Drei Tage in London – was der Journalist di Lorenzo angerichtet hat

Ein Kommentar von Stefan Heijnk, Professor für Journalistik an der FH Hannover

ein Crosspost von: www.texten-fuers-web.de

Jeder Journalist und jede Journalistin handelt tagtäglich stets auch pars pro toto für die gesamte Berufsgruppe. Wenn Journalisten also individuelle Fehler machen, wenn sie Schädliches anrichten gegen eine Person, eine Institution oder auch gegen berufsständische Normen, dann leidet in jedem einzelnen Fall auch die Glaubwürdigkeit des journalistischen Berufsstandes insgesamt.

Giovanni di Lorenzo, Chefredakteur der Wochenzeitung Die Zeit, hat einen solchen Fehler begangen. Weniger mit dem Interview als solchem, obschon auch das sicher kein journalistisches Glanzstück ist. Vielmehr mit dem Umstand, dass das Interview kein Interview ist, sondern ein Kooperationsprojekt: Di Lorenzo lässt sich Geld geben dafür, dass er Guttenberg für ein gemeinsames Buch drei Tage lang in London befragt hat. Selbst wenn er, wie er im Spiegel sagt, mit seinen Redaktionskollegen bei der Zeit bald “in Ruhe” über die Verwendung dieses Geldes sprechen will: Es bleibt ein Deal mit Geschmäckle, denn ein solches Konstrukt unterläuft – begründet oder nicht – schon im Ansatz jede gebotene journalistische Unabhängigkeit. Guttenbergs publizistische Gegenleistung für diese exklusiven Interviewdienste ist die Erlaubnis an di Lorenzo, Auszüge des Interviews in der Zeit abzudrucken. Und dieses Interview im Blatt wird dann wiederum genutzt, um den Abverkauf des gemeinsamen Buches zu fördern – die renommierte Zeit als Promotion-Instrument für Gutti, mit Guttenberg im Großformat als Aufmacher und mit vier Interview-Seiten im Blatt. Nebendran steht in einem Kasten als Gebrauchsanweisung für alle, die es vielleicht nicht gleich so verstehen mögen: Das Interview sei “zwangsläufig auch ein Streitgespräch geworden.” Eine schöne, höchst fragwürdige und völlig verkorkste Medienpartnerschaft.

Und wie geht di Lorenzo damit um? Für jeden, der in seiner Arbeit einen Fehler begeht, gibt es drei Optionen: 1. Aussitzen und so tun, als sei nichts gewesen. 2. Den Fehler eingestehen – und sich damit auf alle Zeit angreifbar machen, die eigene Position also dauerhaft und beweiskräftig schwächen. 3. Den Fehler nicht eingestehen, auf Zeit spielen, in der Hoffnung, dass Gras über die Angelegenheit wächst, um nach einiger Zeit die volle Handlungsfähigkeit zurückzuerlangen, die Weste also sauber zu halten.

Di Lorenzo entscheidet sich für die dritte Option. Man könnte auch sagen: für die Guttenberg-Linie. Einen Fehler sieht er nicht, allenfalls macht er sich im Nachhinein einen Vorwurf: “Ich würde künftig, nach dieser Erfahrung, grundsätzlich überlegen, ob die Konstruktion so einer Kooperation – Vorabdruck im eigenen Blatt und Buch durch ein und denselben Journalisten, sinnvoll ist, und sei der Inhalt auch noch so interessant.” Immerhin.

Wenn dieser Gedanke, auf einen Notizzettel geschrieben, künftig an jedem Redaktionsmonitor kleben würde, wäre ein kleiner Schritt für mehr Glaubwürdigkeit des journalistischen Berufsstandes getan. Pars pro toto.
(15.Dezember 2011)

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