Gebührenvernichter ZDF: Häuser, Herde, Explosionen

Von Martin Häusler

Nennen Sie mich konservativ, nennen Sie mich moralisch, nennen Sie mich einen Spielverderber. Aber das, was das ZDF freitagabends durchs Sommerloch sendet, ist keine mediale Bagatelle. Es ist ein Frontalangriff auf die Intelligenz des Publikums. Es ist eine Missachtung gesellschaftlicher Zustände. Es ist die dreisteste Pulverisierung des Gebührengedanken seit Langem und damit ein Fall für den Verwaltungsrat.
Stein des Anstoßes: die Sendung „Nicht nachmachen!“ mit Wigald Boning und Bernhard Hoecker. Die als experimentelles Wissensformat verkaufte Produktion ist in Wahrheit dreist inszeniertes Zeugnis postmaterialistischer Zerstörungs- und Verschwendungslust ohne jeden Anspruch. Die Aufgabe der beiden Altkomiker: Inventar, wie es sich in jedem deutschen Haushalt findet, in die Luft zu jagen bzw. zweckzuentfremden. Konkret: In Folge eins ließen sie ungeöffnete Konservendosen auf der Herdplatte detonieren, sie brachten eine Rotweinflasche in der Mikrowelle zur Explosion oder schütteten Kaffeegranulat in die Heizungsanlage, um sich ihre Tassen aus Wasserhahn oder Dusche zu befüllen.
Als Schlusspointe gossen sie Hektoliter Flüssigsahne in einen Bottich, damit diese von einem Außenbordmotor steifgeschlagen werden möge. Wie Bonings und Hoeckers Drehort am Ende ausgesehen hat, kann man sich vorstellen. Das freistehende Haus, so wissen Sender-Eingeweihte über den großen Showdown zu berichten, werde am Ende der sechs Folgen sogar komplett gesprengt. Geschätzte Kosten für die Sommerlochsproduktion: eine gute Million.
Hier geht es weder um Fernsehgeschmack noch um Humorverständnis.
In Zeiten wie diesen – geprägt von den Konsequenzen eines verschwenderischen Lebenswandels und Wirtschaftens der letzten Jahrzehnte – ein solches Format ins Programm zu nehmen, zeugt davon, als Sender-Hierarch nicht ein Fünkchen dessen verstanden zu haben, was um den Mainzer Lerchenberg herum passiert. Ob noch der einstige Programmdirektor und jetzige Intendant Thomas Bellut für die Beauftragung dieser Provokation grünes Licht gegeben hat oder bereits sein Nachfolger Norbert Himmler – das ZDF kann man in diesem Falle nicht einfach so davonkommen lassen. „Nicht nachmachen!“ gehört auf die Tagesordnung der nächsten Gremiensitzungen. Jetzt wäre der oft gerügte Einfluss eines Verwaltungsrates notwendig.
Denn möglicherweise – wenn nicht sogar höchstwahrscheinlich – bleibt eine solche Sendung kein Einzelfall, sondern ist der Beginn einer geradezu ekelhaften Ranschmeiße an das Publikum, das dem ZDF seit Jahren den Rücken kehrt: die Jungen, die Teenager, die Twens. Schließlich hat der öffentlich-rechtliche Sender in der Branche vor wenigen Tagen mitunter für Befremden gesorgt, nachdem die Personalie des neuen Unterhaltungschefs an die Oberfläche perlte: Oliver Fuchs hat als Produzent vor allem Entertainment-Formate zu verantworten gehabt, die weitestgehend nirgendwo anders hinpassten als in den Mainstream des Privatfernsehens (wie „Rach, der Restauranttester“, „Schwiegertochter gesucht“ oder „Ich Tarzan, Du Jane“).
Wer zu solch grotesken Mitteln greift wie der Boning-Hoecker-Show, um die digitale Generation doch wieder auf die vergessene, coca-cola- und paprikapulververklebte ZDF-Taste der Fernbedienung drücken zu lassen, macht kein visionäres und verantwortungsvolles Programm. Er ist verzweifelt. Und Verzweifelte sollten auf rauer See nicht das Ruder in der Hand haben.

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