Grün war die Hoffnung

Von Marion Kraske


Es ist gar nicht mal lange her, genauer im Herbst 2010, da konnte sich Rot-Grün über eine eigene Mehrheit freuen, erstmals seit der verloren gegangenen Bundestagswahl, dann explodierte in Fukushima die Mär von der sicheren Atomkraft, es folgte die Energiewende, und die Grünen glänzten als jene Partei , die eigentlich schon immer alles gewusst, die vor den großen Gefahren dieser Epoche folgerichtig gewarnt hatte. Die Turnschuh- und- Steinewerfer-Partei war zur moralischen Instanz geworden.
Die öffentliche Anti-Atom-Stimmung katapultierte die Grünen in bislang ungeahnte Höhen, zeitweilig Platz 2 – noch vor der SPD, die einstige Protestpartei war endlich da angekommen, wo sich die anderen etablierten Parteien seit Jahren gegenseitig beweihräuchern. Ganz weit oben.

Grün war die Hoffnung – auf dass es neben einem grünen Ministerpräsidenten in Baden-Württemberg auch im Bund für sehr viel mehr reichen würde. Auf dass man zur mächtigen Gestaltungsmacht aufsteigen würde, zum Partner auf Augenhöhe neben Schwarzen und Roten.

War da was?

Die grüne Euphorie, die grüne Sternstunde jedenfalls ist verpufft, ohne, dass die Ökopartei etwas aus ihrer Stärke gemacht hätte. Statt die Höhenflüge zu nutzen, um sich inhaltlich und programmatisch zu einer unverwechselbaren Stimme zu machen, statt neue Themengebiete zu erobern (Atom ist ja ja nun mehr als tot, seit Angela Merkel die Wende von der Wende vollzog) und sich personell zu erneuern hat man eigentlich nicht veiel mehr zu bieten als das verdruckste Geszerre um die aussichtsreichsten Spitzenplätze für den nächsten Urnengang.

Wer wird die Grünen anführen, die manchmal arg betroffene Claudia, der kühle Trittin, der farblose Cem, immerhin einer mit Migrationshintergrund, ansonsten ein Anti-Charismatiker, oder die evangelische Allzweckwaffe Katrin Göring-Eckardt? Renate Künast ist wohl raus, die hat´s bei der Berlin-Wahl vermasselt. Wer darf, wer geht ins Rennen – ganz schön etabliert diese Frage, oder?

Darüber hinaus: Nichts von Belang. Kein Protest, keine Diskussionskultur. Schon gar kein Aufbruch. Keine Themen. Das war einmal.

Nun aber hat die ewiggleiche Claudia-Jürgen-Cem-Katrin-Truppe Konkurrenz bekommen, und zwar ernst zu nehmende. Die Piraten sind zur akuten Gefahr geworden, mal haben sie, wie in der vergangenen Woche, die Grünen in einer Forsa-Umfrage schon überholt, mal sind sie ihnen knapp auf den Fersen. Die Botschaft ist klar: Die Luft ist raus bei den eingestaubten Ökos, der Ruf der Rebellenpartei aufgebraucht. Und es hat poff gemacht.

Jetzt sind die jungen Aufwiegler am Zug. Eine Partei, so chaotisch wie eine Asta-Veranstaltung am Politikinstitut, von der man nicht weiß, wofür sie eigentlich steht, eine männerlastige Offensive bartzelebrierender IT-Junkies, die, wie der neue Vorsitzende aus NRW, so bombastische Ziele formuliert wie „mehr Transparenz und Basisdemokratie“. Wow!

Eine Truppe, die Politik als öffentlichen Verpuppungsprozess begreift, den Weg als Ziel, vielleicht, ganz vielleicht, wird man sich ja einmal auf einheitliche Positionen festlegen. Ein bisschen Sexismus in den eigenen Reihen, ein bisschen braune Restbestände, was macht das schon. Heißt ja nichts, eh alles in Auflösung.

Apropos: Mit dieser ungelenken Performance schreddern die Piraten jedenfalls nicht nur das Image und die Erfolgsaussichten der greisenden Grünen, die mit den Newcomern um die gleiche Wählerschaft buhlen, sondern gleich unser gesamtes Parteiensystem.

Mit dem kometenhaften Aufstieg der Piraten kommt Schwung in die alte bundesrepublikanische Bude, es wird aufgebrochen, wo vieles zementiert schien. Wunderbar, eigentlich.

Es tut sich was, versprühte der ewige Gleichklang aus schwarz-gelb-rot-grün doch schon lange genug unerträgliche Sprechblasenmeierei (a la Westerwelle), groteske Hü- und Hott-Manöver (a la Angie Merkel), himmelschreiende Hybris (a la Sponsoren-Wulff), lügenbaroneskes Schmierentheater (a la zu Guttenberg). Jetzt, neben den Neuen, wirken diese Politikvertreter noch selbstgefälliger, noch abgehobener als zuvor. Alt wie ein vergessener Harzer Käse im Kühlfach. Und mit ihnen, und das ist neu, auch die ewigjungen und gleichzeitig doch so gesichtsalten Grünen.

Die Anhänger der Piraten stehen für eine Generation, die den Mangelerscheinungen des Politbetriebs die rote Karte zeigt. In diesem Sinne demaskiert die fast schon schamlose Inhaltslosigkeit der Boompartei die Verbogenheit des etablierten Politzirkuses mit ganzer Härte: Mangelnde Perfektion greift ein System an, das vor lauter Perfektion und Glattgewienertheit nicht mehr glaubwürdig wirkt, weil es vorrangig einer parteitaktisch ausgerichteten, phrasendreschenden, machtorientierten Politikerkaste huldigt.
Der angepeilte Maulkorbzwang von SchwarzRotGelb im Parlament ist da nur der neueste Beweis für eine Bürger- und Demokratieferne der lange Zeit staatstragenden Parteien, denen es nicht vorrangig um Inhalte, wohl aber um Parteiräson geht.

In diesem Sinne ist der Piratenboom gut für´s Land. Die Hoffnung ist nun nicht mehr grün, sondren orange getragen. Auch wenn man den kometengleich Aufgestiegenen eben gerade wegen ihres mangelhaften Inhalts nicht noch weitere, größere Zugewinne wünscht. Die Erkenntnis aber, die die übrigen Parteien aus der Erfolgsserie ziehen könnten, ist dazu angetan, das politische System zu erneuern. Dazu freilich wäre ein wenig Reflexion angebracht und mehr als das, was die etablierten Parteien bislang als Gegenoffensive aufbieten, nämlich Häme und Spott über den Newcomern auszugießen. Diese könnten manchen noch schnell vergehen.

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Eine Antwort auf Grün war die Hoffnung

  1. Leider kann ich den Argumenten gegen die Grünen nur schwer folgen!

    Was sich bei den Piraten zeigt, ist das Ergebnis einer fast nicht vorhandenen medialen Beobachtung der Parteien. 60.000 MitgiederInnen in Hessen stimmen für den Kurs von Ypsilanti und die Medien wenden sich den Umfragewerten der SPD-WählerInnen zu. Je nachdem, wie es den Medien gefällt, wird mal dieses mal jenes als relevant bezeichnet.

    Und so hat die eine und der andere – so er denn in eine Ortsvereinssitzung gerät – keinen Bock, darauf zu warten, bis er denn reden kann, sich in diese Gruppe hinein zu denken. Umgekehrt haben auch die AltGenossInnen oft keine “Willkommenskultur”, d.h. sie ignorieren die neuen potentiellen MitgliederInnen. Aber irgendwann reicht es denen und sie gründen eine eigene Partei. Aber das sagt nichts über Inhalte, sondern etwas über die Art und Weise des Umgangs mit neuen Menschen in einer Partei.

    Es geht um Teilhabe, mehr Teilhabe, mehr Entscheidungsmöglichkeiten, mehr persönliche Macht!

    Aber letztlich brauchts Kompetenz, wirkliches Wissen, nicht nur wissen wo! Und eine verantwortliche Perönlichkeit.

    Wenn man die Fragestunden des Bundestages verfolgt, kann man sich von der Kompetenz, Seriosität und Verantwortichkeit der Grünen überzeugen. Nichts geht zur Zeit über die Kompetenz dieser Partei (z.b. Dr.Schick…)