Parlamentarismus, wie die Christsozialen herumtrompeten , die das Betreuungsgeld ganz offensichtlich für ihre immerwährende Heimchen-am-Herd-Nostalgie brauchen? Oder in Wahrheit doch eher ein Sieg der Vernunft vor peinlichem Politikversagen?

Oder wer wollte im Ernst an einen Zufall glauben, dass bei einem derart umstrittenen Vorhaben parteiübergreifend so viele Abgeordnete fehlen? Immerhin halten auch etliche (ja, es gibt die Vernunftgesteuerten auch hier) aus den Reihen der Union, allen voran die CDU-Frauen, das Betreuungsgeld für bodenlosen Unfug.

Und endlich, endlich dämmert es auch der FDP: Schon fordert Parteichef Rösler, man möge doch die Sommerpause dazu nutzen, um mögliche Veränderungen an dem geplanten Gesetz vorzunehmen. NRW-Chef Lindner nennt das immerhin gemeinsam beschlossene Vorhaben gleich komplett überflüssig.

Das freilich hätte den Liberalen wirklich schon früher einfallen können. Warum das peinliche Hü und Hott, warum die reichlich späte Positionierung gegen das Gesetz, warum die Retourkutsche gegen Madame Merkel und das ihnen von Horst Seehofer ins Nest gelegte faule Ei?

Und so liegt der Skandal keineswegs in der mangels Masse abgebrochenen Lesung. Der eigentliche Aufreger läge darin, wenn ein Gesetz, das die Republik nicht braucht, das keinem hilft, ja im Gegenteil, das dazu beiträgt, bedürftigen Kinder die Frühförderung in Kitas vorzuenthalten, das zusätzlich im Jahr noch 1,2 Milliarden Euro verschlingt, die man dringend für den strukturellen Ausbau der Kinderbetreuung benötigt, gegen alle Vernunft tatsächlich zustande käme. Es wäre das sinnloseste und kontraproduktivste Unterfangen, das eine deutsche Regierung seit langem auf den Weg gebracht hätte. Ein echter Skandal.

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