Sind wir Wulff? Nein!

Von Marcus Müller

Bundespräsident Christian Wulff hat bei einer Feierstunde eingeräumt, dass auch er früher Warnungen vor Rechtsextremismus in Deutschland für übertrieben gehalten habe. Weiter sagte er: „Wir haben es alle nicht für möglich gehalten. Einschließlich der Polizei und der Sicherheitsorgane haben wir alle es auch nicht für möglich halten wollen, dass es das in unserem Land und in dieser Zeit gibt.“ Mit Verlaub: Da mogelt sich Wulff schon wieder um die Wahrheit herum. Wir alle? Er hat es nicht für möglich halten wollen. Die fast schon fanatische Bundesfamilienministerin Kristina Schröder hat lieber überall Linksextreme sehen wollen. Für den niedersächsischen Innenminister Uwe Schünemann war dieses Land viel eher auf dem Weg in den Linksterrorismus. Roland Koch fand es zu seinen aktiven Politikzeiten gut und hilfreich, fremdenfeindliche Parolen abzusondern. Der nach Brüssel abgeschobene, aber immer noch aktive Günther Oettinger erkannte in Hans Filbinger, der in der Nazi-Zeit Marine-Richter war, doch tatsächlich einen Widerstandskämpfer. Der FDP-Rebell Jürgen Möllemann gefiel sich in zumindest unterschwelligem Antisemitismus. Diese Liste ließe sich fortsetzen, auch mit dem SPD-Mitglied Thilo Sarrazin, der weiter krude Rassentheorien verbreitet. Mit seinem vereinnahmenden „wir alle“ kann Wulff doch in erster Linie nur die Konservativen und Rechten meinen. Sie waren und sind auf dem rechten Auge sehr blind.
Es gab aber auch etliche, die schon immer beharrlich darauf hingewiesen haben, dass die Probleme am rechten Rand gefährlicher sind als von vielen angenommen. Sie wurden deshalb nicht selten für, vorsichtig formuliert, etwas überspannte Zeitgenossen gehalten. Das in einer Rede etwas differenzierter darzustellen, wäre eine gute Chance gewesen für Wulff, seine Eignung als Bundespräsident zu beweisen. Man kann ihm den guten Willen zubilligen, dass er vielleicht die herrschende politische Klasse meinte, viele Institutionen und auch den Mainstream der Medien. Aber er hat es eben nur halb geschafft, eine wirklich klare Botschaft zu senden. Das ist um so bedauerlicher, weil er ansonsten deutlich von „Scham und Zorn“ geredet hat. Außerdem nannte er Mord an den europäischen Juden und der Versuch der Vernichtung ihrer Kultur „die niedrigste Stufe, auf die deutsche Kultur je sinken konnte“. Das hört man von Konservativen auch nicht so oft, ziehen die in Kulturfragen doch lieber den Goethe hervor. An entscheidender Stelle ist diese Rede eben wieder nur der Anschein von Tiefe und Bedeutung gewesen. Und politisch erkennt man in Wulff den Lakaien der Regierung. Einer Regierung, der nichts lieber ist, als jegliche politische Verantwortung hinter Aktionismus wie einer Nazi-Datei zu verstecken.

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