Neue Serie: Die Mal-so-mal-so-Kanzlerin als Cowgirl

Von Marcus Müller

Bundeskanzlerin Angela Merkel ist ja vermutlich aufgrund ihrer Herkunft mit dem Phänomen der Dialektik einigermaßen vertraut. Nur so ist jedenfalls zu verstehen, dass sie einerseits fröhlich in das konservative Medienmantra einstimmt, das Internet dürfe kein rechtsfreier Raum sein. Hat man von ihr auch schon gehört, Bochum dürfe keinesfalls rechtsfrei bleiben, als dort das letzte Mal ein Fahrrad gestohlen wurde? So wie Merkel sich aber offensichtlich weiter nach Bochum traut, ist sie jetzt schon wieder in diesem Internet unterwegs. Seit Mittwoch hat die deutsche Regierung einen eigenen Kanal auf YouTube. Ob nun allein schon diese Traute und der Ausritt Merkels in dieses angeblich doch so gefährliche Gelände ihr etwas cowgirlhaft Mutiges verleiht, ob allein schon die digitale Anwesenheit einer leibhaftigen Bundeskanzlerin dem Internet mehr oder weniger Rechtsfreiheit beschert – das mögen mal die Kabarettisten wegkalauern.
Ärgerlich bleibt, dass mit dem Angebot natürlich kein direkter und gestärkter „Dialog der Bundesregierung mit den Bürgerinnen und Bürgern“ noch dazu „in Wort und Bild“ zustande kommen wird. Da mögen die Autoren der Seite und Regierungssprecher Steffen Seibert noch so modern klingende Sätze aus ihren Tastaturen kippen. Das ganze bleibt eine Halde für noch mehr PR-Müll. Kostprobe? Wir dürfen aus dem Munde des Herrn Regierungssprechers höchstselbst erfahren, dass er „schon wieder zwei Minuten verspätet“ auf irgendeinen Knopf drückt. Das müsse besser werden, sagt er. Nur das? Und wen, bitteschön, soll es scheren, dass Herr Seibert zu spät zu einer Telefonkonferenz kommt? Lächerlich. Natürlich erzählt Merkels angestelltes Mundwerk Seibert, dass er gaaanz früh am Morgen die elektronische Presseschau auf seinem iPad liest. Aber er verschweigt natürlich gerne, dass er darüber schon mal die Lektüre der FAZ vergisst. Das besorgen dann doch die ach so bösen Journalisten und nennen den Mann frech einen Hofdiener. Kein Wunder, dass man sich da nach einem Kanal sehnt, den man unter Kontrolle halten kann.
Dass es nicht besser werden wird, nachdem die Profilneurose des Regierungssprechers bedient worden ist, zeigen die Aussagen der Minister Schäuble, Westerwelle und Friedrich zur Bedeutung Europas. Da wird offenbar nicht nur schön nach Koalitionsparteien-Proporz das Mikro hingehalten – der CDU- und der FDP-Minister dürfen ein bisschen mehr reden, aber der CSU-Mann muss auch noch sagen dürfen, dass das Reisen in ganz Europa so schön ist. Die inhaltliche Belanglosigkeit entfaltet eine fast schon hinterhältige Wirkung: Mehr fällt denen dazu also nicht ein?!
Noch zwei weitere Pointen hält der Kanal bereit: 50 Jahre nachdem Konrad Adenauer, der angebliche politische Opa Merkels, mit seinem Staatsfernsehen am Bundesverfassungsgericht gescheitert ist, meldet Merkel Vollzug. Die Mal-so-Mal-so-Kanzlerin wird es dem konservativen Parteivolk so als Linientreue zu verkaufen wissen, wie einst, man glaubt es kaum, die Fahrt im Wahlkampfzug Rheingold-Express von Adenauer bereits als Beleg dafür herhalten musste. Vollprogramm gibt es für das Internet-Staatsfernsehen fast auch schon: Ein Video-Schnipsel für die Technikfreaks erklärt die (einen Regierungsapparat offenbar noch immer verblüffende) Möglichkeit der Nachrichtenübermittlung per SMS. Sogar an die Kanzlerin! Der Hammer! Für den kleinen Lokalbericht aus Hessen hätte der Schnipsel über die Landebahn-Eröffnung durch die Kanzlerin persönlich herhalten können. So richtig schön mit Grußwort und Flatterband-Durchschneiden. Leider ist das dann doch nur eine recycelte Ansprache aus dem Videoblog Merkels mit den zur Kanzler-Raute geformten Händen.
Pointe zwei: Der Regierungskanal lässt zwar Zuschauerfragen an die Kanzlerin zu, doch auf die wird sie ab Mitte November antworten, ohne tatsächlich etwas zu sagen. Alte Schule, wie immer. Oder kann sich jemand daran erinnern, dass es schon einmal einem Journalisten in einem direkten Gespräch mit der Mal-so-Mal-so-Kanzlerin gelungen wäre, sie auf irgendetwas festzunageln? Wenn Merkels Drang zum direkten Internet-Bekenntnis wirklich so groß ist, hätte sie vielleicht schon mal anfangen können, eine der Fragen an sie auf Abgeordnetenwatch.de zu beantworten. Fast 600 sind es. Antworten: null.

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2 Antworten auf Neue Serie: Die Mal-so-mal-so-Kanzlerin als Cowgirl

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