Gerhard Schröder: Der peinliche Putin-Versteher

Von Michael Kraske

Der Alt-Kanzler hat nicht nur die Seiten gewechselt, sondern sich in beispielloser Weise öffentlich selbst entmündigt. Die Geschichte eines politischen Totalausfalls.

Das Land hätte ihn tatsächlich noch mal brauchen können. Ihn, den Agenda-Kanzler, den Genossen der Bosse, das politische Großmaul, das seinen Abgang nach der Wahlniederlage gegen Angela Merkel zelebrierte wie ein testosteronhaltiges Rumpelstilzchen. Gerhard Schröder hätte in der Krim-Krise vermitteln können, weil er sich als Kanzler um gute Beziehungen zu Russland bemüht hatte und gut mit Putin kann. Aber Gerhard Schröder ist durch seinen Job für die Nord Stream AG nicht nur Befehlsempfänger des Mehrheitseigentümers Gazprom geworden, er ist auch zum voreingenommenen und befangenen Lobbyisten verkommen. Er hat sich nicht nur als potentieller Vermittler, sondern auch als ernstzunehmende politische Stimme unmöglich gemacht. Gerhard Schröder sollte über Putin und Russland und die EU und die Krim schweigen. Aber dafür ist sein Ego zu groß und sein Gespür für politischen Anstand zu schwach.

Wie Schröder nach seinem politischen Amt zum Pipeline-Vertreter wurde, ist nicht ungewöhnlich. Politiker nutzen gern ihre langjährigen Kontakte in die Wirtschaft als Sprungbrett für eine neue Karriere auf der anderen Seite. Lobby-Beobachter nennen das Drehtür-Effekt. Kritiker sprechen von nachgelagerter Korruption, wenn Politiker in ein Segment wechseln, mit dem sie zuvor als Politiker befasst waren, über das sie mitunter gar entschieden haben. Diese Art des verspäteten Dankeschöns seitens der Wirtschaft ist nicht strafbar, nur anrüchig. Gerhard Schröder wurde Vorsitzender des Aktionärsausschusses der Nord Stream AG, dessen Mehrheitseigentümer mit 51 Prozent Gazprom ist. In größere Abhängigkeit von einem staatswichtigen russischen Riesen kann sich ein deutscher Ex-Politiker kaum begeben.

Selbstverordnete Blindheit

Gerhard Schröder hatte Wladimir Putin mit seinem lächerlich absurden Wort vom „lupenreinen Demokraten“ schon früh einen demokratietheoretischen Persilschein ausgestellt. Politische Beobachter schüttelten befremdet den Kopf. Kaum ein prominentes Politikerzitat, dem mehr Realitätsferne inne wohnt. Trotzig verteidigte Schröder seinen „Freund“ gegen berechtigte Kritik. Egal, ob die russische Polizei gegen Demonstranten knüppelte, Putin sich mit einer Rochade, die einem politischen Taschenspieler-Trick glich, zurück ins Präsidentenamt beförderte oder die Meinungsfreiheit im Land drangsaliert wurde – von seinem ruhig gestellten deutschen Freund musste der skrupellose Machtmensch Putin kein böses Wort fürchten. Nun wäre es zu viel der Ehre, Schröders selbstverordnete Betriebsblindheit für Putins immer unverhohlenere Machtpolitik verantwortlich zu machen. Unzweifelhaft hätte aber die Chance bestanden, Putin in einem kritischen Dialog stärker in die demokratische Pflicht zu nehmen. Echte Freundschaft beinhaltet immer auch, sich unangenehme Wahrheiten sagen zu können. In diesem Sinne sind Putin und Schröder keine guten Freunde.

Schröder und Putin sind keine Freunde

Nun hat Gerhard Schröder das russische Vorgehen auf der Krim zwar als Verstoß gegen das Völkerrecht bezeichnet, zugleich aber mit dem Verweis auf das eigene Vorgehen im Kosovo-Konflikt davor gewarnt, das über zu bewerten. Er hat die Ukraine zu einem kulturell gespaltenen Land erklärt und viel Verständnis für die russische Sicht gezeigt. Das Verhalten der EU in Bezug auf die Ukraine hat nicht nur Schröder kritisiert, aber es fällt auf, dass Schröder zwar bereit ist, über russische Befindlichkeiten zu sprechen, nicht aber über die unheilvolle Rolle Putins. Schröder bekannte öffentlich, mit Putin gar nicht über die Krise gesprochen zu haben. So weit geht offenbar die Selbstentmündigung. Als offizieller Vermittler eignet sich der Lobbyist Schröder ja tatsächlich nicht mehr. Aber offenbar traut er sich nicht mal ein politisches Gespräch mit Putin auf Augenhöhe zu, zum Wohle Europas.

Schröder hat sein neues Buch, das er gar nicht geschrieben, sondern nur mit Interview-Antworten bestückt hat „Klare Worte“ genannt. Erschienen ist es bezeichnenderweise im Herder-Verlag, der schon durch das peinliche Rechtfertigungsbuch des Duos von Guttenberg/di Lorenzo unangenehm aufgefallen ist und unter politischem Sachbuch zusehends prominente Selbstbeweihräucherung versteht. Der Titel „Klare Worte“ ist von unübertrefflicher Ironie. Klare Worte in Bezug auf Putin hat Schröder nie gesprochen, kann es auch nicht mehr. Gerhard Schröder hat seine Rolle gefunden. Er sollte sie akzeptieren. Mit allen Konsequenzen.

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Eine Antwort auf Gerhard Schröder: Der peinliche Putin-Versteher

  1. journalistenspinnen sagt:

    Word!
    “Dieses dumme Wort vom Russlandversteher zeigt ja auch, dass die, die es benutzen, es für besser finden, wenn man Russland nicht versteht.” Sagt Horst Teltschik!
    http://www.deutschlandfunk.de/ukraine-der-gespraechsfaden-darf-nicht-abreissen.694.de.html?dram:article_id=284633
    Aber die besserwisserischen Journalisten krei sen mal wieder nur um sich, ohne Sachverstand und kümmern sich um die Lächerlichkeiten am Rand.