Medienkritik: Wie aus einer Dietl-Satire

Von Martin Häusler

Keine Frage: Die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender verschwenden eine Menge Geld. Wer mit Menschen spricht, die einmal bei ARD oder ZDF gearbeitet haben oder immer noch dort arbeiten, erfährt – ganz vertraulich selbstverständlich – von ungeheuerlichen Anekdoten, die wirken wie aus einer Satire von Helmut Dietl. Da geht es dann um Spesenprasserei, um überzogene Honorare, um die Überbelegung von Redaktionen und die damit einhergehende Faulheit, und es geht um Klüngel, wie zuletzt beim MDR öffentlich geworden.
Nun meldet sich mal wieder Kurt Beck zu Wort. Nicht etwa wegen jener Anekdoten, sondern mit der Forderung, den meisten der öffentlich-rechtlichen Digitalkanälen – inzwischen sind es insgesamt sechs (Eins Extra, Eins Plus, Eins Festival sowie ZDF Neo, ZDF Info, ZDF Kultur) – den Saft abzudrehen. „Zeitgemäße Strukturen“ wünscht der rheinland-pfälzische Medienpolitiker sich von ARD und ZDF. Da hat Beck natürlich Recht. Krisenzeiten verlangen auch von den Fernsehanstalten einen harten Sparkurs. Und dazu gehört sicherlich, dass man seine in den letzten Jahren gelebte Expansion, die in diverse Spartenkanäle mündete, erheblich drosselt, wenn nicht sogar einstellt.
In dem Extrem, in dem sich Beck das vorstellt – man käme auf Einsparungen im dreistelligen Millionenbereich –, wird es jedoch nicht gehen können. Denn gerade die Digitalkanäle garantieren ARD und ZDF das Überleben. Sie sind für ein junges Publikum konzipiert und bieten mitunter qualitätsvolle Ausweichmöglichkeiten für diejenigen, die sich im gut situierten Bohnerwachs-Programm zwischen „Tatort“ und „Traumschiff“, das dem demographischen Wandel Rechnung trägt, nicht mehr aufgehoben fühlen, aber eben doch zur Zahlung der Rundfunkgebühr verpflichtet sind. Wer die TV-Zwangsabgabe für alle verteidigen will, muss Spartenkanäle wie ZDF Neo schaffen. Wer diesen Weg nicht geht, holt sich früher oder später Ärger ins Haus, indem Hunderttausende die Überweisung ihrer Gebühr verweigern oder „Occupy Lerchenberg!“ brüllen.
„Zeitgemäße Strukturen“ indes schafft man anders. Sie haben vor allen mit der radikalen Abkehr von einer Mentalität zu tun, die der alten Zeit des spielfilmhaften Geldvernichtens angehört. Einer Zeit, in der man glaubte, die Milliarden-Einnahmen des Millionen-Publikums bloß ausgeben und nicht nachhaltig verwalten und in jeder einzelnen Abteilung mit Bedacht einsetzen zu müssen. Die Öffentlich-Rechtlichen können und dürfen nicht mehr über ihre Verhältnisse leben und wirtschaften. Dafür hat sich um sie herum zu viel getan. Sie müssen sich der krisenhaften Realität stellen, mit aller Strenge sparen und sich von Liebgewonnenem verabschieden. Und, gut, letztlich vielleicht auch von zumindest einem ihrer Kanäle.
Zu diesem Bewusstseinswandel gehörte allerdings, dass die Intendanten und Direktoren in den Programmzentralen in München und Mainz endlich erkennen, dass dort, wo man von der Werbewirtschaft annähernd unabhängig ist, Quoten und Marktanteile nicht mehr ihr Maß sein dürfen. So müssten die zukünftigen Investments mehr denn je in Richtung journalistischem Grundauftrag, gesellschaftlicher Vielfalt und einer ganzheitlichen Seelenbildung gehen bzw. umgeschichtet werden – und nicht in die Aufrechterhaltung eines verschwenderischen Systems, das die letzten Jahre und Jahrzehnte zudem ganz grandios in der Disziplin brilliert hat, den Trends des medialen Mainstreams hinterherzulaufen. Mit dieser Aufgabe tragen Senderhierarchen wie Volker Herres (ARD) und Thomas Bellut (ZDF) wahrscheinlich die größte Verantwortung in der deutschen Medienlandschaft.

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