Legida-Demo Leipzig: “Alle ins Arbeitslager”

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In Leipzig demonstrierten zwar tatsächlich eher 5000 als 15000 wie offiziell behauptet gegen die Islamisierung des Abendlandes. Zwei weitere wären aber gern dabei gewesen

Von Michael Kraske

Neulich am Leipziger Augustusplatz. Gegenüber vor der verdunkelten Oper stehen die Anhänger von Legida, schwenken Deutschland-Fahnen und lassen sich von dem Rechtspopulisten Jürgen Elsässer gegen das System einschwören. Die beiden kleinen alten Männer in den beigegrauen Anoraks wären jetzt auch gern drüben auf der anderen Seite. Aber sie sind nicht durchgekommen. Jetzt trennen sie Absperrgitter und Polizisten in Kampfanzügen von den anderen. Anstatt das Abendland zu retten stehen sie nun dicht gedrängt neben Studenten, die hüpfen und „Haut ab“ rufen und „Say it loud, say it clear, refugees are welcome here.“

Die beiden alten Männer sind klein, ihre Haare schon grau, die Gesichter haben Falten. Sie sind vielleicht Ende 60 und wenn sie nicht gerade zwischen Studenten stünden, würden sie mit ihrer farblosen Kleidung und den freudlosen, aber nicht unfreundlichen Minen nicht weiter auffallen. Die beiden grauen Männer liefern sich kurze Wortwechsel. Sie unterhalten sich nicht, werfen sich nur Enttäuschung und geteilte Verachtung zu. Man versteht Wortfetzen wie „Von denen hat doch noch keiner richtig gearbeitet“ und „nicht mal deutsch“ und was von „Arbeitslager“, wo die doch alle hingehören. Die, damit meinen sie wohl die jungen Leute um sie rum. Irgendwann reicht es einem Studenten mit Vollbart. Er habe das mit dem Arbeitslager gehört. Warum sie nicht einfach nach Hause gehen. Oder zu Legida. Er beginnt zu schieben und zu schupsen. Ich fordere ihn auf, die beiden Alten in Ruhe zu lassen. Er lässt sie in Ruhe.

Ich hab ja nichts gegen Ausländer aber…

Wenig später zupft mich einer der alten Männer am Arm und bedankt sich bei mir. Seine Augen warm und gütig. Er sieht aus, als wäre er froh, nicht geschlagen worden zu sein. Ich frage ihn, wofür oder wogegen er denn da drüber demonstrieren möchte. Er flüstert, dass er nichts gegen Ausländer und Asylanten habe, überhaupt nicht, aber er wolle, dass endlich wieder auf das Volk gehört wird. Ausländerfeindlichkeit wird in diesen Zeiten gern mit der Bemerkung eingeleitet, man habe ja nichts gegen Ausländer, aber…

Ich frage, ob er denn wisse, dass Legida von Neonazis getragen werde und offen gegen Flüchtlinge und Migranten hetze. Der Mann zuckt mit den Schultern und flutet sein Gesicht mit Unwissenheit. Nein, davon wisse er nichts. Er und sein Begleiter hätten 40 Jahre gearbeitet. Darum seien sie hier. Was immer er damit auch sagen will. Ich frage, ob es ihm denn egal sei, sich mit Neonazis einzulassen. Ob er sich nicht eine andere Demo aussuchen müsse, um für sein Anliegen einzutreten. Er zuckt wieder die Schultern, tätschelt meine Schultern und sagt, wir beide sollten gut miteinander bleiben. Er will keinen Streit. Er wünscht sich die arbeitsscheue Studenten, die kein Deutsch sprechen, ins Arbeitslager. Aber streiten will er nicht. Kurz danach gehen die beiden Alten. Vielleicht haben sie es doch noch zu Legida geschafft.

Attacken gegen Journalisten – Polizisten sehen zu

Später werden vermummte, junge Legida-Demonstranten unter den Augen von Polizisten Journalisten attackieren. 4400 Polizisten werden da sein, um bei der Demo von 5000 Fremdenfeinden für Ordnung zu sorgen. Als jedoch ein schwarz gekleideter Straßenkämpfer an der Spitze des Demo-Zugs einen Reporter jagt und zu Boden tritt, wird kein Polizist zur Stelle sein. Sogar Legida-Ordner mit weißen Armbinden werden Fotografen an ihrer Arbeit hindern, ohne dass die Polizisten daneben einschreiten. Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) wird der Polizei später für diesen gelungenen Einsatz danken. Gemeinsam rufen die Demonstranten wieder „Lügenpresse, Lügenpresse“. Den Begriff, den schon Joseph Goebbels so mochte. Und den Anorakbürgern ist es egal, dass sie Seite an Seite mit Fußball-Hooligans und Neonazis marschieren.

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