Die Ehre, die sie meinen

Von Marcus Müller

Zapfenstreich der Bundeswehr/S.Wilke

So läuft das also in diesem Land: Man stellt – persönlich oder politisch, manchmal sogar Staatsanwälte weckend – einen Riesenmurks an und bekommt dafür den Großen Zapfenstreich. Daran rumrütteln darf man auf gar, gar, gar keinen Fall, weil es ja um das Amt und nicht die Person geht.
Und da ist es dann auch egal, ob der vormalige Amtsausfüller wegen
- Belügens der Öffentlichkeit (Verteidigungsminister Jung),
- des Diebstahls fremden geistigen Eigentums (Verteidigungsminister zu Guttenberg),
- Schummelei (zu Guttenberg)
- Verwirrtheit (zu Guttenberg),
- Familie (zu Guttenberg),
- zu vieler Disketten (zu … , na ja, Sie wissen schon),
- des erlahmten Reizes der ganzen Sache (Leberwurst, äh, Bundespräsident Köhler),
- Bock auf mächtige Wummen und Kriegsschiffe auf Handelswegen (Köhler)
- hier einem Upgrade, dort einem Hotelzimmer, fehlender Ahnung, der „nicht immer ganzen Wahrheit“, wie das so schön höflich hieß, oder der höchstens in ganz dünnen Scheiben aufgetischten selbigen, wenn sie längst in der Zeitung gestanden hat, einer Moral wie weicher Butter, der Einsicht eines Eisenträgers und last but not least der Staatsanwaltschaft mit Korruptionsverdacht vor der Tür (alles: Schnäppchenpräsident Wulff) oder
- der generell als doof empfundenen Öffentlichkeit (so sieht der groß Bezapfenstreichte diesen Plebs nun mal)
dann also dummerweise zurücktreten „musste“.
Der amtierende Verteidigungsminister Thomas de Maizière nannte diese nun auch für Wulff vorgesehene Ehre „geübte Staatspraxis“ und, es sei hier noch einmal ausdrücklich hingeschrieben, dass er sich freue, dass Wulff das Angebot angenommen habe.
Das lässt insofern aufhorchen, weil de Maizière bisher durchaus als letztes Mitglied der derzeitigen Bundesregierung durchging, das noch seinen Verstand und alle Sinne einigermaßen beisammen hatte. Schon wieder vorbei.
Ob es auch noch etwas Positives über die Zeremonie zu sagen gibt? Nein, auf der ganzen mit polierten Stiefeln gesäumten Linie nicht! Denn es ist ja nicht nur das störrische, geradezu grotesk realitätsblinde Festhalten von Christian Wulff an diesem Preußen-Event mit Helm und Fackeln. Seine noch lebenden Vorgänger zieren sich daran teilzunehmen, die Opposition sowieso und inzwischen sorgt die Militärparade sogar bis in die schwarz-gelbe Koalition für peinlich berührtes Unbehagen.
Es lässt sich aber eins an diesem Zapfenstreich lernen: Was für einem tief sitzenden, obrigkeitsstaatlichen Konservatismus alle anhängen, die ihn gutheißen und dort am Donnerstag erscheinen. Diese Einschätzung geht ja manchmal verloren, weil heute angeblich jeder irgendwie modern ist oder sich dafür hält. Die Gästeliste kann da einiges zurechtrücken.
Und zum immer mehr wieder auflebenden Militär-Brimborium in diesem Land, zu dem auch der Zapfenstreich gehört, lohnt ein genauerer Blick auf die Gründe für den Jung-Rücktritt. Als völlig zu Unrecht so genannter „Verteidigungs“-Minister war es sein Umgang mit dem, was der Spiegel den “blutigsten deutschen Militäreinsatz seit dem Zweiten Weltkrieg” und „ein deutsches Verbrechen“ nennt, das seinen viel zu späten Rücktritt bewirkte: Der Angriff von Kampfjets auf zwei entführte Tanklaster nahe Kundus in Afghanistan, befohlen von einem Bundeswehr-Offizier, mit vermutlich bis zu 140 Toten, darunter viele Zivilisten. So viel allen, die immer fromm aufsagen, dass die Bundeswehr ja nur Brunnen gräbt und Soldaten für den Frieden nötig seien. Soldaten sind auch für den „umgangssprachlichen“ Krieg und seine Folgen zuständig.
Ansonsten hat Kurt Tucholsky längst alles Notwendige gesagt, zum Militär, zu den Ritualen: „Jubel über militärische Schauspiele ist eine Reklame für den nächsten Krieg; man drehe diesem Kram den Rücken oder bekämpfe ihn aktiv. Auch wohlwollende Zuschauer sind Bestärkung.“
Schön ist es nach diesen klaren Worten übrigens, sich rasch noch vorzustellen, was Tucholsky geschrieben hätte, wenn es damals schon üblich gewesen wäre, sich Popsongs zum Zapfenstreich zu wünschen.

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