Von Marion Kraske
Jüngst im journalistischen Seminar einer deutschen Hochschule: Man diskutiert über die Affäre Wulff, über reichlich spendable Freunde und zugeschanzte Kredite für grotten-hässlichen Klinkerbau, über dreiste Bereicherung und hochnotpeinliches Upgrading bei einer Billig-Fluglinie. Die angehenden Journalisten finden das freilich alles halb so schlimm: Auch ein Politiker müsse doch noch Freunde haben dürfen. Die Debatte über den Bundespräsidenten sei schon sehr, sehr deutsch, befinden sie in der Runde. Schließlich meldet sich eine Studentin zu Wort und sagt: Sie wisse gar nicht, wo denn eigentlich das Problem sei. Es sei doch völlig normal, dass man Freunde bevorzuge, gerade auch im geschäftlichen Bereich, und so sei es doch kaum verwunderlich, dass eine solche Praxis auch unter Politikern Normalität sei.
Innehalten.
Ist sie das bereits? Die Kapitulation der Wähler – in diesem Falle der akademischen, noch dazu künftigen journalistischen Elite – vor den Unabänderlichkeiten einer wertelosen Gesellschaft? Die innere Emigration in einen resignierenden Ruhezustand, in dem zweifelhafte Entwicklungen zwar schemenhaft wahrgenommen, aber nicht mehr mit kritischer Distanz bis zu Ende gedacht werden?
Denn worum geht es bei der Diskussion um den Glamour-liebenden Bundespräsidenten? Um eine Neiddebatte, wie viele Kritiker, auch einige der Studenten, neuerlich ins Feld führen? Um Staub, wie es der Bundespräsident selber anfänglich – gänzlich frei von Selbstzweifeln – ausdrückte? Am Ende gar um den ausgeprägten Selbstbeschäftigungstrieb einer sich langweilenden Medienmasse?
Wohl kaum. …[ mehr ]