Die Aufrichtigkeit des Herrn Wulff

Von Marcus Müller

Was für eine erneute Frechheit: Christian Wulff hat bei seiner vierminütigen Rede zu seinem Rücktritt heute davon gesprochen, dass er sich in seinen Ämtern „stets rechtlich korrekt verhalten“ habe. „Ich habe Fehler gemacht, aber ich war immer aufrichtig“, sagte er. Das kann schon ein aufmerksamer Magazin-Leser als falsch zurückweisen. Wie war das noch am Anfang mit dem Auslöser der Wulff-Affären? Erst war es Frau Geerkens, die ihm und seiner Frau einen Kredit gewährt hat, dann räumte Herr Geerkens selbst im Spiegel ein, ebenfalls an den Verhandlungen beteiligt gewesen zu sein. Die Aufrichtigkeit des Herrn Wulff ist also, nicht die ganze Wahrheit zu sagen! So eine Erklärung muss man sich erst mal trauen. Wahrscheinlich spricht sie für einen vollständigen Realitätsverlust.
Es ist ja sogar wahrscheinlich, dass der aktuelle Korruptionsvorwurf, der zum Antrag der Aufhebung von Wulffs Immunität geführt hat, am Ende nicht zur Anklage führen wird. Das ist in vielen Fällen so. Aber das ist ja längst nicht alles, vielmehr war es der Tropfen, der ein dickes Fass zum Überlaufen gebracht hat. Der Rücktritt ist einzig richtig. Und es sind keineswegs überzogene Ansprüche, die da an den ersten Mann im Staate gestellt werden. Einfache Beamte hätten mit Wulffs Sündenregister schon viel früher Ermittlungen aushalten müssen. Hier gab es bis gestern die da unten und den da oben.
Die Bundeskanzlerin hat sich an diesem Freitag übrigens erneut große Verdienste um den Ansehensverlust der Politikerkaste erworben. Immerhin sagte Angela Merkel, dass sie mit „tiefem Bedauern“ Wulffs Rücktritt zur Kenntnis genommen habe. Er bleibt also ihr Präsident, sie sagt es ganz offen und muss sich diese von Anfang an mittelmäßige Personal-Auswahl daher weiter vorwerfen lassen. Dass Wulff das Land „würdig“ vertreten habe, diese Auffassung hat sie aber für die vergangenen Wochen weitgehend exklusiv. Sie sagt damit zwar nur, was Politiker in solchen Situationen eben so sagen, aber Kopfschütteln dürfte noch das Geringste sein, was dieses unehrliche Sprechen bei „normalen Bürgern “ auslöst.

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