Kafkas Krankenkasse

Von Michael Kraske

Alle paar Wochen flattert ein neuer Brief von meiner Krankenkasse in meinen Briefkasten. In gefetteten Buchstaben steht „Bestandspflege“ auf den Schreiben. Was nicht bedeutet, dass sich meine Krankenkasse um mich sorgen würde. Vielmehr sorgt sie sich, dass sie zu viel zahlen muss, weil sich ein illegales Subjekt unter ihren Mitgliedern befinden könnte, das keinen Rechtsanspruch auf eine Mitgliedschaft hat. Ziel des Papierkriegs ist es, dieses Subjekt durch einen Fragebogen ausfindig zu machen, um es raus schmeißen zu können. Also bombardiert meine Krankenkasse Mitglieder wie mich mit Fragbögen, ersten und zweiten Erinnerungen und Mahnungen zu den Erinnerungen. In der Hoffnung, dass ich kapituliere und aufgrund von versäumten Fristen aus der Krankenkasse gekickt werden kann. Hätte Kafka eine Krankenkasse ersonnen, es wäre eine BKK.

In den Fragenbögen zur Familienmitversicherung wird abgefragt, über welches Einkommen Kleinkinder verfügen, ob Zweijährige einer geringfügigen Beschäftigung nachgehen oder ob sie eine Ausbildung absolvieren. Ich habe darauf hin schon mehrfach bei meiner Krankenkasse angerufen. Und wenn ich es aus der Warteschleife zu einem so genannten Sachbearbeiter geschafft habe, erklärt mir ein freundlicher Herr, dass diese Fragen möglicherweise nicht für jedes Mitglied passgenau formuliert sind, dass es aber immer wieder vorkomme, dass ein Kleinkind als Erbe über ein Quasi-Einkommen verfüge oder eine Rente beziehe. Ja, ja, da macht man sich als Nicht-Sachbearbeiter gar keine Vorstellung.

Also kreuze ich alle paar Wochen an, dass ein Kleinkind weder einer geringfügigen noch sonst irgendeiner bezahlten Beschäftigung nachgeht und füttere damit einen Apparat, der sich selbst genug ist und für Vollbeschäftigung unter Angestellten und Mitgliedern sorgt, auch wenn gar keine Leistungen in Form von Arztbesuchen in Anspruch genommen werden. Über diverse Tätigkeiten, die im engeren Sinne nichts mit Krankheiten und Versorgung zu tun haben, informiert mich dann eine Mitgliederzeitschrift, die noch ungelesener im Altpapier landet als das ADAC-Magazin, das die Charts der überflüssigen Druckerzeugnisse lange Jahre konkurrenzfrei anführte.

Als naives Kassenmitglied frage ich mich, warum wir überhaupt 146 Krankenkassen brauchen, mit 146 Vorständen, die so viel kassieren wie wirtschaftliche Hochleistungsträger. Warum nicht eine einzige Kasse reicht, die Arztbesuche und Apotheker-Rezepte begleicht und gut. Warum nicht alle Fragebogen-Vordrucke ins Altpapier wandern begleitet von dem Erlass, dass die Mitglieder verpflichtet werden, relevante Änderungen ihrer persönlichen Verhältnisse mitzuteilen. Die Fragebogen-Verschicker könnten stattdessen von ihren Schreibtischen geholt, mit Stöcken bewaffnet werden und zusätzliche Nordic Walking Kurse für ihre erschöpften Mitglieder anbieten. Das wäre zwar auch sinnlos, würde aber wenigstens die Nerven und die Umwelt schonen. Krankenkassen dieses Landes vereinigt euch!

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