Autoren betrachten kleine und große Ereignisse, die dieses Land prägen und nicht in der täglichen Nachrichtenflut untergehen sollten. Persönliche und politische Gedanken. Ein deutsches Tagebuch.
Von Tarek Khello. Der syrische Journalist kam 2013 als Flüchtling nach Deutschland, wo er seither lebt. In Syrien berichtete er für Online- und Printmedien über den Protest gegen das Assad-Regime und den Krieg.
Das Wort „Schwein“ hat nicht nur zwei Bedeutungen – es steht nicht nur für das Tier und das Glück. Manchmal hat es auch eine dritte Bedeutung – es ist ein „Religionszugehörigkeits-Test“.
„Essen Sie Schwein?“ Diese Frage wird vielen Ausländern nicht beim Essen oder bei einer Party mit Freunden gestellt, sondern häufig beim Kennenlerngespräch. Wenn die Antwort auf diese Frage „ ja“ lautet, kommt der zweiten Frage entscheidende Bedeutung zu. „Trinken Sie Alkohol?“ Damit will der Fragesteller die religiöse Orientierung überprüfen! Besser also, man ist als Migrant kein Vegetarier, wenn es so bedeutsam ist, Schwein zu essen. In jedem Fall: Wer Alkohol trinkt und Schwein isst, wird wohl ein Christ sein. Die Test-Fragen sollen sicherstellen, dass man nicht durch Zufall an einen Muslim geraten ist. Manchmal werden Fragen gestellt, um das auszuschließen. Sind Sie kein Moslem? Warum sind Sie kein Moslem? Aber man kann die Fragen leider nicht ganz unschuldig verstehen.
Es gibt auch Fragen zur nationalen Zugehörigkeit, die quasi die Identität abfragen. Egal ob man seit langer oder kurzer Zeit hier ist, ob man perfekt Deutsch spricht – entscheidend ist, ob man ein “bio-deutsches” Aussehen hat oder nicht. Andernfalls bleibt man immer ein Ausländer. Auch in dritter Generation. Daher muss man immer bereit sein, folgende Fragen zu beantworten: „Wie sind Sie hier her gekommen?“ Und: „Warum sind Sie nach Deutschland gekommen?” „Wann gehen Sie wieder nach Hause zurück?“ Migranten sollen immer daran denken, dass sie Ausländer sind. So als wäre jeder, der eine Glatze hat, ein Rechter.
Schwein? Bier? Arbeit?
Geld verändert die Art der Fragen. Wenn man chic gekleidet ist oder wohlhabend wirkt, kommt als erste Frage: „Was machen Sie hier? Damit wird ermittelt, ob der gut angezogene Ausländer ein guter Steuerzahler ist oder ob er Hilfe von Steuergeldern bekommt, damit er sich gut anziehen kann. Wenn die Antwort nicht klar genug ausfällt, kommt eine eindeutigere Frage: „Haben Sie Arbeit?“ Oder eine direkte Frage: „Bekommen Sie Sozialhilfe?“ Als Arbeitsloser darf man vielleicht nicht chic sein. Arbeitslosengeld ist nur für Essen da.
Zum Glück gibt es auch viele nette Fragen. Solche Gespräche enden häufig mit einer höflichen Frage: „Gefällt es Ihnen hier in Leipzig?“ Selbstverständlich sollte man dann „ja“ sagen. Sonst kommen Hundert neue Fragen.