Von Siegesmund von Ilsemann
Die GröDaZ war es nicht – die größte Demonstration aller Zeiten. Da hat Berlin schon Gewaltigeres erlebt. Doch letztlich spielt es keine Rolle, ob es nun 5000 Demonstranten waren, 8000 oder sogar 10000, die am 12. November zwischen 13 und 14 Uhr symbolisch einen großen Teil des Regierungsviertels in der Bundeshauptstadt einkreisten. Und gewiss sahen die Berliner schon Massenaufmärsche, die besser organisiert waren als der vom vergangenen Samstag, die pünktlicher begannen, nicht auseinander rissen und bei denen die Veranstalter nicht schon zum Sammeln riefen, als mancherorts die Menschen noch dabei waren, den symbolischen Ring zu schließen.
Aber all das sind Petitessen angesichts des unbestreitbaren Erfolgs, den die Organisatoren der erst seit vier Wochen aktiven deutschen Occupy-Bewegung gegen die Finanzkrise und den Bankenskandal verbuchen können: Trotz einer Vorbereitungszeit von nur 14 Tagen ist es ihnen gelungen, in den deutschen Zentren der Politik und der Finanzwirtschaft gleichzeitig zwei Großdemonstrationen mit vielen Tausend Teilnehmern auf die Beine zu stellen.
Die Herren in den dunklen Anzügen, die in den Vorstandsetagen und bei „Rotwein-Runden in Hinterzimmern“ jenes Finanzmonster schufen, das nun die Steuerzahler füttern müssen, werde angesichts des massenhaften Protestes in Frankfurt und Berlin nun „Angst“ in die Glieder fahren, hoffte auf der Abschlusskundgebung am Brandenburger Tor eine Sprecherin der mitorganisierenden Attac-Gruppe. Aber sind diese Herren überhaupt die richtigen Adressaten? Kann es darum gehen, von Vorständen und Managern sozialeres, moralischeres Handeln zu verlangen?
„Diese Herren“ sind ausschließlich einem Ziel verpflichtet – dem Grundprinzip unserer kapitalistischen Wirtschaftsordnung: der Gewinnmaximierung. Bei der konsequenten, ja gnadenlosen Verfolgung dieses Ziels dienen sie nur einem Interesse – dem der Anteilseigner und nicht dem des Volks. Das kann ächzen und stöhnen, kann protestieren und lamentieren – so lange die Regeln unserer Wirtschaftsordnung nicht geändert werden, folgen die Bosse von Banken und Betrieben unnachsichtig nur diesem einen Ziel – den Gewinn der Besitzenden nach Kräften zu mehren und sei es zu Lasten derjenigen, die schon jetzt nur noch wenig besitzen.
So verständlich der öffentliche Aufschrei über das globale Kasino der Finanzwirtschaft ist, so begründet die Klage über schamlose Zocker, die Gewinne einstreichen und sich ihre Verluste vom Staat erstatten lassen, – die Verantwortlichen für diese Entwicklung sitzen woanders. Und sie sind es, die Angst haben sollten vor dem, was sich da bei den „Wutbürgern“ zusammenbraut.
Die Regeln unseres kapitalistischen Wirtschaftssystems sind keine Naturkonstanten, weder gottgegeben noch unverrückbar. Es ist die Politik, die festschreibt, wer was wann wo und wie in unserer Gesellschaft tun kann und lassen muss. Und es sind die Regierungen und Parlamente gegen die sich der Zorn derjenigen richten sollte, die nicht länger ohnmächtig mit ansehen wollen, wohin unsere Gesellschaft treibt.
Es war der Parlamentarische Rat, der 1949 das Grundgesetz für die Bundesrepublik verabschiedete, das nach 1989 zur Verfassung des wiedervereinigten Deutschlands wurde. Es bildete das Fundament der sozialen Marktwirtschaft, der Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung, um die Deutschland in aller Welt beneidet wurde.
„Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen“, heißt es in Artikel 14 Absatz 2 dieses Grundgesetzes, das sogar Enteignungen als Durchsetzungsmittel vorsieht. Es obliegt dem Gesetzgeber, dieser Verpflichtung einen rechtlichen Rahmen zu geben.
Nun waren die aus der Verfassung erwachsenen Prinzipien der Teilhabe, der sozialen Sicherung, der Tarifautonomie nie einfach nur Selbstzweck. Konzipiert wurden sie auch als Bollwerke gegen das konkurrierende System des Kommunismus, das von Moskau aus die Welt zu erobern suchte. Die Erfahrungen aus unserer Geschichte mit Weimarer Republik und Nationalsozialismus aber auch die Systemkonkurrenz bildeten den Humus, auf dem in der Bundesrepublik eine stark regulierte aber eben auch prosperierende Marktwirtschaft entstand, die wachsenden wirtschaftlichen Wohlstand für alle brachte.
Das mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion besiegelte Ende des Kommunismus beendete zugleich die Jahrzehnte alte Konkurrenz mit einer sozialistischen Gesellschafts-Utopie, die auch im Westen lange Zeit für viele Menschen so verführerisch schien, dass die Mächtigen dieser Republik, ja eigentlich überall in Westeuropa der dort etablierten kapitalistischen Wirtschaftsordnung einschneidende Regeln für einen sozialen Ausgleich verordnet hatten.
Das größte Versagen der Politik begann, als sie nach dem Zusammenbruch des Ostblocks viele dieser Regeln und Schranken beseitigte, um dem Kapitalismus einen beispiellosen weltweiten Triumphzug zu ermöglichen. Ausgerechnet die rot-grüne Schröder-Regierung schuf mit Sozialabbau, Privatisierung öffentlichen Eigentums und vor allem der Deregulierung der Finanzmärkte die Voraussetzungen für jenes Debakel, gegen das heute immer mehr Menschen auf die Straße gehen. Und es war der Finanzminister Peer Steinbrück, der diese rot-grüne „Reformpolitik“ in der großen Koalition fortschrieb. Ihn jetzt zum Kanzlerkandidaten der SPD zu küren, hieße wirklich den Bock zum Gärtner zu machen, nachdem Sozialdemokraten und Grüne Ziele der Finanzwirtschaft in einem Tempo und Umfang umgesetzt, wie es die erklärten Wahrer der Wirtschaftsinteressen in den Unionspartei und der FDP jahrzehntelang gehofft aber nie gewagt haben.
Nach dieser “Vorarbeit” trieb nun die FDP mit ihrer Klientelpolitik die Selbstbedienungsmentalität des entfesselten Neoliberalismus derart auf die Spitze, dass es selbst treuesten Anhängern zu peinlich wurde. Sie bekommt jetzt als erste zu spüren, dass die Menschen eine Politik nicht länger tolerieren, die grenzenlose Gier zum Ordnungsprinzip unseres Wirtschaftssystems werden lässt. Der freie Fall der Freien Demokraten unter die politische Wahrnehmungsgrenze könnte das Ende dieser einst erfolgreichen, weil liberalen Partei besiegeln. Es wäre der erste große Erfolg des Bürgerprotestes.
Der artikuliert sich nämlich nicht nur – und vielleicht nicht einmal vorwiegend – in öffentlichen Umzügen und Protestkundgebungen. Er findet auch statt an Stammtischen, in Ortsvereinen, bei Versammlungen jeder Art. Überall dort, wo Bürger zusammen kommen, wird heute Wut und Enttäuschung laut von Menschen, die sich nicht länger scheuen, von den Medien herablassend als „Wutbürger“ persifliert zu werden.
Und wenn die Politik für etwas ein Gespür besitzt, dann ist es das für politische Springfluten, die sie aus Ämtern und Pöstchen spülen könnten. Kanzlerin Merkel besitzt offenbar einen besonders ausgeprägten Sinn für derlei Gefahren. Mit ihrem politischen Zickzack-Kurs will sie jene Klippen umschiffen, die ihren politischen Zukunftsaussichten aus dem Bürgerzorn erwachsen.
Abrupte Wechsel von der Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke zum Aus für diese Art der Energiegewinnung, vom unbedingten Festhalten an der Wehrpflicht zu deren jähem Ende, vom ideologisch bornierten Nein zu Mindestlöhnen zu einem (wenn auch nur bedingten) Ja dazu – das alles sind nicht nur Versuche, der SPD das Wasser abzugraben und zugleich den Boden für eine große Koalition zu bereiten, Merkels einzige Machtoption nach dem wohlverdienten Aus für die FDP. Es sind auch Versuche, die öffentliche Meinung zu kalmieren.
Diesen Hebel muss die Protestbewegung ansetzen. Sie darf sich nicht durch wohlfeile Versprechen einlullen lassen, muss darauf drängen, dass auf eine ungewisse Zukunft ausgestellte Schecks jetzt eingelöst werden. Ihre Adressaten sitzen in der Politik. Nicht die Banker werden gewählt sondern unsere Volksvertreter. Die müssen dazu gezwungen werden, öffentlich darüber Rechenschaft abzulegen, wessen Interessen sie vertreten, wenn sie Milliarden für Finanzjongleure ausschütten, dem Vabanque-Spiel der Zocker aber immer noch keinen Riegel vorschieben; wenn sie die Schuldenkrise bejammern und zugleich die Vermögenden vor stärkerer Belastung schützen; wenn sie das Volksvermögen zu Spottpreisen privatisieren, bis ihnen das Geld ausgeht für die grundgesetzlich vorgeschriebene Daseinsvorsorge.
Der DDR-Regierung gab Bert Brecht nach dem Arbeiteraufstand vom 17. Juni 1953 den ironischen Rat: «Wäre es da nicht einfacher, die Regierung löste das Volk auf und wählte ein anderes?» Es war letztlich das Volk, das sich eine andere Regierung wählte – erst mit den Füßen, dann mit der friedlichen Revolution von 1989.
Diese Wahl haben die Wutbürger von heute auch. „Alle Staatsgewalt geht vom Volk aus“ heißt es im Grundgesetz. Genau davor sollten sich die Regierenden fürchten.
This webtsie makes things hella easy.
The problem is that things often are a hell of a lot easier then we are made to believe.
As Charlie Sheen says, this atrclie is WINNING!
I went to tons of links before this, what was I tihnknig?
sagt:Da geht’s ja heiss her zur Zeit. Die Leute haben ecnafih keine Lust mehr auf egoistischer Politik.