Von Michael Kraske
Dortmund und Deutschland haben ein anschauliches Beispiel der Fankultur von Dynamo Dresden erhalten. Vor dem Pokalspiel beim BVB versuchte offenbar ein Dresdner Hooligan-Mob das Dortmunder Stadion zu stürmen. Während des Spiels zündelten Anhänger mit Pyrotechnik. Großaufnahmen zeigten vermummte Chaoten im Gästeblock: den Kapuzenpulli überm Kopf, die schützende Sonnenbrille vor den Augen. Bilder wie bei der letzten NPD-Demo. Nach dem Spiel dann die ritualisierten Beschwichtigungen. Schade, dass einige wenige Chaoten dem Sport und den treuen Fans so schaden. Bla bla.
Die Wahrheit ist viel schlimmer. Im ostdeutschen Fußball hat sich ritualisierte Gewalt, Rassismus und Rechtsextremismus bei vielen Vereinen tief in die Fankultur gefressen. Dynamo Dresden ist dabei ein Wiederholungstäter. Immer wieder fallen Sympathisanten des Vereins durch antijüdische Schmähgesänge und Plakate auf. Auch Anhänger der Traditionsvereine Lok Leipzig und Chemnitzer FC fallen immer wieder durch Gewalt und rechtsextreme Parolen auf. Als beim Leipziger Derby Lok gegen FC Sachsen vor einiger Zeit Lok-Hooligans vor dem Zentralstadion über Besucher herfielen und Familienväter vor den Augen ihrer Kinder zusammen prügelten, gab der damalige Vereinsvorsitzende der Polizei die Schuld. Ja, wenn man unsere Ultras da vorbei marschieren lässt, muss man sich ja nicht wundern. So, als wären das Raubtiere, die natürlich eine Gazelle reißen, wenn sie eine kriegen.
Egal, ob Stadionbesucher Affenlaute imitieren, um einen schwarzen Spieler zu demütigen oder ritualisierte Gewalt am Rande von Fußballspielen ausleben. Der Reflex vieler ostdeutscher Fußballvereine auf die Untaten der eigenen Fans ist häufig Abwehr, Beschwichtigung, Kleinreden, Totschweigen. Das fängt schon im Stadion an, wie in Dortmund gesehen, wenn der Dynamo-Torwart im Interview nach der Pleite beim Deutschen Meister so tut, als habe er mit dem, was hinter seinem Tor passiert, eigentlich nichts tu tun.
Das Gegenteil wäre wichtig: Alle, vom Torwart bis zum Vereinsboss, müssten Stellung beziehen. Nicht mit wohlfeilen Beschwichtigungsformeln wie: Die allermeisten unserer Fans sind treue, ehrliche Fußballliebhaber, denen nichts ferner liegt als Gewalt, es sind ja nur ganz, ganz wenige Ausnahmen, die leider zum negativen Bild in der Öffentlichkeit undsoweiter. Es brauchte eine Kampfansage: Das ist unser Fußball! Unser Verein! Wer in unserem Namen prügelt und Juden hasst, hat nichts in unserem Fan-Block zu suchen! Auch die echten Fans, die Seite an Seite mit Hooligans stehen, dürfen sich nicht drücken: Die Fanclubs müssen Gewalt und Hass ächten und aus ihren Kurven verbannen anstatt das Unerträgliche als radikale Spielart der eigenen Fankultur zu tolerieren. In Dortmund konnte man sehen, wie unterschiedlich Schwarzgelb sein kann. Auf der Südtribüne Tausende BVB-Fans mit Gesängen, Fahnen und Schals. Gegenüber im Kreis der anderen Dynamo-Fans die Vermummten, die über Zäune klettern, Böller abfeuern und Gegenstände schmeißen. Auf der Internetseite von Dynamo findet sich ein Spielbericht. Zu den Krawallen mit Verletzten und diversen Festnahmen kein eigenes Wort. Nur ein Zeitungsbericht über die „Chaoten“.
Der DFB muss verhaltensauffällige Vereine hart abstrafen: Spiele vor leeren Rängen, Punktabzug, Geldstrafen, Zwangsabstieg. Es muss weh tun, damit sich was ändert. Das Argument, ein Verein sei nicht für seine Fans verantwortlich ist ebenso Unfug wie jenes, dass harte Strafen letztlich die ehrenamtlichen Trainer, Betreuer und Jugendspieler härter treffe als die Hooligans. Im Fußball gilt: einer für alle, alle für einen. Im Guten wie im Schlechten. Die Vereine müssen Gewalttäter und Neonazis rigoros vor die Tür setzen. Auf die Gefahr hin, die eigene Fankurve auszudünnen. Es fängt mit einer Haltung an. Dynamo-Stürmer Robert Koch hat es vorgemacht. Ja, er schäme sich, hat er dem ZDF-Reporter nach dem Spiel geantwortet. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Es ist ein Anfang.