Von Michael Kraske
Blutige Schweineköpfe, auf Holzpfosten gespießt, wo eine muslimische Glaubensgemeinschaft eine Moschee errichten will: der vorerst letzte Akt im Leipziger Kulturkampf. Die Schweinerei trägt die Handschrift organisierter Rechtsextremisten. Seit Wochen kocht die Diskussion hoch, die Gegner formieren sich, eine Moschee mit Minarett – diese Vorstellung ist in der Stadt der friedlichen Revolution und der bahngebrochenen Freiheit für viele unerträglich, nicht nur für Neonazis. Aus der CDU tönen Stimmen, wonach der Islam ja eine intolerante Religion sei. Daraus leiten viele aus der so genannten bürgerlichen Mitte ihre ganz eigene Vorstellung von Religionsfreiheit ab. Die ist exklusiv für Christen reserviert. Dass man mit den gleichen Argumenten gegen den Kirchenneubau einer Katholischen Kirche protestieren könnte, die auch unter dem neuen Papst Frauen und Homosexuelle diskriminiert, fällt ihnen nicht mal auf.
Gern gehört ist auch das Argument, man müsse die Sorgen und Ängste der Bürger ernst nehmen. Dahinter steckt bisweilen, schlecht verschleiert, die Rechtfertigung eines bürgerlichen Rassismus. Die Angst vor dem Fremden inklusive aggressivem Abwehrreflex ist nicht neu, aber sie wird dieser Tage unverhohlen geäußert, erlebt ein schauerliches Revival als Normalität gewordene Selbstverständlichkeit. Sie äußert sich im Protest gegen den Moschee-Bau wie in Aufmärschen gegen Asylbewerber. Richtig ist, dass die NPD diese diffusen Stimmungen zu organisieren und instrumentalisieren versucht. Tabuisiert wird hingegen die unliebsame Tatsache, dass der fest eingravierte bürgerliche Rassismus nur allzu bereit ist, Seite an Seite mit den Neonazis zu marschieren. Der schaurige Fackelhokuspokus gegen Asylbewerber in Schneeberg, wo sich mehrfach bis zu 2000 Volkszornige gegen schutzbedürftige Flüchtlinge mobilisieren ließen, zeigt, wie deckungsgleich die Forderungen von NPD und Teilen der „ganz normalen“ Leute sind, was die Asylpolitik angeht. Vordergründig demonstrieren sie gegen „Asylmissbrauch“, wenden sich aber eigentlich gegen das Asylrecht per se.
Der Fremde, das Böse
In Bürgeranhörungen bricht sich ein ungeschminkter, radikaler Rassismus Bahn. Im sächsischen Rackwitz ebenso wie im Leipziger Stadtteil Wahren. Unterstellt wird Asylbewerbern, sie seien per se kriminell, würden mit Drogen handeln, Frauen vergewaltigen, die Sicherheit „unserer Kinder“ und „unserer Frauen“ gefährden. Fußten diese Sorgen auf der Realität, dann wäre der typische Asylbewerber ein von Natur aus krimineller, drogendealender Vergewaltiger. Man fragt sich bei diesen vorurteilsgespeisten Stereotypen, warum es in der ethnisch weitgehend homogenen ostdeutschen Provinz überhaupt Straftaten gibt, wo doch fast ausschließlich anständige Deutsche wohnen. In der Turnhalle in Rackwitz waren, wenig überraschend, rechtsextreme Kameraden aufmarschiert, um die Stimmung bei der Anhörung mit dem Landrat anzuheizen. Das eigentlich Beklemmende: Sie mussten gar nicht anheizen, weil die menschenfeindlichen Vorurteile nur so aus Müttern und Normalbürgern heraus brachen.
Nicht nur reale und eingebildete Kriminalität wird ethnifiziert. Eine junge Mutter äußerte in Rackwitz, wo Asylbewerber in schäbigem Leerstand einquartiert werden sollten, dass kein Geld da sei, um für „unsere Kinder“ einen Spielplatz zu bauen, wohl aber sei Geld für “Asylanten” da. Der eigene Minderwertigkeitskomplex, verbunden mit dem unausgetragenen Konflikt einer spürbaren sozialen Ungleichheit befeuert Neidreflexe. Wer meint, zu wenig zu haben, gönnt denen, die nichts haben, nicht mal das Nötigste zum Überleben. Das ist nicht neu. Wilhelm Heitmeyer hat jedoch in seinen Studien über die Deutschen Zustände seit langem folgenlos darauf hingewiesen, dass Mitgefühl, Toleranz und Solidarität vor allem bei den bisher weitgehend verlässlichen Demokratrieträgern bröckeln. Bei den gut Gebildeten und gut Verdienenden. Bei denen, die eigentlich keinen Grund haben, nach unten zu treten.
Religionsfreiheit ja, aber nicht für Muslime!
Das Forscherteam um Oliver Decker, das seit Jahren für die Friedrich-Ebert-Stiftung rechtsextreme Einstellungen in der Bevölkerung misst, hat in der Studie „Die Mitte in der Krise“ aus dem Jahr 2010 herausgefunden, wie schnell diese so genannte Mitte der Gesellschaft bereit ist, verfassungsmäßige Grundsätze einem ressentimentgeladenen Bauchgefühl zu opfern. Der Aussage, dass man die Religionsausübung für Muslime erheblich einschränken sollte, stimmten 75 Prozent der befragten Ostdeutschen zu. Dass Grundrechte für alle gelten, versteht sich im heutigen Deutschland nicht von selbst. Die Mitte radikalisiert sich.
Es braut sich was zusammen, etwas Bekanntes und Gefährliches. Zwar gibt es überall auch die anderen, die sich engagieren und bereit sind, Menschen in Not persönlich zu helfen. Die Spielzeug, Kleidung und Möbel in Asylbewerberheime bringen, die sich vor Sammelunterkünfte stellen, um diese gegen rassistische Gewalttäter zu schützen. Aber große Teile der Bevölkerung und auch die Mehrheit der Medien haben sich daran gewöhnt, Abwehr, Protest und Angst als normale Reaktion auf Fremde in der Nachbarschaft anzusehen.
Schüren, Zündeln, Anheizen
Die großen demokratischen Parteien versagen darin, sich klar gegen den auch intern grassierenden Rassismus abzugrenzen. Sigmar Gabriel zerlegte in einem Zeit-Essay argumentativ und intellektuell Thilo Sarrazins biologistische Selektions-Thesen, um am Ende in der Flut der Sarrazin-Sympathiebekundungen einzuknicken. Der Unerträgliche darf sich weiter Sozialdemokrat nennen. Vertreter von CDU/CSU bis hin zu Innenminister Hans-Peter Friedrich können der Versuchung nicht widerstehen und schüren Stimmungen gegen Asylbewerber, sobald die drastisch gesunkenen Bewerberzahlen wieder leicht ansteigen. Gern treten selbsternannte Christdemokraten als Sorger auf und warnen vor der „Einwanderung in unsere Sozialsysteme“. Ganz so, als würde ein Verfolgter oder Verhungernder nicht versuchen, der Not zu entkommen, sondern stattdessen mit einem geradezu kriminellen Kalkül sein Fluchtziel attackieren. Besonders perfide an der Argumentation: Erst verweigert man Asylbewerbern jegliche Möglichkeit zu arbeiten, und es sei auf niedrigstem Lohnniveau, um sie anschließend als kollektive Ausplünderer unserer Sozialkassen an den Pranger zu stellen. Nichts, gar nichts haben die Stimmungsmacher aus Rostock-Lichtenhagen und den Anschlägen auf Asylbewerberheime in den 90er Jahren gelernt.
Die einfachsten Lektionen werden nicht beherzigt: Menschen, die man zur bedrohlichen Masse herab würdigt, werden zu Freiwild. Asylbewerber überfluten und überfremden nicht. Sie sind so verschieden wie die Gründe und Biographien, die sie her brachten. Sie sind so gut oder schlecht wie alle anderen auch. Wer in welcher Form auch immer die Stimmung gegen Hilf- und Wehrlose anheizt, trägt die Verantwortung für alle Taten, die daraus erwachsen. Zwei Jahre nach Auffliegen des NSU-Terrors kümmern wir uns weder intensiv um das Problem des organisierten Rechtsextremismus noch um die grassierenden rechtsextremen Ideologiebausteine in der Gesellschaft. Ausländerfeindlichkeit und Rassismus bilden längst eine vernachlässigte Schnittmenge zwischen Neonazis und Normalbürgern. Die ostdeutsche Ausländerfeindlichkeit wächst seit Jahren.
Das deutsche Sommermärchen war eine Illusion. Von einer phrasenhaft beschworenen Willkommenskultur sind wir weit entfernt. Das Land braucht Menschen, die kommen und helfen, unsere Alten zu versorgen und Jobs zu übernehmen, für die sich hier keiner findet. Wir brauchen nicht nur Hightech-Ingenieure. Viele wollen das nicht begreifen und behandeln jeden, der kommt, wie einen Dieb, der ihnen den Job, die Frau, den Kiez, den Spielplatz oder wer weiß was weg nehmen will. Das Land bräuchte Klartextredner. Keine Sarrazins, sondern welche, die Rassismus beim Namen nennen und die den Rassisten in den eigenen Reihen ins Gewissen reden. Die Ängste und Sorgen der Bevölkerung in Bezug auf Ausländer und Asylbewerber sind nicht berechtigt, sondern zumeist rassistisch. Sie ernst zu nehmen, darf nicht bedeuten, ihre Geisteshaltung in die Tat umzusetzen. Als nach Rostock-Lichtenhagen Asylbewerberheime brannten, haben wir nicht die geistigen Brandstifter bekämpft, sondern die Asylgesetze verschärft. Dieser Zynismus darf sich nicht wiederholen.
[gelöscht]
Löscht du auch das? Hast du Angst vor der Wahrheit? weil dann dein Lügenkartenhaus zusammenfällt? Nur zu, “Debattierer”! Du bist ein Zensierer! Wie alle Kommunisten!
Ja, wir löschen Ihre Tiraden, wenn es sein muss. (Wie immer Sie sich auch nennen, bzw. mit welcher E-Mail Sie es auch versuchen.)